BFG RV/1100098/2017

BFGRV/1100098/20176.5.2020

Zurechnung von Einkünften an denjenigen, der die Marktherrschaft über die Einkunftsquelle besitzt.

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100098.2017

 

Beachte:
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0053. Mit Erk. v. 22.02.2022 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/1100067/2022 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

betreffend die Bescheide des Finanzamtes Bregenz vom 22.12.2016 hinsichtlich

Einkommensteuer 2011 bis 2015 und

Umsatzsteuer 2011 bis 2015

zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

 

I. Verfahrensgang:

Die angefochtenen Bescheide enthielten im Wesentlichen die Begründung, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise die Abgabenbehörde bei Beurteilung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Unternehmensberater verpflichte, auf das tatsächliche Geschehen abzustellen, gleichgültig, welcher Art die zivilrechtliche Gestaltung sei. Ergebe sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Abweichung von der rechtlichen Gestaltung, so sei Letztere unerheblich.

Der Beschwerdeführer habe seinen inländischen Kunden um den 1.7.2010 herum Werkverträge mit der ABC GmbH zur Unterfertigung vorgelegt. Inhalt der Werkverträge war, dass die unternehmensberatende Leistung ab 1.7.2010 nicht mehr vom Beschwerdeführer, sondern von der ABC GmbH in der Schweiz erbracht würde. Der Beschwerdeführer äußerte in diesem Zuge jedoch, es würde sich an der Kundenbeziehung nichts ändern.

Das Finanzamt führte aus, dass er auch tatsächlich ab dem 1.7.2010 wie bisher seinen inländischen Kunden mit jener Dienstleistungspalette gegenübergetreten sei, die er ihnen bereits in den Jahren davor angeboten hätte.

Die erforderlichen Daten für die Software "C" seien von den steuerlichen Vertretungen der Kunden per E-Mail an die österreichische E-Mail-Adresse des Beschwerdeführers übermittelt worden, er sei über eine inländische Telefonnummer erreichbar gewesen, die Honorare der Werkvertragskunden seien monatlich auf ein Konto bei der Bank, Filiale D, überwiesen worden. Der Beschwerdeführer habe über das Zeichnungsrecht zu diesem Bankkonto verfügt.

Der wesentliche Inhalt der Werkverträge ziele auf die Anwendung des Controlling-Programms "Cc" sowie die laufende Beratung im Betrieb der Kunden ab. Aufgrund der von Kundenseite übermittelten Daten erstelle der Beschwerdeführer bestimmte Analysen, die er mit ihnen vor Ort in ihren Betrieben bespreche. Er verfüge in der E-straße, G, über ein häusliches Arbeitszimmer, in welchem er die einlangenden Daten verarbeite, insbesondere die Soll-Ist-Vergleiche anstelle.

Bei einer Vorsprache im Finanzamt G am 5.12.2016 habe der Beschwerdeführer auch eingeräumt, die Beratungstätigkeit gegenüber den inländischen Kunden allein und eigenverantwortlich erbracht zu haben.

Das Finanzamt zog den Schluss, sämtliche Chancen und Risiken, die mit der Beratungstätigkeit verbunden seien, lägen beim Beschwerdeführer. Deshalb könne eine Erfassung des Unternehmenserfolges nur bei ihm persönlich stattfinden.

Die Werkverträge seien als bloße Hülsen zum Zweck der Verschleierung der Einkünftezurechnung bzw. zur Verlagerung der Besteuerungsrechte aus der Beratungstätigkeit in die Schweiz zu werten. Insofern würden die Einkünfte einer in der Schweiz geringeren Besteuerung unterworfen, die in der ABC GmbH in den vergangenen Jahren angesammelten Verlustvorträge könnten verwertet werden und über das Schuldenregulierungsverfahren in Österreich abschöpfbare Einkünfte könnten erheblich reduziert werden (der Beschwerdeführer hat am 24.9.2013 beim Bezirksgericht G einen Konkursantrag gestellt; mit Beschluss des BG G vom 9.1.2014 eröffnete dieses das Schuldenregulierungsverfahren).

Der Kern der beratenden Tätigkeit in Form von Gesprächen/Erläuterungen habe in den Streitjahren bei den einzelnen inländischen Firmen an deren Betriebsstandorten durch den Beschwerdeführer persönlich stattgefunden. Sein Stiefsohn XY, der in der ABC GmbH als Geschäftsführer fungiere, sei den inländischen Kunden unbekannt und habe nie Leistungen ihnen gegenüber erbracht. Die formal unterzeichneten Beratungsverträge der inländischen Kunden mit der ABC GmbH, die in der Praxis nicht vollzogen wurden, könnten zu keiner Zuweisung der Einkünfte an die Schweizer GmbH führen.

Die für die Erledigung der Tätigkeit eines Unternehmensberaters erforderliche Ausrüstung in Form eines Schreibtisches, eines PC (Notebook), einer E-Mail-Adresse, eines Telefons und eines Bankkontos stehe dem Beschwerdeführer in technischer und räumlicher Hinsicht zur Verfügung. Sein Schreibtisch befinde sich im häuslichen Arbeitszimmer in der E-straße, G. Es werde nicht angezweifelt, dass der Beschwerdeführer öfters am Sitz der ABC GmbH in der Schweiz anwesend sei, um allenfalls zur Unterstützung seines Stiefsohnes anfallende Arbeiten zu erledigen. Das Schweizer Büro diene aber nicht der Bewältigung seiner Arbeit als Unternehmensberater, weil er die erforderlichen Kundendaten per E-Mail ausschließlich im häuslichen Büro in G empfange, sie persönlich im Betrieb abhole oder sie von einem Kundenmitarbeiter in den Briefkasten in G eingeworfen würden.

Der Beschwerdeführer sei überdies seiner Mitwirkungs-und Offenlegungspflicht, die bei einer gegebenen Auslandsbeziehung höher sei, nicht nachgekommen.

Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, für seine gegenüber den ausschließlich inländischen Kunden erbrachten Leistungen ab dem Jahr 2010 keine Entlohnung erhalten zu haben - vielmehr habe er die sich daraus ergebenden Einkünfte seinem Adoptivsohn XY zukommen lassen - ändere diese Verantwortung nichts daran, dass die mit der Beratungstätigkeit verbundenen Entgelte und Erträge dem Beschwerdeführer zuzurechnen seien, zumal das Überlassen von Einkünften an den Adoptivsohn eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung darstelle.

Im Weiteren wurde von Seiten des Finanzamtes im Detail erläutert, wie es die Umsatzsteuer-und Einkommensteuerbemessungsgrundlagen für die Streitjahre 2011-2015, ausgehend von den für die Jahre 2005-2009 bekanntgegebenen Werte, geschätzt habe. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer der mehrfachen Aufforderung des Finanzamtes, das Bankkonto offenzulegen, auf welchem die Honorare seiner Kunden erfasst wurden, nicht entsprochen habe, habe zur Schätzung Anlass gegeben. Auf den Wegfall von Dauerkunden, die in Insolvenz geraten waren, sei dabei Rücksicht genommen worden.

In seinen Beschwerden führte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung aus:
Die Umsatzsteuer folge, anders als die Einkommensteuer, dem Zivilrecht. Schuldner der Umsatzsteuer sei demnach grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen auftrete, d. h., jener, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet sei. Ob er die Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführe, sei ohne Bedeutung. So komme es selbst bei Treuhandschaften zur Zurechnung von Umsätzen an den Treuhänder.

Im Streitfall sei ausschließlich die ABC GmbH gegenüber den Leistungsempfängern auf Basis der mit Ihnen abgeschlossenen Beraterverträge berechtigt und verpflichtet, weshalb eine Zurechnung der Umsätze an den Beschwerdeführer nicht in Betracht komme.

Was die Einkommensteuer betreffe, befänden sich sämtliche vom Beschwerdeführer betreuten Mandanten in einem Vertragsverhältnis ausschließlich mit der ABC GmbH. Nur diese GmbH könne daher die sich aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers ergebenden Marktchancen nutzen. Der Beschwerdeführer habe den Kundenstock an die ABC GmbH übertragen und sei nicht berechtigt, die Kunden auf eigene Rechnung weiter zu betreuen.

Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit für die ABC GmbH unentgeltlich erbringe, vermöge keine vom Zivilrecht abweichende Einkünftezurechnung zu bewirken. Nur im Falle von organschaftlichen Vertretern oder bei Vorliegen von höchstpersönlichen Tätigkeiten sei eine Zurechnung der Einkünfte an die natürliche Person, welche die Leistung physisch erbringe, überhaupt denkbar. Beide Konstellationen lägen gegenständlich nicht vor.

Es sei in der Praxis üblich, dass die Mandanten am Berater "hängen" und auch im Fall von Zusammenschlüssen zu Gesellschaften ihren Verbleib bei der Gesellschaft davon abhängig machten, dass sie weiterhin von ihrem bisherigen Berater betreut würden. Folgte man im Streitfall der Argumentation des Finanzamtes, so müsste man die Einkünfte aus dem Mandanten weiterhin dem jeweiligen Berater zuweisen, was in der Praxis niemals geschehe.

Auch sei es nicht ungewöhnlich, dass im Rahmen einer Betriebsnachfolge ein bislang als Einzelunternehmen geführter Betrieb in eine GmbH des Nachfolgers eingebracht werde und der Übergeber in der Folge unentgeltlich in der GmbH tätig sei und dort bestimmte Kunden weiterbetreue. Niemand käme in einer solchen Konstellation auf die Idee, die Einkünfte teilweise weiterhin dem Übergeber zuzurechnen. Es liege vielmehr eine dem Nachfolger als Gesellschafter zuzurechnende Nutzungseinlage in die GmbH vor.

Die gegenständlich erfolgte Zurechnung der Einkünfte aus der Unternehmensberatung an den Beschwerdeführer entbehre daher einer Rechtsgrundlage.

Es werde beantragt, die Umsatzsteuerbescheide ersatzlos aufzuheben, betreffend die Einkommensteuerbescheide werde um erklärungsgemäße Veranlagung ersucht.

In der Folge erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der ausgeführt wurde:

Das Umsatzsteuerrecht sei ebenso wie das Ertragssteuerrecht von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt. Es treffe daher keinesfalls zu, dass umsatzsteuerliche Tatbestände ausschließlich an formalrechtliche Gestaltungsvarianten anknüpften. Ziel des Beschwerdeführers sei es nie gewesen, den Kundenstock und die damit verbundene beratende Tätigkeit an die ABC GmbH zu übertragen, sondern ausschließlich die Steuerhoheit der Republik Österreich hinsichtlich Umsatz und Ertrag vordergründig auszuschalten. Die formalen Vertragsabschlüsse mit den inländischen Kunden, die diesen mit dem Hinweis zur Unterschrift vorgelegt worden wären, es werde sich an der Rechtsbeziehung nichts ändern, seien notwendig gewesen, weil der Beschwerdeführer den Kundenstock "pseudomäßig" an die ABC GmbH veräußert hatte, dies zu einem nach Fremdverhaltensmaßstäben völlig belanglosen Preis.

Der Beschwerdeführer habe bei einer persönlichen Vorsprache im Finanzamt G (5.12.2016) unmissverständlich erklärt, die beratende Tätigkeit nach wie vor selbst ausüben zu wollen, weil diese eine positive Herausforderung für ihn darstelle und er auch zum Erfolg seiner Vertragspartner weiterhin beitragen wolle.

Die Abgabenbehörde gab ihrer Überzeugung Ausdruck, die Werkverträge zwischen der ABC GmbH und den inländischen Kunden seien nur zum Schein abgeschlossen worden, weshalb die Schweizer GmbH auch zivilrechtlich nicht Vertragspartnerin der inländischen Kunden sei. Seitens der inländischen Geschäftspartner bestünde kein Zweifel daran, dass ausschließlich der Beschwerdeführer ihr persönlicher Vertragspartner sei.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet habe, er habe die Honorare nicht selbst vereinnahmt, sondern der ABC GmbH überlassen, sei dies eine unbewiesene Schutzbehauptung. Die monatlich entrichteten Honorare der inländischen Kunden gelangten auf ein inländisches Konto zur Einzahlung, auf welchem ausschließlich der Beschwerdeführer zeichnungsberechtigt sei. Da er seine beratende Tätigkeit ausschließlich zum eigenen Nutzen verfolge, sei es absurd, mit einer Nutzungseinlage argumentieren zu wollen.

Unabhängig davon wäre auch die ABC GmbH - wären dieser die Umsätze zurechenbar - nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 mit diesen Umsätzen im Inland steuerpflichtig. Die Betriebsstätte in der E-straße, G, begründe in ertragsteuerlicher Hinsicht eine ausschließliche Besteuerungshoheit der Republik Österreich für die in den Steuerjahren erzielten Gewinne.

Der Beschwerdeführer brachte in der Folge durch seine steuerliche Vertretung ohne weitere Ausführungen einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerden an das Bundesfinanzgericht ein. Der vorerst gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Beschwerdesenat wurde später zurückgezogen.

 

II. Sachverhalt:

Vorgeschichte

Streitfall

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt.

 

III. Gesetzliche Grundlagen:

Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 2 EStG 1988). Einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 26 Abs. 1 BAO).

Es ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer im Streitzeitraum seinen Wohnsitz im Inland hatte und daher in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war.

Gemäß § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

 

IV. Rechtliche Würdigung:

Wie grenzüberschreitende Sachverhalte in steuerrechtlicher Hinsicht zu beurteilen sind, war und ist - nicht zuletzt auch in Westösterreich - vielfach Gegenstand fachlicher Diskussionen. So schreibt etwa Bendlinger in SWI 2013, 481, Einkünftezurechnung zu Auslandsbetriebsstätten, u. a.:

".....aufgrund der geografischen Nähe kann so mancher österreichische Steuerbürger, vor allem wenn er in Westösterreich zu Hause ist, den Verlockungen des Fürstentums Liechtenstein oder der Schweiz nicht widerstehen"

Wie oben unter II. Sachverhalt/Vorgeschichte dargestellt, hat der Beschwerdeführer in Bezug auf die Jahre 2005-2009 die Abgabenbehörde und den UFS nicht zu überzeugen vermocht, dass sein Gewinn ausschließlich der - wie von ihm postuliert - nach Liechtenstein bzw. in die Schweiz verlagerten Einzelfirma-Betriebsstätte zuzuordnen und dort steuerlich zu erfassen sei (UFS 15.3.2013, RV/0471-F/10).

Für die in der vorliegenden Entscheidung zu überprüfenden Jahre 2011-2015 ist sein Vorbringen, wonach er 2010 seinen inländischen Kundenstock an die Schweizer ABC GmbH veräußert habe, Gegenstand der Analyse.

Strittig ist: Sind die im Streitzeitraum erzielten Einkünfte aus Unternehmensberatung dem Beschwerdeführer oder der Schweizer ABC GmbH zuzurechnen?

Nach herrschender Lehre sind Einkünfte demjenigen zuzurechnen, dem die Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Die Einkunftsquelle kann sich auf das (wirtschaftliche) Eigentum, auf ein Mietrecht (zur Weiter-oder Untervermietung), auf ein Nutzungsrecht oder auf eine bloße Tätigkeit gründen. Zurechnungssubjekt ist derjenige, der aus der Tätigkeit das Unternehmerrisiko trägt, der also die Möglichkeit besitzt, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern; die rechtliche Gestaltung ist dabei nur insoweit maßgebend, als sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nichts anderes ergibt..…

Je spezifischer die Leistung ist, desto stärker muss der Leistende nach außen auftreten, damit ihm Einkünfte zugerechnet werden können. Nach den Worten des VwGH ist maßgeblich die tatsächliche, nach außen in Erscheinung tretende Gestaltung der Dinge. Dabei ist für die Beurteilung der Außenwirkung die allgemeine Lebenserfahrung von großer Bedeutung. Tritt ein Arbeitnehmer nicht explizit im eigenen Namen auf, sind die Einkünfte dem Arbeitgeber zuzurechnen. Tritt eine Gesellschaft nach außen auf, kann deren Existenz nicht verneint werden; es ist aber zu prüfen ob die Gesellschaft den Zwecken dient, die vorgegeben werden. Kann die Gesellschaft die vorgegebenen Zwecke nicht erfüllen (z.B. mangels einer entsprechenden Infrastruktur), können ihr keine Einkünfte zugerechnet werden..…

Die Übertragung von Einkünften aus Beratungsleistungen von A auf B wird in der Regel steuerlich nur anzuerkennen sein, wenn B tatsächlich nach außen auftritt und die Leistungen erbringt; tritt hingegen A nach außen auf und erfolgt nur der Zufluss bei B, sind die Einkünfte weiterhin A zuzurechnen und der Zufluss bei B stellt bloße Einkommensverwendung dar....

Bei Fragen der Einkünftezurechnung an ausländische Körperschaften wird darüber hinaus von der ständigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis verlangt, dass wirtschaftliche Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft ins Treffen geführt werden können.

Der VwGH verneint bei Zwischenschaltung ausländischer Körperschaften regelmäßig eine Einkünftezurechnung an diese über die Qualifikation als Missbrauch im Sinne des § 22 BAO (vgl. etwa UFS 16.3.2005, RV/0304-F/03 und dazu bestätigend VwGH 20.5.2010, 2006/15/0005).

Nach mehrfacher Lehrmeinung sind aber auch derartige Fälle zutreffend nur mit den Regeln über die Einkünftezurechnung lösbar (Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 20, § 2 Tz 142-142/3).

Vgl. hiezu etwa Lang, ÖStZ 2011/172:

"Für Österreich hatte Ruppe mit der "Markteinkommenstheorie" die dogmatische Grundlage für eine allgemeine Lehre zur persönlichen Zurechnung von Einkünften gelegt. Danach stellen die Einkunftsarten des EStG auf die entgeltliche Verwertung von Leistungen (Wirtschaftsgütern oder Dienstleistungen) am Markt ab. Deshalb ist derjenige Zurechnungssubjekt der Einkünfte, der die Marktherrschaft über die jeweilige Einkunftsquelle besitzt und so den Vorgang der Leistungserstellung beherrscht. Träger der Einkünfte ist derjenige, der über die betreffende Leistungserstellung disponieren kann, d. h., die Möglichkeit hat, Marktchancen zu nutzen, Leistungen zu variieren und im Extremfall auch zu verweigern, indem er seine Tätigkeit einstellt, Kapital zurückzieht, Mietverhältnisse kündigt etc. "….

Die auf das Körperschaftsteuerrecht bezogene Theorie Tanzers, wonach die formalrechtliche Anknüpfung der Steuerpflicht an die Erscheinungsform der juristischen Person des privaten Rechtsgebiets bewirke, dass alle einkunftwirksamen Sachverhalte, die eine juristische Person im Außenverhältnis im eigenen Namen setze, ungeachtet des Beherrschungsgrades durch andere Rechtsträger oder eines sonstigen Tätigwerdens auf fremde Rechnung der Körperschaft zuzurechnen seien, hat sich nicht durchgesetzt.

Vielmehr spricht vieles dafür, dass die sonst maßgebenden Grundsätze der Einkünftezurechnung auch bei Körperschaften anzuwenden sind. Auch für Körperschaften gilt daher, dass demjenigen die Einkünfte zuzurechnen sind, der über die der Einkunftsquelle entsprechenden Leistungen im Innenverhältnis disponieren kann, d. h. vor allem die Möglichkeit besitzt, Marktchancen auszunützen oder die Leistung zu verweigern (Lang aaO).

Umgelegt auf den Streitfall ist daraus abzuleiten:

Grundlage des gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalts ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er seinen (ausschließlich österreichische Kunden umfassenden ) Kundenstock im Jahr 2010 an eine Schweizer GmbH, deren Gesellschafter er, seine Gattin und sein Stiefsohn sind, verkauft habe.

Wie die umfangreichen Ermittlungen der Abgabenbehörde in Erforschung der materiellen Wahrheit gemäß § 115 Abs. 1 BAO ergeben haben, hat der Beschwerdeführer seine im Inland ansässigen Kunden auch ab dem Jahr 2010 ausschließlich persönlich betreut, indem er zu Beratungsgesprächen in ihren inländischen Betrieben erschien, für sie telefonisch unter einer österreichischen Nummer erreichbar war und die für seine Analysen relevanten Daten von Kundenseite an seine österreichische E-Mail Adresse übermittelt oder in den Postkasten seiner Wohnung in G, in deren Verband er seit jeher ein Büro unterhielt, eingeworfen wurden. Keiner der Kunden war jemals in einem Büro der ABC GmbH in der Schweiz, keiner von ihnen kannte XY, den Stiefsohn des Beschwerdeführers und Geschäftsführer der Schweizer GmbH.

Selbst der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers räumt ein, es sei zutreffend dass der an die ABC GmbH veräußerte Kundenstock sich ausschließlich aus österreichischen Kunden zusammensetze und dass diese Kunden nach wie vor vom Beschwerdeführer betreut würden. Es sei "geradezu der Idealfall", wenn die Kunden nicht einmal bemerkten, dass ein Wechsel des Vertragspartners stattgefunden habe (Vorhaltsbeantwortung vom 7.9.2016).

Tatsächlich erinnerten sich die im Zuge der Ermittlungen persönlich befragten Kunden (Niederschriften im Akt) nur nach ausdrücklicher Nachfrage an den Abschluss von Werkverträgen mit der ABC GmbH, verbunden mit der gleichzeitigen Zusicherung des Beschwerdeführers, es werde sich für sie an dem Betreuungsverhältnis nichts ändern.

Ein im Akt aufliegender Werkvertrag vom 1.7.2010 zwischen der ABC GmbH und der P GmbH enthält u. a. die Vereinbarungen, dass die monatliche Lagebesprechung immer am Firmensitz des Auftraggebers (p)stattfindet, dass dieser monatlichen Auswertungen immer in schriftlicher Form erhält, dass die monatlichen, per Dauerauftrag zahlbaren Honorare auf ein Konto bei der Bank G zu überweisen sind sowie, dass die "Honorarrichtlinien für Unternehmensberater", herausgegeben vom Fachverband Unternehmensberatung und Datenverarbeitung der Bundeswirtschaftskammer Österreich, gelten. Als Gerichtsstand für den Fall eines Rechtsstreites aus dieser Vereinbarung wird die Zuständigkeit des Landesgerichtes Z festgestellt.

In zusammenfassender Würdigung war es also der Beschwerdeführer, der mit einer starken Präsenz nach außen die Marktchancen nützte, die Leistungen erbrachte und steuerte und das Unternehmerrisiko trug. Er trat als dominante Persönlichkeit auf, die Honorare wurden auf ein Konto bei der Bank G überwiesen, für das er zeichnungsberechtigt war. Indem er die ihm übergebenen oder übermittelten Daten auswertete, Analysen erstellte und Beratungsgespräche in den Betrieben abhielt, war er der einzige über die Leistungserstellung Disponierende.

Eine geschäftliche Verbindung mit der ABC GmbH war nicht im aktiven Bewusstsein der Kunden verankert, erst über Nachfrage erinnerten sich einige von ihnen, im Jahr 2010 einen Werkvertrag mit dieser Gesellschaft unterschrieben zu haben. Für sie war diese Vertragsunterfertigung nicht von weiterer Relevanz, da der ihnen bekannte und vertraute Beschwerdeführer ihnen gleichzeitig zusicherte, an dem Betreuungsverhältnis werde sich auch in Zukunft nichts ändern.

Die Frage eines explizit im eigenen Namen erfolgenden Auftretens des Beschwerdeführers stellte sich insofern gar nicht, bestand für die Kunden doch ohnehin kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer als natürliche Person ihr Vertragspartner war. Auch kannten sie weder ein in der Schweiz gelegenes Büro der ABC GmbH, noch deren Geschäftsführer XY.

Eine Übertragung der Einkünfte aus Beratungsleistungen von der natürlichen Person des Beschwerdeführers auf die juristische Person ABC GmbH kommt daher im Sinne der herrschenden Lehre nicht in Betracht, ist doch die ABC GmbH nach außen nicht in Erscheinung getreten und waren auch die Beratungshonorare nicht auf ein Konto der GmbH in der Schweiz zu überweisen. Vielmehr oblagen der Außenauftritt, die gesamte geschäftliche Betreuung und die Vereinnahmung der Honorare auf ein ihm zuzurechnendes inländisches Konto - wie oben dargestellt - ausschließlich dem Beschwerdeführer.

Daran vermögen auch die Einwände der steuerlichen Vertretung,

wonach der Beschwerdeführer, abgesehen von Präsentationen bei Kunden, seine Tätigkeit ausschließlich am Firmensitz der ABC GmbH ausgeübt habe, die seit jeher über eine entsprechende betriebliche Infrastruktur am Firmensitz verfüge,

dass der Beschwerdeführer selbst keinerlei Arbeitsmittel besitze - sowohl der Computer als auch das Handy gehörten Connector - sowie,

dass das häusliche Arbeitszimmer in G seit der Veräußerung des Kundenstockes an die ABC GmbH von der Gattin des Beschwerdeführers nur noch für Hilfstätigkeiten benutzt werde,

nichts zu ändern.

Einerseits ist es höchst unglaubwürdig, dass ein Geschäftsmann heutigen Zuschnitts weder über ein Handy noch über einen Computer verfügen sollte und liegt auch ein Foto des voll ausgestatteten G-er Büros (Büroeinrichtung mit PC, Drucker etc.) im Akt auf. Andererseits ist es nicht einsichtig und widerspricht der Lebenserfahrung, warum der Beschwerdeführer, der die für seine Beratertätigkeit relevanten Daten entweder per E-Mail (at.- Adresse) oder in den G-er Briefkasten eingeworfen erhielt, diese nicht vor Ort in seinem angestammten Büro bearbeiten hätte sollen, sondern sich auf den Weg in ein rund 15 km entferntes Schweizer Büro (ch) gemacht haben sollte, um seine Analysen zu erstellen.

Das BFG stellt allfällige wiederkehrende Abstecher des Beschwerdeführers in die Räumlichkeiten der Schweizer Gesellschaft, um seinen Stiefsohn bei den dort anfallenden, hier nicht streitgegenständlichen Arbeitstätigkeiten zu unterstützen, nicht in Abrede. Jedoch vermag dies angesichts der dargestellten Sachlage nichts an der - gegenständlich in Streit stehenden - Einkünftezurechnung zu ändern. So hat etwa auch Zorn, im Hinblick auf beratende Berufe, zitiert in Bendlinger, SWI 2013, 481, ausgesprochen: "Besteht aber die Leistung des Unternehmens in der Bereitstellung von Informationen, verliert die Zuordnung des Gewinns zu ein paar Kubikmeter Beton oder Ziegeln ihre Überzeugungskraft."

Die Einkünfte aus der Tätigkeit als Unternehmensberater sind daher dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Soweit er einwandte, er habe die Honorare seinem Stiefsohn XY überlassen, ändert dies nichts an dem bei ihm erfolgten Zufluss (Eingang auf ein Konto, über das er verfügungsberechtigt war), sondern stellt eine steuerlich unerhebliche Einkommensverwendung dar.

Es ist überdies anzumerken, dass der Beschwerdeführer keine wirtschaftlichen Gründe dafür genannt hat, seinen ausschließlich österreichische Kunden umfassenden Kundenstock an eine Schweizer GmbH zu veräußern - dies bei unveränderter Beibehaltung der schon bisher gepflogenen Geschäftsabläufe.

Durch die enge familienhafte Verflechtung - die Gattin des Beschwerdeführers, sein Stiefsohn und er selbst halten gemeinsam die Geschäftsanteile an der Schweizer GmbH - besteht im Übrigen kein fremdüblicher Interessengegensatz zwischen dem Beschwerdeführer und der Gesellschaft.

Nach allen obenstehenden Ausführungen ist dem Beschwerdeführer, der durch seine steuerliche Vertretung eine rein formalrechtliche Anknüpfung der Steuerpflicht an die juristische Person propagiert (siehe oben, Theorie Tanzer), eine Absage zu erteilen. Die Einkünfte sind vielmehr ihm als demjenigen zuzurechnen, der über die der Einkunftsquelle entsprechenden Leistungen disponieren kann. Auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und der Beschwerdevorentscheidung wird verwiesen.

Der Beschwerdeführer hat in Bezug auf die seitens der Abgabenbehörde detailliert dargelegte Schätzung der Bemessungsgrundlagen für die angefochtenen Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide der Höhe nach keine Einwendungen vorgebracht.

Die Beschwerden waren daher insgesamt spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

 

Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage der Zurechnung von Einkünften war bereits vielfach Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Soweit lediglich Sachverhaltsfragen zu beurteilen waren, sind diese einer Revision nicht zugänglich.

 

 

Feldkirch, am 6. Mai 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 21 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

UFS 15.03.2013, RV/0471-F/10

Stichworte