Anwendbarkeit der Bestimmung des § 6 Z 6 lit. a EStG 1988 im außerbetrieblichen Bereich (Gewährung eines zinslosen Privatdarlehens an eine ausländische Gesellschaft)
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100628.2016
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache XY gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom 17. Mai 2016 betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 bis 2012 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der im Jahr jjjj verstorbene AA hat in den Streitjahren aus der Tätigkeit als Geschäftsführer der D Handelsgesellschaft m.b.H. resultierende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Bis einschließlich 2010 hat der zudem dem Progressionsvorbehalt unterliegende ausländische Einkünfte erklärt.
2. Nach zunächst erklärungsgemäßer Veranlagung hat das Finanzamt aufgrund der Ergebnisse einer die Jahre 2009 bis 2012 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung im wiederaufgenommenen Verfahren aus bisher nicht offengelegten liechtensteinischen Stiftungen herrührende Einkünfte aus ausländischen Kapitalanlagen sowie Einkünfte aus Spekulationsgeschäften und aus Gesellschafterdarlehen resultierende nichtendbesteuerungsfähige Einkünfte aus Kapitalvermögen in Ansatz gebracht.
Begründend wurde dazu im Betriebsprüfungsbericht hinsichtlich der hier noch interessierenden Zinseinkünfte aus Gesellschafterdarlehen (Tz 2) im Wesentlichen ausgeführt, AA habe der CH AG am 4. Februar 2009 einen Betrag von 8 Millionen Euro (Erlöse aus einem Grundstücksverkauf in Deutschland) und am 23. Dezember 2010 sowie am 21. Februar 2011 weitere aus der Auflösung seiner Stiftungen herrührende Beträge in Höhe von 13.198.818‚27 € bzw. 8.347.887,73 € in Form von zinslosen Gesellschafterdarlehen zur Verfügung gestellt. Die CH AG habe ihrerseits in diesem Zeitraum den verbundenen Unternehmen E GmbH (Österreich) und F GmbH (Deutschland) mit 2% verzinste Darlehen gewährt. Nach dem Tod von AA seien die Darlehen im Erbwege auf seinen Sohn (2/3) und auf seine Ehegattin (1/3) übergegangen. Nach Ansicht der Betriebsprüfung sei es nicht fremdüblich, wenn eine natürliche Person einer ihr gehörenden, mit genügend Eigenmitteln ausgestatteten Kapitalgesellschaft zinslose Darlehen zur Verfügung stelle und diese Kapitalgesellschaft in weiterer Folge ihrerseits nahestehenden Gesellschaften Darlehen gewähre und daraus entsprechende Kapitalerträge erziele. Im Falle grenzüberschreitender Verlagerungen von "Gewinnpotentialen" werde eine Versteuerung im Inland aufgrund des § 6 Z 6 EStG 1988 sichergestellt. Die Unverzinslichkeit der Darlehen sei gemessen am Fremdverhaltensgrundsatz unüblich und seien daher gemäß § 6 Z 6 EStG 1988 Zinsen in Ansatz zu bringen. Die Höhe des Zinssatzes sei in Anlehnung an die Darlehensvergaben der CH AG mit 2% bemessen worden.
Entgegen der Sichtweise der steuerlichen Vertretung liege keine verdeckte Einlage vor. Die zivilrechtliche Gültigkeit der Darlehen werde von der Betriebsprüfung nicht bezweifelt. Die Vermögenszuwendungen von AA seien von der CH AG durchgehend als Darlehen bilanziert worden. Nach dem Tod von AA sei dem Verlassenschaftsgericht eine Vermögenserklärung übermittelt worden, aus der die zinslosen Darlehensforderungen des Erblassers an die CH AG iHv 25.238.480‚00 € und 4.400.000,00 € (richtig: 4.400.000,00 CHF) hervorgingen. Dem Verlassenschaftsgericht sei neben der Bilanz der CH AG per 31. Dezember 2011 auch ein Schreiben der CH AG vom 26. November 2012 vorgelegt worden, in dem der Sohn von AA als Verwaltungsrat der CH AG den Bestand der Verbindlichkeiten der Gesellschaft (in oben angeführter Höhe) gegenüber AA per tt.mm.jjjj bestätigt habe. Eine Umqualifizierung eines Darlehens in verdecktes Eigenkapital könne nur erfolgen, wenn besondere Umstände dafür sprächen, dass die Darlehenshingabe objektiv dazu diene, Eigenkapital der Gesellschaft zu ersetzen und eine Kapitalerhöhung daher das wirtschaftlich Gebotene gewesen wäre. Diese besonderen Umstände lägen nicht vor. Die Schweizer Gesellschaft sei zur Zeit der Hingabe der Darlehen nicht in finanziellen Schwierigkeiten gewesen. In den Jahren 2009 bis 2011 sei in den Bilanzen ein Eigenkapital von jeweils über 20 Millionen Euro ausgewiesen worden. Die unklare Vertragsgestaltung sei aufgrund des Ablebens von AA nicht mehr aufzuklären. Die Unverzinslichkeit der Darlehen sei zweifelsohne fremdunüblich und führe aufgrund der grenzüberschreitenden Nutzungsüberlassung zum Ansatz fremdüblicher Zinsen (Hinweis auf EuGH 21.1.2010, Rs C-311/08 , SGI).
Bei der Beurteilung, ob besondere Umstände für eine Umqualifizierung vorlägen, sei auf den Zeitpunkt der Darlehenshingabe abzustellen. Die Einbuchung der Vermögenswerte bei der CH AG als Darlehen bringe den Willen von AA klar zum Ausdruck. Nachträglich eingetretene wirtschaftliche oder steuerliche Entwicklungen seien außer Acht zu lassen. Die nach dem Erbantritt erfolgten Kapitalerhöhungen bei den verbundenen Gesellschaften, die über die Gesellschafterdarlehen finanziert worden seien, hiengen nach Ansicht der Betriebsprüfung mit im Einzelnen angeführten nachträglich eingetretenen wirtschaftlichen Entwicklungen zusammen. Da hinsichtlich aller Darlehenshingaben vom Vorliegen der gleichen Vertragsgestaltung auszugehen sei, sei der gesamte Darlehensbetrag entweder als Fremdkapital oder als Eigenkapital anzusehen und könne daher nicht nur ein Teilbetrag (8.763.312,98 €) als Darlehen gewertet werden.
3. In der gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide der Jahre 2009 bis 2012 erhobenen Beschwerde hat die steuerliche Vertretung im Wesentlichen eingewendet, dass der Ansatz von Zinsen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt sei. AA habe der CH AG in den Jahren 2009 bis 2011 rund 28,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese Gelder stammten aus Grundstücksverkäufen und aus liechtensteinischen Stiftungen. AA habe anlässlich der Einlage dieser Gelder mit der Gesellschaft weder mündliche noch schriftliche Vereinbarungen getroffen, wie diese Gelder zu behandeln seien. Die steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen setze voraus, dass sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kämen, einen klaren und eindeutigen Inhalt hätten und einem Fremdvergleich standhielten. Dabei seien bei Verträgen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Anteilsinhaber jene Kriterien heranzuziehen, welche auch für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt worden seien. Unklare Vertragsgestaltungen (zB fehlende Vereinbarungen über die Rückzahlung bzw. die Verzinsung) stellten Anhaltspunkte dafür dar, dass kein echtes Gesellschafterdarlehen vorliege, sondern es sich um eine eigenkapitalersetzende Zuwendung handle. Verdecktes Eigenkapital liege dann vor, wenn Klarheit darüber bestehe, dass ein fremder Dritter eine solche Zuwendung nicht erhalten hätte. Bei Darlehensvergaben stelle die Besicherung einen wesentlichen Umstand dar. Es entspreche nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass ein Gläubiger Darlehensbeträge in dieser Höhe überlasse, ohne über ausreichende Sicherheiten zu verfügen. Das hingegebene Geld sei der CH AG ohne Besicherung überlassen worden. Es habe auch keine Verpflichtung der Gesellschaft gegeben, die Gelder nach einer bestimmten Zeit mit Zinsen zurückzuzahlen. Eine Rückzahlungsverpflichtung habe zu keiner Zeit bestanden und es seien auch keine Rückzahlungen getätigt worden. Klare Absprachen über wesentliche Darlehenskonditionen wie Besicherung, Laufzeit, Kündigung sowie Tilgungs- und Zahlungsmodalitäten fehlten. Somit lägen die notwendigen Kriterien für die Anerkennung eines Darlehens objektiv nicht vor. Es seien Aufwendungen und Einnahmen angesetzt worden, obwohl weder Aufwendungen angefallen seien noch Einnahmen erzielt worden seien. Dies verstoße gegen das Realisationsprinzip und das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Betriebsprüfung sei davon ausgegangen, dass infolge des Todes von AA ein Darlehen im Erbwege übergegangen sei. Dies sei unrichtig, da in der Verlassenschaft Forderungen von rund 28,7 Millionen Euro angeführt worden seien, tatsächlich aber lediglich ca. 8,0 Millionen Euro als Darlehensforderungen anerkannt worden seien. Der Rest von rund 20,7 Millionen Euro werde von Seiten der CH AG als Eigenkapital angesehen und sei in der Folge in der Bilanz auch als solches ausgewiesen worden; es bestehe nur mehr eine Forderung von rund acht Millionen Euro gegenüber der CH AG. Da die Ursache für die Hingabe des "Darlehens" nicht in einer schuldrechtlichen Beziehung bestanden habe, sondern das Gesellschaftsverhältnis den Ausschlag gegeben habe, liege eine verdeckte Einlage vor und sei der Ansatz von Zinsen somit nicht gerechtfertigt. Zudem sei der von der Betriebsprüfung angesetzte Zinssatz (2%) zu hoch, weil Banken zu dieser Zeit Zinsen zwischen 1,3% und 1,5% verrechnet hätten.
4. Das Finanzamt hat die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Entgegen den Ausführungen der steuerlichen Vertretung gehe aus der Verlassenschaftsabhandlung nicht hervor, dass seitens der CH AG nur Darlehensforderungen in Höhe von rund 8 Millionen Euro anerkannt worden wären. Vielmehr seien die Darlehen vom Verwaltungsrat der CH AG, dem Sohn des Erblassers, in voller Höhe angegeben worden. Auch in den Bilanzen der CH AG seien die Darlehen in voller Höhe ausgewiesen. Dass in der Bilanz der CH AG zum 31. Dezember 2012 nur noch ein Darlehensbetrag in Höhe von 8.763.312,98 € ausgewiesen sei, hänge damit zusammen, dass die Ehegattin und der Sohn von ihren im Erbwege übergegangenen Forderungen insgesamt 16,4 Millionen Euro den angeführten verbundenen Unternehmen zur Verfügung gestellt hätten. Die Überweisungen seien am 17. bzw. 18. Dezember 2012 erfolgt. Der Einantwortungsbeschluss sei bereits davor erfolgt. Die im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung nachgeholte Wirtschaftsprüfung bei der D Handelsgesellschaft m.b.H. habe einen zusätzlichen Eigenkapitalbedarf ergeben, welcher mit den angeführten Gesellschafterzuschüssen Ende 2012 gedeckt worden sei. Dieser Umstand könne eine Umqualifizierung in verdecktes Eigenkapital nicht rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung sei der Zeitpunkt der Darlehensgewährung ausschlaggebend.
In der Vermögenserklärung und den Erbantrittserklärungen vom tt.mm.jjjj seien zinslose Darlehensforderungen des Erblassers gegenüber der CH AG in Höhe von 25.238.480,00 € und 4.400.000,00 € angegeben worden. Die Einantwortung sei den eingereichten Unterlagen entsprechend erfolgt. Der Sohn des Erblassers habe als Verwaltungsrat der CH AG dem Notar im Verlassenschaftsverfahren den Bestand der Verbindlichkeiten gegenüber AA bestätigt. Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines zinslosen Darlehens als Fremdkapital sei aus innerstaatlicher Sicht zunächst, dass es sich bei der Finanzierung nicht um verdecktes Eigenkapital im steuerlichen Sinn handle. Nach der Judikatur sei eine Umqualifizierung von Fremdkapital in verdecktes Eigenkapital nur unter "besonderen Umständen" zulässig. Würden Darlehen (im Konzern) zinslos und ohne feste Rückzahlungskonditionen überlassen und werde damit in Wirklichkeit ein dringend notwendiger Kapitalbedarf abgedeckt (Vermeidung einer Insolvenz), so liege verdecktes Eigenkapital vor. Dies gelte umso mehr, wenn die Darlehensvereinbarungen unklar und nicht marktkonform gestaltet seien. Im Beschwerdefall fehle es an dem von der Rechtsprechung geforderten Kriterium des "notwendigen Kapitalbedarfs" (Vermeidung einer Insolvenz) der CH AG. Von verdecktem Eigenkapital könne daher nicht ausgegangen werden.
5. Mit Vorlageantrag hat die steuerliche Vertretung die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt. Den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung betreffend die fehlenden finanziellen Probleme der CH AG sei entgegenzuhalten, dass für die Beurteilung einer Geldeinlage als Darlehen oder als Eigenkapital nicht ausschließlich der buchmäßige Eigenkapitalstand der Gesellschaft ausschlaggebend sei, sondern mehrere Kriterien maßgeblich seien. Die Zuführung des Kapitals habe eine deutliche Reduktion der Bankverbindlichkeiten und auch ertragsmäßige Vorteile bewirkt, da AA für seine Einlagen keine Zinsen verrechnet habe. Die Höhe des buchmäßigen Eigenkapitals sage nichts über die Liquiditätssituation eines Unternehmens aus, sodass eine Zuführung von Eigenmitteln aus wirtschaftlichen Überlegungen trotz hohem buchmäßigen Eigenkapital durchaus sinnvoll sein könne. In den Bilanzen der CH AG sei zwar ein sehr hohes buchmäßiges Eigenkapital ausgewiesen worden, aufgrund der hohen Bankverbindlichkeiten habe sie jedoch nicht über genügend Liquidität verfügt. Deshalb habe sich AA entschlossen, Eigenmittel zuzuführen. Den Umfang der tatsächlichen liquiden Mittel und die finanzielle Lage der CH AG habe die Betriebsprüfung nicht geprüft. Ein Missverhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital werde von der Rechtsprechung als Indiz dafür gewertet, dass das Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich Eigenkapital ersetze. Im vorliegenden Fall liege ein solches Missverhältnis vor und sei dies auch der Grund für die Mittelzufuhr gewesen.
Rückwirkende Buchungen habe es im Zeitraum von 2009 bis 2012 nicht gegeben; solche habe lediglich das Finanzamt in Form der Zinsbuchungen vorgenommen. Die Umqualifzierung von Eigen- in Fremdkapital sei durch die Betriebsprüfung erfolgt und nicht durch den Gesellschafter AA. Dessen Erben hätten im Zuge der Verlassenschaftsabwicklung versucht, die Einlagen in Darlehen umzuqualifizieren, um die vom Erblasser eingelegten Mittel wieder aus der Gesellschaft heraus zu bekommen. Tatsächlich seien die Erben damit aber gescheitert und es sei ihnen aus diesem Titel schlussendlich lediglich ein Forderungsbetrag gegenüber der CH AG in Höhe von ca. 8,0 Millionen Euro zugestanden worden. Auch diese Tatsache beweise, dass es sich bei den von AA der CH AG zur Verfügung gestellten Geldern nicht um fremdübliche Darlehen gehandelt habe, die von den Erben jederzeit hätten eingefordert werden können. Bei einem tatsächlichen Darlehen und einem teilweisen Forderungsverzicht der Erben hätte dieser Verzicht bei der CH AG als gewinnerhöhender Nachlass ausgebucht werden müssen. Tatsächlich seien aber keine solchen Buchungen erfolgt, nur die über die zugestandenen Forderungen von 8,0 Millionen Euro hinausgehenden Beträge seien dem Eigenkapital zugebucht worden. Alle Kriterien sprächen im Beschwerdefall somit für die Zuwendung von Eigenkapital. Jedenfalls komme einer Eigenmittelzufuhr eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit zu, als der Hingabe eines Gesellschafterdarlehens, auch wenn die Erben in der Folge Forderungen gegenüber der CH AG erhoben hätten.
II. Sachverhalt
Der am tt.mm.jjjj verstorbene AA war zum Zeitpunkt seines Todes Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der D Handelsgesellschaft m.b.H. (nunmehr: D GmbH) und der E GmbH (bis mm.jjjj war er an der D GmbH mit 25% und seine Gattin mit 75% beteiligt; Alleingesellschafter der E GmbH war bis mm.jjjj sein Sohn). Weiters war er Geschäftsführer der in der Schweiz ansässigen CH AG, deren Aktien er zu 98% hielt, und der deutschen F GmbH, einer 100%igen Tochtergesellschaft der D GmbH.
Am 4. Februar 2009 hat AA der CH AG einen aus einem Grundstücksverkauf in Deutschland resultierenden Betrag in Höhe von 8.000.000,00 € und am 23. Dezember 2010 sowie am 21. Februar 2011 aus der Auflösung seiner ihm zuzurechnenden liechtensteinischen Stiftungen herrührende Beträge in Höhe von 13.198.818,27 € und 8.347.887,73 € zugeführt, die in den Bilanzen der CH AG als zinslose Gesellschafterdarlehen ausgewiesen wurden und auch im Verlassenschaftsverfahren der eingereichten Vermögenserklärung entsprechend als solche angeführt wurden.
III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
§ 6 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gilt folgendes: |
[...] |
6. | a) | Werden Wirtschaftsgüter eines im Inland gelegenen Betriebes (Betriebsstätte) ins Ausland in einen anderen Betrieb (Betriebsstätte) überführt oder werden im Inland gelegene Betriebe (Betriebsstätten) ins Ausland verlegt, sind die ins Ausland überführten Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die im Falle einer Lieferung an einen vom Steuerpflichtigen völlig unabhängigen Betrieb angesetzt worden wären, wenn |
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| - | der ausländische Betrieb demselben Steuerpflichtigen gehört, |
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| - | der Steuerpflichtige Mitunternehmer des ausländischen und/oder des inländischen Betriebes ist, |
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| - | der Steuerpflichtige an der ausländischen Kapitalgesellschaft oder die ausländische Kapitalgesellschaft am Steuerpflichtigen wesentlich, das ist zu mehr als 25%, beteiligt ist oder |
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| - | bei beiden Betrieben dieselben Personen die Geschäftsleitung oder die Kontrolle ausüben oder darauf Einfluss haben. |
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| Dies gilt sinngemäß für sonstige Leistungen. |
[...]" |
Das Finanzamt ist im Beschwerdefall den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend von einer tatsächlich erfolgten Darlehensgewährung ausgegangen und hat aufgrund der bei der gegebenen Sachlage nicht fremdüblichen Unverzinslichkeit des Darlehens sowie der grenzüberschreitenden Nutzungsüberlassung unter Bezugnahme auf die Bestimmung des § 6 Z 6 EStG 1988 fremdübliche Zinsen in Ansatz gebracht, die in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden als nicht endbesteuerungsfähige Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst und der Tarifbesteuerung unterzogen wurden.
Wird ein unverzinsliches Darlehen steuerlich als Fremdkapital anerkannt, stellt die Vorteilszuwendung im Ausmaß der Unverzinslichkeit eine Nutzungseinlage dar (vgl. Loidl/Moshammer, SWI 10/2012, 452, mwN). Nutzungseinlagen in Körperschaften liegen vor, wenn ein Anteilsinhaber der Gesellschaft Kapital oder Wirtschaftsgüter unentgeltlich oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt zur Nutzung überlässt oder der Gesellschaft gegenüber Dienstleistungen unentgeltlich oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt erbringt (vgl. Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, 50. Lfg., 2011, § 6 Z 14 Rz 5, sowie Raab/Renner in Renner/Strimitzer/Vock, Die Körperschaftsteuer, 25. Lfg., 2014, § 8 Rz 40, mwN).
Das Eigentum am Wirtschaftsgut geht dabei nicht auf die Gesellschaft über, diese ist lediglich berechtigt, das Wirtschaftsgut zu nutzen. Im rein innerstaatlichen Fall führt der Nutzungsvorteil bzw. der Vorteil aus Dienstleistungen nach herrschender Auffassung weder zu Einnahmen beim Gesellschafter noch zu Betriebsausgaben bei der Gesellschaft; sie bleiben somit steuerlich neutral (vgl. Zorn, RdW 6/2016, 426, mwN, sowie Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, 50. Lfg., 2011, § 6 Z 14 Rz 5, mwN; ebenso BFG 28.3.2018, RV/7104583/2016, mwN; zu den diesbezüglich in der Literatur vertretenen unterschiedlichen Auffassungen ausführlich Raab/Renner in Renner/Strimitzer/Vock, Die Körperschaftsteuer, 25. Lfg., 2014, § 8 Rzn 40/1 und 42 ff). Erfolgen Nutzungsüberlassungen hingegen an ausländische Gesellschaften, kommt unter den dort angeführten Voraussetzungen § 6 Z 6 lit. a EStG 1988 zur Anwendung und sind bei solchen grenzüberschreitenden Konstellationen sohin Fremdvergleichswerte anzusetzen. Infolge des Ansatzes eines (fiktiven) Entgelts kommt es insoweit daher zu einer Gewinnrealisation.
Der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Nutzungseinlagen im Falle innerstaatlicher und grenzüberschreitender Konstellationen steht auch das Unionsrecht nicht entgegen [vgl. EuGH 21.1.2010, C-311/08 , Société de Gestion Industrielle SA (SGI); dazu ua. Mooshammer, SWI 5/2010, 215 ff, sowie Beiser, SWI 7/2010, 301 ff].
Im Beschwerdefall liegt ein solcher unter die Bestimmung des § 6 Z 6 lit. a EStG 1988 subsumierbarer Tatbestand jedoch nicht vor. § 6 EStG 1988 gilt nach dem ersten Satz für die Bewertung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens. Die Bestimmung gehört zu den Gewinnermittlungsvorschriften und ist daher nur bei der Ermittlung der Einkünfte aus den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 (Land- und Forstwirtschaft, selbständige Arbeit, Gewerbebetrieb) zu berücksichtigen [vgl. ua. Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, 53. Lfg., 2012, § 6 Rz 2; Jakom/Laudacher, EStG, 12. Aufl., 2019, § 6 Rzn 1 und 147). § 6 Z 6 lit. a EStG 1988 im Konkreten stellt einleitend auf die Überführung von Wirtschaftsgütern eines im Inland gelegenen Betriebes (Betriebsstätte) in einen ausländischen Betrieb (Betriebsstätte) oder die Verlegung im Inland gelegener Betriebe (Betriebsstätten) ins Ausland ab. Die Bestimmung setzt somit das Vorliegen eines inländischen Betriebes oder einer inländischen Betriebsstätte voraus. Für sonstige Leistungen und damit auch für Darlehensgewährungen kann im Hinblick auf die nach dem letzten Satz sinngemäß anzuwendende Regelung des § 6 Z 6 lit. a EStG 1988 hinsichtlich des Betriebs(stätten)kriteriums daher nichts anderes gelten (vgl. Loidl/Moshammer, SWI 10/2012, 453), wobei allein aus der Hingabe eines privaten Darlehens das Vorliegen eines "Betriebes", der eine Anwendung des § 6 Z 6 EStG 1988 nach sich ziehen könnte, nicht abgeleitet werden kann (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 12. Aufl., 2019, § 6 Rz 149, mit Verweis auf Loidl/Moshammer, SWI 10/2012, 446).
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes (ebenso das BMF in EAS 2197 vom 7. Jänner 2003) findet die Bestimmung des § 6 Z 6 lit. a EStG 1988 im außerbetrieblichen Bereich somit keine Anwendung (vgl. Franke, taxlex 6/2019, 175, mwN) und kann der Ansatz fiktiver Zinsen im Beschwerdefall, nachdem die Beteiligung an der CH AG nicht in einem dem Erblasser zuzurechnenden Betriebsvermögen gehalten wurde und die hingegebenen Beträge aus dessen Privatvermögen stammten, daher nicht auf diese Bestimmung gestützt werden. Dies kann auch nicht, wie in EAS 2197 ausgeführt, daraus abgeleitet werden, dass der aus der "Angehörigen-Rechtsprechung" hervorgehende Fremdverhaltensgrundsatz für die Gestaltung der Beziehungen zwischen einem Gesellschafter und seiner Kapitalgesellschaft für betriebliche und außerbetriebliche Beziehungen zur Gesellschaft gleichermaßen gilt, kann dies doch nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich der Bestimmung entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut auf den außerbetrieblichen Bereich ausgedehnt wird. Ebenso ist mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1998, 93/13/0024, mit dem bestätigt worden sei, dass im Fall einer unverzinslichen Gesellschafterkaufpreisforderung jeweils eine Forderung auf Bezahlung der Zinsen entstanden sei, diesbezüglich nichts zu gewinnen, betraf das Erkenntnis doch die gewinnwirksame Erfassung von Zinsen im Zusammenhang mit einer betrieblichen Kaufpreisforderung eines bilanzierenden Einzelunternehmers gegenüber der Gesellschaft, an der er beteiligt war. Dabei ging es nicht um den Zufluss von Zinsen im Sinne des § 19 EStG 1988, sondern darum, ob die ursprüngliche Verpflichtung der Gesellschaft zur Zahlung von Zinsen auch in den Streitjahren aufrecht war und daher eine entsprechend zu bilanzierende Forderung entstanden war.
Im außerbetrieblichen Bereich ist für die Einkünfteermittlung das Zu- und Abflussprinzip maßgeblich. Nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 sind Einnahmen - von dort angeführten Ausnahmen abgesehen - in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Als zugeflossen ist eine Einnahme nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann anzusehen, wenn der Empfänger über sie rechtlich und wirtschaftlich bzw. tatsächlich verfügen kann, sich der Zufluss also wirtschaftlich in einer Vermehrung des Vermögens des Steuerpflichtigen auswirkt (vgl. VwGH 22.7.2015, 2011/13/0067, mwN, und VwGH 7.7.2011, 2007/15/0156, mwN). Von einem Zufluss in diesem Sinne kann im Fall eines zinslosen außerbetrieblichen Darlehens aber nicht ausgegangen werden und kommt eine Erfassung fiktiver Zinsen daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.
Zusammengefasst erweist sich der Ansatz fremdüblicher Zinsen im Beschwerdefall damit - auch bei Annahme eines ansonsten fremdüblichen Darlehens - als nicht rechtmäßig und war der Beschwerde daher bereits aus diesem Grund Folge zu geben. Die Beurteilung der Frage, ob es sich bei den hingegebenen Beträgen tatsächlich um ein Darlehen oder aber (verdecktes) Eigenkapital gehandelt hat, kann im Beschwerdefall sohin dahingestellt bleiben.
IV. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob § 6 Z 6 lit. a EStG 1988 auch im außerbetrieblicher Bereich zur Anwendung kommt und bei einer grenzüberschreitenden Gewährung eines zinslosen Privatdarlehens beim Anteilsinhaber Einkünfte in Höhe fremdüblicher Zinsen in Ansatz zu bringen sind, wurde vom Verwaltungsgerichtshof - soweit erkennbar - noch nicht behandelt. Damit liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor und ist eine ordentliche Revision daher zulässig.
Feldkirch, am 18. Juli 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 6 Z 6 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |