BFG RV/4100556/2018

BFGRV/4100556/20182.6.2021

Umrechnung von Einkünften beim Bezug von Arbeitslosengeld zum Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100556.2018

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Elisabeth Hafner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Andreas Maschinda, Moritschstraße 2, 9500 Villach, und zwar über die Beschwerde vom 9. November 2016 gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom 4. November 2016 betreffend Einkommensteuer 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Die Einkommensteuer wird laut Beilage mit Euro 1.743,00 festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

 

Strittig ist, ob laufende Einkünfte, die der Beschwerdeführer (BF) neben Arbeitslosengeld (ALG) bezogen hat, gemäß § 3 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen sind.

Sachverhalt:

Der BF hat im Streitjahr vom 01.06. bis 22.06. (22 Tage), vom 23.06 bis 30.06 (8 Tage) sowie vom 04.07. bis 12.07. (9 Tage), insgesamt somit 39 Tage, Arbeitslosengeld bezogen hat.

Des Weiteren erzielte der BF in der Zeit vom 01.01. bis 31.05 (= 151 Tage) aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses zum Tarif zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit von der ***1*** in Höhe von Euro 11.067,73. Ab 01.06. war der BF als Physiotherapeut selbstständig tätig und bezog aus dieser Tätigkeit bis 31.12.2015 (= 214 Tage) Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von Euro 11.274,57.

Verfahrensablauf:

Das Finanzamt bezog mit dem angefochtenen Bescheid die vom BF erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger und selbständiger Arbeit zur Gänze in die Umrechnung ein.

Der Beschwerde, laut der überhaupt keine Umrechnung der bezogenen Einkünfte zu erfolgen hat, gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung nur teilweise Folge. Die Einkommensteuer wurde anstatt mit Euro 1.782,00 mit Euro 1.743,00 festgesetzt. Das Finanzamt rechnete dabei nur die vom BF außerhalb des Zeitraumes des ALG - Bezuges erzielten Einkünfte um. Das Finanzamt nahm aus der Umrechnung Euro 2.054,71 heraus (33 Tage des ALG Bezuges zwischen 01.06 und 12.07.: Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit insgesamt für 214 Tage Euro 11.274,57 : 214 x 39 = 2.054,71 ) und rechnete Einkünfte aus selbständiger Arbeit von lediglich Euro 9.219,86 (Euro 11.274, 57 - 2.054,71) sowie die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Euro 11.067,73 zur Gänze um (Detail siehe Beilage).

Im Vorlageantrag wird wiederum begehrt, von einer Umrechnung der vom BF bezogenen Einkünfte gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gänzlich Abstand zu nehmen. Zur Stützung dieses Begehrens verwies der BF auf Rechtsprechung und Lehre.

UFS, 11.11.2013, RV/0163-I/13:

"Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 15 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte im iSd § 2 Abs. 3 1 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Die Bestimmung soll verhindern, dass das steuerfreie Arbeitslosengeld progressionsmindernd auf die außerhalb der Zeit der Arbeitslosigkeit bezogenen Einkünfte wirkt. Das Hochrechnen von Einkünften auf einen fiktiven Jahresbetrag ist jedoch nicht geboten, wenn Einkünfte ohnedies ganzjährig bezogen werden (Jakom/Laudacher EStG, 2013, § 3 Rz 122), das steuerfreie Arbeitslosengeld entfaltet diesbezüglich keine progressionsmindernde Wirkung. Ganzjährig bezogene Einkünfte fiktiv um die in der Zeit der Arbeitslosigkeit bezogenen Teile zu kürzen und dann die restlichen, außerhalb des Zeitraumes der Arbeitslosigkeit gelegenen Bezugsteile in die Hochrechnung einzubeziehen, führt zu einer dem Gesetzeszweck des § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht entsprechenden Progressionserhöhung der tatsächlich außerhalb der Zeit der Arbeitslosigkeit erzielten anderen Einkünfte."

UFS, 20.02.2012, RV/2927-W/11:

"Unbestritten ist, dass jedenfalls gleichzeitig mit den Transferleistungen bezogene Einkünfte nicht umzurechnen sind. Ganzjährig bezogene Einkünfte - darunter fallen auch ganzjährig bezogene Pensionen - sind aber in gleicher Weise zur Gänze und nicht bloß aliquot aus der Umrechnung auszuscheiden (siehe: Doralt, EStGl 1, § 3 Tz 19/1; Jakom/Laudacher EStG, 2011, § 3 Rz 122, jeweils unter Verweis auf VwGH 22.11.2006, 2006/15/0084 und auf LStR 2002 Rz 114)."

HR Mag. Dr. Bernhard Ludwig, SWK 3/2014, 90f, unter Hinweis auf UFS, 11.11.2013, RV/0163-I/13:

"Dabei ist zu beachten, dass nur jene Einkünfte, die außerhalb des Bezugs der oben angeführten Transferleistungen angefallen sind, hochgerechnet werden können. Bei ganzjährigem Bezug von Einkünften entfalten die oben angeführten Transferzahlungen ohnehin keine progressionsmindernde Wirkung."

VwGH, 22.11.2006, 2006/15/0084:

"Zu betonen ist allerdings, dass nur die im Kalenderjahr für Zeiten vor und nach dem Arbeitslosengeldbezug bezogenen Einkünfte aus selbständiger Arbeit für die Umrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG herangezogen werden dürfen. Demgegenüber dürfen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und ganzjährig bezogene Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht hochgerechnet werden (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, § 3 Tz 34 Seite 40)".

Im Vorlagebericht hielt das Finanzamt fest, dass die vom BF angesprochenen Erkenntnisse jeweils ganzjährig bezogene Einkünfte (aus ein und derselben Quelle) zum Gegenstand gehabt hätten. Im gegenständlichen Fall seien vom BF jedoch Einkünfte aus verschiedenen Quellen bezogen worden, die umgerechnet werden müssten.

 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

 

Nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 sind dann, wenn der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z. 5 lit. a (dazu zählt auch - wie im gegenständlichen Fall unstrittig - das versicherungsmäßige ALG), nur für einen Teil des Kalenderjahres erhält, die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der BF ALG nur für einen Teil des Kalenderjahres (vom 01.06. bis 22.06., vom 23.06 bis 30.06, sowie vom 04.07. bis12.07., insgesamt somit für 39 Tage) bezogen hat. Somit ist der Sachverhalt verwirklicht, der grundsätzlich die Konsequenz der Umrechnung von Einkünften nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 nach sich zieht (siehe VwGH vom 27.3.2019, Ra 2018/13/0024, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Zur Auslegung dieser Bestimmung zieht der Verwaltungsgerichtshof den Gesetzeszweck laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 277 BlgNR XVII.GP , zu § 3 Z. 4 EStG 1972, der im wesentlichen inhaltsgleichen Vorläuferbestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 heran (siehe beispielsweise die Erkenntnisse des VwGH vom 18.12.2019 90, 89/14/0283 und VwGH vom 22.11.2006, 2006/15/0084).

Diesen zufolge bezweckt diese Regelung, eine rechtspolitisch unerwünschte zum Teil erhebliche Minderung der Steuerprogression für den Fall auszuschließen, wenn steuerpflichtige Lohnbezüge bzw. Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten mit steuerfreien Transferleistungen zusammentreffen.

Eine Umrechnung kann nach der Judikatur demnach unterbleiben, wenn ganzjährig Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen werden, die mit dem steuerfreien Bezug im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit besteht ebenso wenig Anlass zur Umrechnung wie bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus selbstständiger Arbeit.

Anders verhält es sich, soweit der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt. Dies ist die Situation, in der die Steuerfreiheit im Vergleich zum unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch eine progressionsmindernde Wirkung hätte, der die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entgegenwirken soll (VwGH vom 27.03.2019, Ra 2018/13/0024).

Im gegenständlichen Fall wird vorgebracht, dass eine Umrechnung von Einkünften unterbleiben kann, weil der BF ganzjährig Einkünfte, wenngleich auch aus unterschiedlichen Quellen, und zwar auf Grund nichtselbstständiger Arbeit (vom 01.01. bis 30.05) und selbstständiger Arbeit (ab 01. 06. bis 31.12.) erzielt hat.

Einer derartigen Vorgangsweise steht die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen: Wie der BF selbst vorbringt, wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur fünf Monate lang und nicht ganzjährig bezogen und stehen zudem im ursächlichen Zusammenhang mit dem bezogenen ALG: ist doch die zu den Einkünften führende Beschäftigung der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen und hat den Bezug des ALG erst ausgelöst. Im Gegensatz zum etwaig unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ist insoweit somit auch eine progressionsmindernde Wirkung eingetreten. Auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit hat der BF nicht ganzjährig erzielt.

Angesichts dessen stützt auch der Hinweis des BF auf die Entscheidungen des UFS und die darauf aufbauende Literaturmeinung von HR Ludwig nicht. Diesen Entscheidungen liegen nämlich jedenfalls ganzjährig aus ein und derselben Quelle bezogene Einkünfte zugrunde.

Der Vollständigkeit halber wird noch festgehalten, das nach § 4 Abs. 2 zweiter Absatz EStG 1988 beim Bezug von ALG das Einkommen mit jenem Steuersatz zu besteuern ist, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein, als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Im gegenständlichen Fall ergibt diese vorzunehmende Vergleichsrechnung Folgendes Bild:

Einkommen laut Erstbescheid und BVEALG 01.06. - 22.06.23.06. - 12.07.ALG 04.07 - 12.07

21.825,58818,62297.68334,89

Steuerberechnung gemäß § 33 Abs. 1 1. Fall(23.276,77 - 11 000) x 5 110 14 000VerkehrsabsetzbetragArbeitnehmerabsetzbetrag

23.276,774.481,02- 291,00- 54,00

 

4.136,02

 

Steuer Vergleichsrechnung

4.136,02

Steuer mit Umrechnung lt BVE

4.042,10

Anrechenbare Lohnsteuer

- 2.299,06

 

- 2.299,06

Festzusetzende Steuer

1.836,96

 

1.743,04

Es war die Steuer daher spruchgemäß - mit Umrechnung wie laut BVE - mit Euro 1.743,04 festzusetzen.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das vorliegende Erkenntnis stützt sich auf die wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

 

Klagenfurt am Wörthersee, am 2. Juni 2021

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 3 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 22.11.2006, 2006/15/0084
VwGH 27.03.2019, Ra 2018/13/0024
UFS 11.11.2013, RV/0163-I/13
UFS 20.02.2012, RV/2927-W/11

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