Höhe der fiktiven Anschaffungskosten
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100720.2013
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Freilinger in der Beschwerdesache Bf., Adresse, über die Beschwerde vom 31. Mai 2013 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom 24.05.2013, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2012, St.Nr. 000/0000, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben betragen:
Einkommen: 23.502,34 €
Einkommensteuer: 3.775,29 €
anrechenbare Lohnsteuer: 4.681,10 €
Abgabengutschrift: 906,00 €
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (vorher Berufungswerber, im Folgenden kurz als Bf. bezeichnet) bezog im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Die letztgenannten Einkünfte ergaben sich aus der Vermietung einer Wohnung im Haus Adressse2, welches der Bf. mit Übergabsvertrag vom 7.12.2007 erworben hatte.
In der Einkommensteuere rklärung für das Jahr 2012 berechnete der Bf. bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Absetzung für Abnutzung auf Basis von fiktiven Anschaffungskosten in Höhe von 100.000 Euro.
Mit Vorhalt des Finanzamtes vom 22. April 2013 forderte die Abgabenbehörde den Bf. auf, die angesetzten fiktiven Anschaffungskosten nachzuweisen.
In der Vorhaltsbeantwortung vom 22. Mai 2013 gab der Bf. dazu an, dass die fiktiven Anschaffungskosten aufgrund des im Anhang befindlichen Gutachtens bzw. einer internen Schätzung der Bank berechnet wurden. Die vermietete Wohnung umfasse ca. 100 m². Mit € 100.000 habe er einen niedrigeren als den geschätzten Wert angenommen.
In dem beigelegten Gutachten wurde das gesamte Wohnhaus mit einer Wohnfläche von ca. 250 m² bewertet. Der Bodenwert für die 271 m² große Baufläche wurde mit ca. 50.000 € bewertet und der Preis pro m² mit 30 Euro angesetzt, wobei ein Bebauungsabschlag von 10% berücksichtigt wurde. Der Gebäudewert wurde im Sachwertverfahren mit 352.750 Euro berechnet.
Im Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 24. Mai 2013 stellte das Finanzamt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 432,38 Euro fest.
In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass die fiktiven Anschaffungskosten für die vermietete Wohnung nicht auf Basis der übermittelten pauschalen Schätzung anerkannt werden könnten. Nach der Ertragswertmethode seien die Anschaffungskosten in Höhe von 25.000 € berechnet worden.
Gegen diesen Einkommensteuer b escheid für das Jahr 2012 erhob der Bf. fristgerecht Berufung und wandte sich gegen die Nichtanerkennung der beantragten fiktiven Anschaffungs kosten in Höhe von 100.000.
Er entgegnete, dass der vom Finanzamt nach der Ertragswertmethode errechnete Wert von € 25.000 zu niedrig sei. Der vom Bf. errechnete Wert von € 100.000 bedeute einen Preis pro m² von € 1.000. Der derzeitige Marktwert betrage mindestens € 1.300. Als richtiger Ertragswert sollten zumindest € 75.000 angenommen werden. Diesem Wert lägen folgende Annahmen zu Grunde: monatliche Miete von € 300 x 12 Monate x 20 Jahre = € 72.000, aufgerundet w. Indexsteigerung.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 10. Juni 2013 wies das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Berufung als unbegründet ab.
In der gesondert zugestellten Begründung wurde ausgeführt, dass das vom Bf. vorgelegte Gutachten nicht vollständig und daher nicht nachvollziehbar sei.
Nach § 9 LBG (Liegenschaftsbewertungsgesetz) habe ein Gutachten folgende Erfordernisse zu erfüllen:
1. den Zweck des Gutachtens (fehlt)
2. den Stichtag des Gutachtens: der angegebene Stichtag 26.11.2012 entspreche nicht dem Stichtag der erstmaligen Vermietung am 1.12.2011
3. Den Tag der Besichtigung und der anwesenden Personen (fehlt)
4. Den Befund mit einer Beschreibung der Sache nach ihren Wertbestimmungsmerkmalen und ihren sonstigen, für die Bewertung bedeutsamen Eigenschaften tatsächlicher oder rechtlicher Art (fehlt)
5. die Bewertung unter Darlegung des angewendeten Wertermittlungsverfahrens und der Gründe für die Auswahl des angewendeten Verfahrens oder der allenfalls angewendeten Verfahrensverhinderung (fehlt)
Zusätzlich fehlten folgende Angaben für die Nachvollziehbarkeit der Bewertung:
6. Die Lage des Grundstückes bzw. der Immobilie sei im Gutachten nicht näher bezeichnet (keine Angabe der Katastralgemeinde und der Adresse)
7. Als fiktives Baujahr sei ohne Begründung das Jahr 2007 angesetzt worden (tatsächliches Baujahr 1906)
8. Es sei nicht ersichtlich, wie die m²-Preise für das Sachwertverfahren ermittelt worden seien
9. Es lägen keine Raumpläne, Fotos oder Aufzeichnungen vor, um die vermietete Fläche zu verifizieren.
Da die vom Bf. berechneten fiktiven Anschaffungskosten nicht nachvollzogen werden könnten, anerkannte das Finanzamt diese im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht an.
Das Finanzamt ermittelte die fiktiven Anschaffungskosten auf Grund der Aktenlage nach dem Ertragswertverfahren unter Berücksichtigung folgender Parameter:
Jahresrohertrag 12 x 300,00 3.600,00
Verwaltungskosten 5% - 180,00
Mietausfallswagnis 4% - 144,00
Instandhaltungskosten 15% - 540,00
Liegenschaftsreinertrag 2.736,00
Bodenwert 10.000,00
Verzinsungsbetrag 4,49 % - 449,00
Jahresreinertrag der baulichen Anlage 2.287,00
Restnutzungsdauer 15 Jahre
Vervielfältigungskennzahl 10,75 24.578,24
gerundet 25.000,00
Mit Eingabe vom 3. Juli 2013 beantragte der Bf. die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Er beantragte die folgenden Änderungen bei der Ermittlung des fiktiven Anschaffungswertes:
Korrektur der Restnutzungsdauer von 15 auf 25 Jahre
Reduktion des Mietausfallswagnisses von 4% auf 0 %
Reduktion der Verwaltungskosten von 5% auf 2 %
In der Stellungnahme der betrieblichen Veranlagung vom 29.7.2013 wurde ausgeführt, dass die Ermittlung der angefochtenen Restnutzungsdauer, des Mietausfallswagnisses und der angesetzten Verwaltungskosten anhand der Aktenlage und unter Zuhilfenahme einschlägiger Literatur (Liegenschaftsbewertung, Heimo Kranewitter) erfolgt sei. Die Restnutzungsdauer von 15 Jahre ergebe sich anhand des fiktiven Baujahres von 1946 bei einer angenommenen Lebensdauer von 80 Jahren für Ein- und Zweifamilienhäuser bei normaler Bauausführung. Da das tatsächliche Baujahr 1906 sei und kein Nachweis über besondere Investitionen oder Sanierungsarbeiten erfolgte, könnten ein späteres fiktives Baujahr bzw. eine längere Restnutzungsdauer nicht angesetzt werden. Hinsichtlich des Mietausfallswagnisses und der Verwaltungskosten wurde auf die angeführte Literatur verwiesen. Danach betrage nach Erfahrungswerten das Mietausfallswagnis bei Mietwohnobjekten zwischen 3,0 und 5 % des Jahresrohertrages und die Verwaltungskosten lägen zwischen 3 und 8 % des Jahresrohertrages.
Mit Vorlagebericht vom 1. August 2013 legte das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz vor.
Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten mittels Ertragswertmethode erfolgt sei. Die vom Bf. berechneten fiktiven Anschaffungskosten seien nicht nachvollziehbar.
Da die Berufung am 31. Dezember 2013 noch unerledigt war, war sie vom Bundesfinanzgericht (BFG) als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Mit Vorhalt vom 8. April 2019 wurde die Abgabenbehörde vom BFG darauf hingewiesen, dass die i n der Berufungsvorentscheidung vom 10. Juni 2013 dargestellte Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten nach Ansicht des BFG in Höhe von € 25.000 aus folgenden Gründen zu keinem tauglichen (realistischen) Ergebnis führe:
1. Unter „fiktive Anschaffungskosten“ sei derjenige Betrag zu verstehen, den der Empfänger für das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Empfangs hätte aufwenden müssen. Das Gesetz regle nicht, wie dieser Wert im Einzelnen festgestellt werden solle; somit sei letztlich eine Ermittlung im Schätzungsweg nach § 184 BAO geboten (s. Jakom, Kommentar zum EStG, § 16 Rz. 37).
Das bedeute, dass von der Abgabenbehörde die Schätzungsmethode so gewählt werden müsse, dass sich daraus ein Ergebnis (Schätzwert) ableiten lasse, welches (welcher) zu Anschaffungskosten führe, die in einer Höhe lägen, die auch ein potentieller Käufer für dieses entsprechende Wirtschaftsgut bezahlt hätte oder hätte müssen.
2. Die vermietete Wohnung stelle rechtlich kein eigenes Wirtschaftsgut dar, da an dieser Wohnung kein Wohnungseigentum begründet worden sei und daher diese Wohnung auch nicht getrennt veräußert bzw. erworben werden könne. Um die „fiktiven Anschaffungskosten“ richtig ermitteln zu können, müsste daher zuerst der Wert für die gesamte Liegenschaft ermittelt werden und nachher der anteilige Wert, welcher auf die Wohnung entfalle.
3. Nach der Rechtsprechung des VwGH sei zwar grundsätzlich dem Ertragswertverfahren der Vorzug zu geben ist, wenn die zu bewertende Liegenschaft zu Ertragszwecken vermietet werde, allenfalls unter weiterem unterstützenden Heranziehen des Vergleichswertverfahrens (s. Jakom, § 16 Rz. 38). Nach Ansicht des BFG könne im gegenständlichen Fall der Sachwert des vermieteten Objekts aber nicht völlig ignoriert werden, da das Gasthaus mit darüber liegenden Wohnung (s. Mietvertrag) kein typisches Ertragsobjekt darstelle, welches zur Erzielung von Einkünften vermietet werde. Vermutlich diente das Gasthaus früher den Eigentümern als Erwerbsquelle und die Wohnung darüber den Wohnzwecken der Eigentümer. Es könne daher für die gesamte Liegenschaft neben dem gewerblichen Zweck (als Gasthaus) auch ein privater Zweck unterstellt werden und somit der Sachwert des vermieteten Objekts nicht völlig ignoriert werden.
4. Ein Vergleichswert (Kaufpreis für eine vergleichbare Wohnung in vergleichbarer Lage) stelle immer einen Indikator für die Angemessenheit bzw. Nicht-Angemessenheit der Schätzung nach dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren dar.
Auf den beschwerdegegenständlichen Fall bezogen bedeute das, der Bf. hätte eine vergleichbare Wohnung um € 25.000 kaufen können. Das werde wohl kaum der Fall sein.
5. Bei dem vom Finanzamt berechneten Ertragswert sei die Minderung des Mietzinses aufgrund des Gasthaues unberücksichtigt geblieben. Eine einheitliche Ermittlung des Verkehrswertes für das gesamte Gebäude und Aufteilung im Nachhinein wäre erforderlich gewesen (s. Pkt. 2).
Das Finanzamt Braunau Ried Schärding wurde eingeladen, zu diesem Vorhalt Stellung zu nehmen und ein Gutachten (z.B. eines Amtssachverständigen) bzw. zur Ausräumung der dargestellten Bedenken des BFG eine neuerliche Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten vorzulegen.
Das Finanzamt Braunau Ried Schärding beauftragte den Amtsachverständigen , welcher am 10.7.2019 eine abgab.Er begründete zunächst, warum das vom Bf. vorgelegte Gutachten der Bank als Beweismittel mangelhaft und untauglich sei.
Auf Basis der in der Beilage detailliert tabellarisch dargestellten Nutzungsfaktoren sei von einer Gesamtnutzungsdauer von ca. 155 Jahren sowie einer Restnutzungsdauer von ca. 50 Jahren auszugehen.
Die dargestellten Neuherstellungskosten (=Neubauwert It. Gutachten) erschienen im Hinblick auf die gängige Fachliteratur plausibel, weshalb er den „Neubauwert" It. Gutachten unverändert übernehmen habe können.
Zur Wahl des Wertermittlungsverfahrens führte er aus, dass die tatsächliche monatliche Miete mit € 2,50/m² weit unterhalb (60% bis 100%) der Iaut Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer Österreichs abgebildeten Durchschnittsmieten (Bandbreite von € 4,10 bis € 5,10/m²) für den Bezirk S liege. Da es sich steuerrechtlich um ein Ertragsobjekt handle, sei jedenfalls nach der Rechtsprechung des VwGH das Ertragswerteverfahren zu präferieren. Anzumerken sei, dass eine derartig geringe (tatsächlich bezahlte) Miete nicht nur den Wert der steuerrechtlich relevanten fiktiven Anschaffungskosten essenziell mindere, sondern ebenso den It. Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992 differenziert zu betrachtenden Verkehrswert, sobald beim zu bewertenden Gebäude(teil) von einem Ertragsobjekt auszugehen sei.
Der Amtssachverständige überprüfte die fiktiven Anschaffungskosten sowohl auf Basis des Sachwertes als auch auf Basis des Ertragswertes.
Den Bodenwert berechnete er in Höhe von 30 € pro m² und kam so auf einen Betrag von 8.130.- €. Den Gebäudewert errechnete er ausgehend von Neuherstellungskosten in Höhe von 425.000.- € und einer linearen Alterswertminderung von 68% für das gesamte Gebäude mit 137.097.- €. Auf die vermietete Wohnung entfiele demnach ein Wert von 53.629.- €, gerundet 54.000.- €. Von diesem Betrag zog er eine Wertminderung von 10% wegen der Lärmimission durch das Gasthaus ab und kam so auf einen Betrag in Höhe von 48.600.- €.
Den Ertragswert errechnete er wie folgt:
Jahresrohertrag 116 (fikt.) m² x 300,00 3.600
Verwaltungskosten 1% - 36
Mietausfallswagnis 4% - 144
Instandhaltungskosten (in % zu NHK) 0,5% - 831
Reinertrag Grundstück 2.589
abzüglich Bodenwertverzinsung - 285
Jahresreinertrag Gebäude 2.304
Liegenschaftszinssatz 3,5 %
Restnutzungsdauer 50 Jahre
Vervielfältiger 23,456
Ertragswert Gebäude 54.047
Ertragswert Gebäude gerundet 54.000
Im Ergebnis wurden die fiktiven Anschaffungskosten vom bundesweiten Fachbereich unter Zugrundelegung einer 10% Wertminderung für Lärmimmission (eh. Gasthaus im Erdgeschoß) sowohl auf Basis des Sachwertes als auch auf Basis des Ertragswertes in Höhe von 48.600 Euro ermittelt.
Mit Vorhalt vom 24.7.2019 wurden dem Bf. das Schreiben des Fachexperten für Immobilienbewertung vom 10.7.2019, die Überprüfung der fiktiven Anschaffungskosten auf Basis Sachwert und Ertragswert, die Tabelle über die Restnutzungsdauer nach Nutzungsfaktoren und Unterlagen über die Herleitung des Kapitalisierungszinssatzes übermittelt. Dem Bf. wurde Gelegenheit gegeben, zum beigelegten Gutachten des AD B und der Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten Stellung zu nehmen sowie dagegen geeignete Einwendungen vorzubringen.
Dieser Vorhalt vom 24.7.2019 blieb vom Bf. unbeantwortet.
Beweiswürdigung
Die Beweiswürdigung erfolgte aufgrund des Vorbringens des Bf., der vom Finanzamt vorgelegten Akten, der Sachverhaltsdarstellung des Finanzamtes und der im bisherigen Verfahren vorgelegten Beweismittel, insbesondere der gutächtliche Stellungnahme des Amtsachverständigen B.
Der Bf. hat zu den Ausführungen des Amtsachverständigen B nicht mehr Stellung genommen. Die in seiner gutächtliche Stellungnahme festgestellten Schätzungsgrundlagen sind daher grundsätzlich als richtig anzusehen.
Rechtslage
§ 16 Abs. 1 Z. 8 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) in der Fassung des SchenkMG BGBl. I 2008/85 und vor dem AbgÄG 2012, BGBl. I 2012/12, lautet:
Absetzungen für Abnutzungen und für Substanzverringerungen (§§ 7 und 8).
Gehört ein Gebäude oder ein sonstiges Wirtschaftsgut nicht zu einem Betriebsvermögen, so gilt für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung Folgendes:
a) Grundsätzlich sind die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu Grunde zu legen. Bei der Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind § 6 Z 11 und 12 zu berücksichtigen. § 13 ist anzuwenden.
b) Wird ein Gebäude unentgeltlich erworben, ist die Absetzung für Abnutzung des Rechtsvorgängers fortzusetzen.
c) Wird ein sonstiges Wirtschaftsgut unentgeltlich erworben, sind die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes anzusetzen (§ 6 Z 9).
d) Wird ein vom Steuerpflichtigen früher angeschafftes oder hergestelltes Wirtschaftsgut erstmalig zur Erzielung von Einkünften verwendet, sind der Bemessung der Absetzung für Abnutzung die fiktiven Anschaffungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung zugrunde zu legen.
e) Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage (lit. a bis d) als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden.
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO (Bundesabgabenordnung) hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Unter „fiktive Anschaffungskosten“ ist derjenige Betrag zu verstehen, den der Empfänger für das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Empfangs hätte aufwenden müssen. Das Gesetz regelt nicht, wie dieser Wert im Einzelnen festgestellt werden soll; somit ist letztlich eine Ermittlung im Schätzungsweg nach § 184 BAO geboten (s. Jakom, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 16 Rz. 37).
Erwägungen
Im beschwerdegegenständlichen Fall ist die richtige Ermittlung und die Höhe der fiktiven Anschaffungskosten strittig.
Zu den vom Bf. im Vorlageantrag beantragten Änderungen betreffend die von der Abgabenbehörde vorgenommene Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten in Höhe von € 25.000 ist auszuführen:
1. Korrektur der Restnutzungsdauer von 15 auf 25 Jahre:
Der Amtsachverständige geht bei der Berechnung des Ertragswertes von einer Restnutzungsdauer von 50 Jahre aus. Der Bf. ist daher in diesem Punkt nicht mehr beschwert.
2. Reduktion des Mietausfallswagnisses von 4% auf 0 %:
Der Amtsachverständige nimmt ein Mietausfallswagnis von 4% an. Dieser Prozentsatz wird in der Literatur üblicherweise angenommen und ist nicht zu beanstanden.
3. Reduktion der Verwaltungskosten von 5% auf 2 %:
Der Amtsachverständige geht bei der Berechnung des Ertragswertes von Verwaltungskosten von einem Prozent aus. Der Bf. ist daher in diesem Punkt nicht mehr beschwert.
Zu der vom Amtsachverständige vorgenommenen Wertminderung für Lärmimmission (eh. Gasthaus im Erdgeschoß) vertritt das BFG die Ansicht, dass diese Wertminderung nicht doppelt berücksichtigt werden kann:
Die wegen der Lärmimmission (eh. Gasthaus im Erdgeschoß) geringere (tatsächlich bezahlte) Miete wirkt sich nach Ansicht des Amtsachverständigen nicht nur den Wert der steuerrechtlich relevanten fiktiven Anschaffungskosten aus, sondern ebenso auf den It. LBG 1992 differenziert zu betrachtenden Verkehrswert.
Die Lärmimmission wegen des Lärms ist also bereits in der niedrigeren Miete und dem daraus berechneten Ertragswert enthalten. Eine nochmalige Minderung in Form eines Abschlages von 10 % ist nach des BFG nicht mehr sachgerecht, weil es zu einem doppelten Abzug führen würde.
Bei der Berechnung des Sachwertes ist die Minderung wegen Lärmimmission ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil das Gebäude einheitlich zu bewerten ist und der errechnete Sachwert auf die Gebäudeteile aufzuteilen ist. Da die Ursache der Lärmquelle im eigenen Gebäude liegt und somit die Nutzung des eigenen Gebäudes maßgeblich ist, beeinflusst dieser Faktor die fiktiven Anschaffungskosten nicht. Denn der Sachwert eines Gebäudes hängt nicht davon ab, ob ein Gebäude als Gasthaus genutzt wird oder nicht.
Zur Frage, ob nun die Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten nach dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren zu erfolgen hat oder ein Mischwert anzusetzen ist, ist im beschwerdegegenständlichen Fall insoweit unerheblich, weil beide Verfahren zum gleichen Ergebnis führen.
Aus den angeführten Gründen geht das BFG von fiktiven Anschaffungskosten in Höhe von 54.000 € aus.
Die Absetzung für Abnutzung beträgt aufgrund des Alters des Gebäudes 2% der fiktiven Anschaffungskosten, also 1.080 € jährlich. Im angefochtenen Bescheid hat das Finanzamt 600,89 € als Absetzung für Abnutzung berücksichtigt. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung waren daher um 479,11 € zu vermindern.
Aus den angeführten Gründen war der Beschwerde teilweise Folge zu geben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Strittig waren die richtige Ermittlung und die Höhe der fiktiven Anschaffungskosten.
Dies ist keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage, welche im Rahmen der Beweiswürdigung zu entscheiden war. Aus diesem Grund war auszuführen, dass eine Revision nicht zulässig ist.
Linz, am 17. Dezember 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
