Einstellung des Verfahrens nach Klaglosstellung nach einer Säumnisbeschwerde
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RS.7100034.2023
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache betreffend Säumnisbeschwerde der ***1*** ***2***, ***3*** ***4***, ***4*** ***5***, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Rabensteig 8/3a, vom 18.1.2022, eingebracht beim Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom 19.4.2023, Postaufgabe 20.4.2023, beim Bundesfinanzgericht eingelangt 25.4.2023, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich, Dienststelle Waldviertel, 3910 Zwettl, Hammerlingstraße 2a, betreffend Antrag vom 14.6.2021 auf Auszahlung von Familienbeihilfe für das Kind ***6*** ***2***, VN ***7***, für den Zeitraum März 2020 bis April 2021, beschlossen:
I. Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO eingestellt.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.
Begründung
Bekanntgabe vom 19.4.2023
Mit Schreiben ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 19.4.2023, Postaufgabe 20.4.2023, eingelangt 25.4.2023, gab die Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2*** bekannt:
Bezug genommen wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.03.2023 zu Fr 2022/16/0005-4 mit dem der Fristsetzungsantrag vom 10.10.2022 zurückgewiesen wurde, da vom Finanzamt Österreich die Säumnisbeschwerde vom 18.01.2022 nicht dem Bundesfinanzgericht vorgelegt wurde.
Diese rechtswidrige Vorgehensweise des Finanzamtes Österreich wird nunmehr durch die Antragstellerin saniert, indem die Säumnisbeschwerde vom 18.01.2022 direkt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung über den Antrag vom 14.06.2021 auf Zuerkennung der Familienbeihilfe März 2020 bis April 2021 vorgelegt wird.
Beigefügt war:
Säumnisbeschwerde vom 18.1.2022
Mit Schreiben vom 18.1.2022 hat die Bf beim Finanzamt Österreich, Dienststelle Waldviertel, 3910 Zwettl, Hamerlingstraße 2a, unter Bezugnahme auf die Versicherungsnummer ***8*** Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG i.B.m. Art. 130 Abs. 3 B-VG erhoben und dazu ausgeführt:
In umseits bezeichneter Verwaltungssache ist die belangte Behörde säumig, innerhalb der 6-monatigen Entscheidungsfrist wurde über den Antrag vom 14.06.2021 kein Bescheid erlassen.
Die Beschwerdeführerin erhebt daher infolge Untätigkeit der belangten Behörde nachstehende Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht.
I. Sachverhalt/Begründung:
Mit Antrag vom 14.06.2021 hat die Beschwerdeführerin die Auszahlung von Familienbeihilfe für das Kind ***6*** ***2*** VN ***7*** für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 beantragt.
Mit Abweisungsbescheid vom 04.02.2020 des FA Waldviertel wurde Familienbeihilfe für das Kind ***6*** ***2*** für den Zeitraum September 2019 bis Februar 2020 (ist der Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides) abgewiesen.
Aufgrund neuer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Ra 2020/16/0039 Erkenntnis vom 04.11.2020) steht auch einem Polizeischüler im Rahmen der Polizeigrundausbildung Familienbeihilfe im Ausmaß von 20 Monaten zu.
II. Anträge
Die Beschwerdeführerin stellt die Anträge, das Bundesfinanzgericht möge in der Sache selbst erkennen und dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Auszahlung von Familienbeihilfe für das Kind ***6*** ***2*** VN ***7*** für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 stattgeben.
***1*** ***2***
Beschluss vom 26.4.2023
Mit Beschluss vom 26.4.2023 trug das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt Österreich gemäß § 284 Abs. 2 BAO auf, bis 16.6.2023 zu entscheiden und entweder mitzuteilen, dass für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt wurde, und dies durch Vorlage einer Abschrift der Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 oder eines Zahlungsbelegs glaubhaft zu machen, oder, wenn gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid erlassen wurde, eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen, oder schließlich (unter Vorlage entsprechender Beweismittel) anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.
Begründend wurde dazu ausgeführt:
Rechtsgrundlagen
...
Beschluss BFG 24.10.2022, RV/7103113/2022
Mit Beschluss BFG 24.10.2022, RV/7103113/2022 wies das Bundesfinanzgericht den "Fristsetzungsantrag vom 10. Oktober 2022 betreffend die behauptete Säumigkeit des Bundesfinanzgerichtes im Säumnisbeschwerdeverfahren gegen das Finanzamt Österreich betreffend einen Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2020 bis April 2021" gemäß § 30a Abs. 1 VwGG iVm § 30a Abs. 8 erster Satz VwGG als unzulässig zurück und führte dazu aus (Text laut FINDOK):
Im Fristsetzungsantrag vom 10. Oktober 2022 wird als Sachverhalt Folgendes vorgebracht:
Mit Antrag vom 14.06.2021 beantragte die Beschwerdeführerin die Auszahlung von Familienbeihilfe für ihr Kind ***[Tochter]*** VNR ***[SVNR-Tochter]*** für den Zeitraum März 2020 - April 2021. Zuvor wurde bereits mit Bescheid vom 04.02.2020 des FA Waldviertel die Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2019 - Februar 2020 (Zeitpunkt der Bescheiderlassung) abgewiesen.
Aufgrund neuerer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Ra 2020/16/0039 Erkenntnis vom 04.11.2020) steht auch einem Polizeischüler im Rahmen der Polizeigrundausbildung die Familienbeihilfe im Ausmaß von 20 Monaten zu.
Infolge Untätigkeit des Finanzamtes Österreich zum Antrag vom 14.06.2021 wurde am 18.01.2022 eine Säumnisbeschwerde gem. Art 130 Abs 1 Z 3 iVm Art. 132 Abs 3 BVG eingebracht, über die das Bundesfinanzgericht bis dato keine Entscheidung getroffen hat.
Verlauf des Verfahrens vor dem Finanzamt:
Das Finanzamt erließ einen Abweisungsbescheid vom 4. Februar 2020, mit dem der Antrag vom 16. September 2019 auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Tochter der Beschwerdeführerin (Bf.) für den Zeitraum September 2019 bis August 2021 abgewiesen wurde.
Die gegen diesen Abweisungsbescheid am 25. Februar 2020 eingebrachte Bescheidbeschwerde vom 21. Februar 2020 wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 10. März 2020 als unbegründet ab.
Ein Vorlageantrag gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde nicht gestellt. Infolgedessen erlangte die Entscheidung Rechtskraft.
Mehr als ein Jahr später, am 15. Juni 2021, stellte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. einen neuen Antrag vom 14. Juni 2021 wegen Familienbeihilfe für die Tochter der Bf., in dem die Auffassung vertreten wurde, dass mit dem seinerzeitigen Abweisungsbescheid vom 4. Februar 2020 über die Familienbeihilfe für die Tochter nur für den Zeitraum September 2019 bis Februar 2020 (dem Monat der Erlassung des Abweisungsbescheides) abweisend abgesprochen worden sei und daher für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 noch keine Entscheidung des Finanzamtes über die Gewährung der Familienbeihilfe vorliege.
Hiezu wird angemerkt, dass verglichen mit dem Sachverhalt, welcher bei Erlassung des Vorbescheides (des Abweisungsbescheides vom 04.02.2020) vorlag bzw. festgestellt wurde, keine Änderung der Verhältnisse in sachverhaltsmäßiger Hinsicht im neuerlichen Antrag vorgebracht wurden, sondern lediglich auf eine geänderte Rechtmeinung (Aufgrund neuerer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ra 2020/16/0039 Erkenntnis vom 04.11.2020) hingewiesen wurde.
Seitens des Finanzamtes wurden zunächst keine weiteren Bearbeitungsschritte gesetzt.
Mit Schriftsatz vom 18. Jänner 2022 brachte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. wegen der belangten Behörde vorgeworfener Untätigkeit eine Säumnisbeschwerde bei der belangten Behörde, dem Finanzamt Österreich, Dienststelle Waldviertel, ein, da innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist über den Antrag vom 14. Juni 2021, mit dem die Auszahlung von Familienbeihilfe für das Kind der Bf. für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 beantragt wurde, kein Bescheid erlassen worden sei.
Die Säumnisbeschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht nicht übermittelt.
Mit Zurückweisungsbescheid vom 28. September 2022 wies das Finanzamt den Antrag (im Bescheid wird das Datum 16.06.2022 angeführt; gemeint ist wohl 14.06.2021) auf Familienbeihilfe für die Tochter der Bf. für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 zurück und führte in der Begründung aus:
Ihr Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für Ihre Tochter S… wurde bereits für den Zeitraum 09/2019 - 08/2021 rechtskräftig abgewiesen.
Eine neuerliche Antragstellung für den Zeitraum 03/2020 - 04/2021 ist nicht mehr möglich. Dieser Zeitraum ist im Zeitraum des Abweisungsbescheides enthalten.
Verfahrensgang beim Bundesfinanzgericht
Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2022 brachte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. einen Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 7 B-VG beim Bundesfinanzgericht ein, da das Bundesfinanzgericht säumig sei, nachdem innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist zur Säumnisbeschwerde vom 18. Jänner kein Erkenntnis erlassen worden sei.
Im Zeitpunkt des Einbringens des Fristsetzungsantrages vom 10. Oktober 2022, laut Eingangsstempel beim Bundesfinanzgericht eingelangt am 14. Oktober 2022, war die Säumnisbeschwerde vom 18. Jänner 2022 weder vom Finanzamt noch von Seiten der Bf. dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden bzw. war die Säumnisbeschwerde beim Bundesfinanzgericht nicht eingelangt.
Rechtliche Beurteilung
Zuständigkeit:
Im Verfahren über einen an den Verwaltungsgerichtshof (wegen behaupteter Säumnis des Verwaltungsgerichtes) gerichteten Fristsetzungsantrag hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Vorprüfung der Prozessvoraussetzungen auch zu überprüfen, ob eine Säumnis tatsächlich vorliegt. Liegt keine Säumnis vor, hat es den Fristsetzungsantrag entsprechend § 30a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 8 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen (sh. zB BFG 13.02.2017, RS/4100002/2017, Taxlex 2015/04, S. 142).
Rechtslage:
Gemäß Art. 133 Abs. 7 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht einen Antrag auf Fristsetzung stellen, wer im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.
Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst dann gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes- oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat.
Gemäß § 291 Abs. 1 BAO ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist im Regelfall mit der Vorlage der Beschwerde (§ 265 BAO) oder nach Einbringung einer Vorlageerinnerung (§ 264 Abs. 6 BAO). In den Fällen des § 284 Abs. 5 BAO (Säumnisbeschwerde) beginnt die Entscheidungsfrist mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist.
Für den Beginn der Frist des § 284 Abs. 2 BAO ist der Zeitpunkt des Einlangens der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht maßgeblich (vgl. VwGH 24.02.2016, Ra 2015/13/0044; Ritz, BAO6, § 284 Tz 20).
Nach der die Vorentscheidung durch das Verwaltungsgericht regelnde Bestimmung des § 30a Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegenstehen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Diese Bestimmung ist gemäß § 30a Abs. 8 VwGG auf Fristsetzungsanträge sinngemäß anzuwenden.
Erwägungen
Mangels Vorlage der Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht konnte die Frist des § 284 Abs. 2 BAO nicht zu laufen beginnen, folglich war die Zuständigkeit zur Entscheidung, die grundsätzlich erst dann auf das Verwaltungsgericht übergeht, wenn die Frist nach Abs. 2 leg. cit. abgelaufen ist, noch nicht auf das Bundesfinanzgericht übergegangen (§ 284 Abs. 3 BAO).
Zum Zeitpunkt des Einbringens des Fristsetzungsantrages am 14. Oktober 2022 war die diesbezügliche Säumnisbeschwerde noch nicht beim Bundesfinanzgericht eingelangt, weshalb die Frist des § 291 Abs 1 BAO noch gar nicht zu laufen begonnen hat.
Es liegt daher keine Säumnis und somit keine Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes vor (sh. Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, S. 143).
Aus den angeführten Gründen war daher der Fristsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen.
Zur beim Finanzamt eingebrachten Säumnisbeschwerde vom 18. Jänner 2022 wird ergänzend bemerkt:
Das Finanzamt hat den neuerlichen Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 mit Zurückweisungsbescheid vom 28. September 2022 erledigt, mit der Begründung, dass eine betreffend den beantragten Zeitraum rechtskräftige Entscheidung vorliegt.
Mit der (formalrechtlichen) Entscheidung des Finanzamtes über den neuerlichen Antrag der Bf. auf Familienbeihilfe liegt sohin keine Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt mehr vor.
Beschluss VwGH 23.3.2023, Fr 2022/16/0005
Mit Beschluss VwGH 23.3.2023, Fr 2022/16/0005 wies der Verwaltungsgerichtshof einen Fristsetzungsantrag "aufgrund des Vorlageantrages der Antragstellerin gegen den Zurückweisungsbeschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 24. Oktober 2022, RV/7103113/2022, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Säumnisschutz in einer Angelegenheit der Familienbeihilfe" zurück und führte dazu aus (Text laut RIS):
1 Mit Bescheid vom 4. Februar 2020 wies das damalige Finanzamt Waldviertel (nunmehr: Finanzamt Österreich, im Folgenden: Finanzamt) den Antrag der Antragstellerin auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für Ihre Tochter für den Zeitraum September 2019 bis August 2021 ab. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
2 Mit Schreiben vom 14. Juni 2021 beantragte die Antragstellerin beim Finanzamt erneut die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre Tochter für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 und brachte begründend die Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Familienbeihilfeanspruch für Polizeischüler vor.
3 Mit Schriftsatz vom 18. Jänner 2022 brachte die Antragstellerin beim Finanzamt eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 iVm Art. 132 Abs. 3 B VG ein und beantragte, das Bundesfinanzgericht (BFG) möge in der Sache selbst erkennen und der Antragstellerin für ihre Tochter Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 zuerkennen.
4 Das Finanzamt legte dem BFG die Säumnisbeschwerde nicht vor.
5 Mit Bescheid vom 28. September 2022 wies das Finanzamt den Antrag der Antragstellerin vom 14. Juni 2021 auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre Tochter im Zeitraum März 2020 bis April 2021 zurück.
6 Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2022, beim BFG eingelangt am 14. Oktober 2022, brachte die Antragstellerin beim BFG einen Fristsetzungsantrag ein, den sie damit begründete, dass das BFG bislang nicht über ihre Säumnisbeschwerde vom 18. Jänner 2022 entschieden habe und beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge dem BFG eine Frist zur Entscheidung setzen und der Antragstellerin Kostenersatz zusprechen.
7 Mit Beschluss vom 24. Oktober 2022 wies das BFG den Fristsetzungsantrag der Antragstellerin vom 10. Oktober 2022 betreffend die behauptete Säumigkeit des BFG im Säumnisbeschwerdeverfahren gegen das Finanzamt betreffend den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Tochter der Antragstellerin im Zeitraum März 2020 bis April 2021 gemäß § 30a Abs. 1 VwGG iVm § 30a Abs. 8 erster Satz VwGG als unzulässig zurück.
8 Begründend führte das BFG aus, mangels Vorlage der Säumnisbeschwerde an das BFG habe die Frist des § 284 Abs. 2 BAO nicht zu laufen beginnen können, folglich sei die Zuständigkeit zur Entscheidung noch nicht auf das BFG übergegangen. Auch zum Zeitpunkt des Einbringens des Fristsetzungsantrages sei die Säumnisbeschwerde noch nicht beim BFG eingelangt gewesen, weshalb die Frist des § 291 Abs. 1 BAO noch nicht zu laufen begonnen habe. Es liege daher keine Säumnis und keine Verletzung der Entscheidungspflicht des BFG vor, weshalb der Fristsetzungsantrag zurückzuweisen sei.
9 Mit rechtzeitig erhobenem Vorlageantrag vom 8. November 2022 beantragte die Antragstellerin, den Fristsetzungsantrag vom 10. Oktober 2022 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Die Antragstellerin brachte im Vorlageantrag vor, die Säumnisbeschwerde vom 18. Jänner 2022 sei bei der belangten Behörde einzubringen gewesen und dieser per Post übermittelt worden.
10 Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen nicht binnen sechs Monaten entschieden hat. Voraussetzung für eine Säumnis ist, dass das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung in dieser Rechtssache, im vorliegenden Fall über die Säumnisbeschwerde betreffend den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Tochter der Antragstellerin im Zeitraum März 2020 bis April 2021, zuständig ist, wobei sich die Säumnis auch aus einer nicht wahrgenommenen Zuständigkeit zur Zurückweisung eines unzulässigen Antrags ergeben kann (vgl. VwGH 26.2.2020, Fr 2019/13/0005, mwN).
11 Gemäß § 291 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, soweit die Bundes oder Landesgesetze nicht anderes vorsehen, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde (§ 265 BAO) oder nach Einbringung einer Vorlageerinnerung (§ 264 Abs. 6 BAO). In den Fällen des § 284 Abs. 5 BAO beginnt die Entscheidungsfrist mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist.
12 Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97 BAO) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat. Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.
13 Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht gemäß § 284 Abs. 3 BAO erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt. Gemäß § 284 Abs. 5 BAO kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.
14 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes vorsehen, ist das Verwaltungsgericht gemäß § 291 Abs. 1 BAO verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde (§ 265 BAO). In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FVwGG 2012 (2007 BlgNR 24. GP 18) wird u.a. ausgeführt, § 265 Abs. 2 und 3 BAO "soll den Verwaltungsgerichten den Überblick über die strittigen Sach- und Rechtsfragen erleichtern". Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach diesen Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht dient hingegen wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde. Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Anders als das Unterlassen der Vorlage der Akten (vgl. § 266 Abs. 4 BAO) ermöglicht das bloße Unterlassen der Übermittlung eines Vorlageberichtes auch nicht eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers (VwGH 29.1.2015, Ro 2015/15/0001).
Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten entschieden hat. Damit korrespondiert die Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Die Frist für die Entscheidung beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Beschwerde beim Verwaltungsgericht einlangt. Erst das tatsächliche Einlagen beim Verwaltungsgericht ist maßgeblich. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde die Vorlage der Beschwerde (und einer Beschwerdevorentscheidung sowie eines dagegen eingebrachten Vorlageantrags) rechtswidrig verzögert (VwGH 29.6.2021, Fr 2021/22/0005, mwN zum Verfahren nach dem VwGVG).
15 Die Antragstellerin tritt in ihrem Fristsetzungsantrag den Feststellungen des BFG, wonach die Säumnisbeschwerde vom 18. Jänner 2022 im Zeitpunkt des Einlangens des Fristsetzungsantrages vom 10. Oktober 2022 weder vom Finanzamt noch von Seiten der Antragstellerin dem BFG vorgelegt gewesen worden sei und die Säumnisbeschwerde beim BFG nicht eingelangt gewesen sei, nicht entgegen und bringt dazu in ihrem Vorlageantrag vor, dass die Säumnisbeschwerde beim Finanzamt eingebracht worden sei. Ein Einlangen der Säumnisbeschwerde der Antragstellerin vom 18. Jänner 2022 beim BFG ergibt sich auch nicht aus dem vom BFG mit dem Fristsetzungsantrag vorgelegten verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Akt.
16 Da mangels Einlangens der Säumnisbeschwerde der Antragstellerin beim BFG weder die Frist des § 284 Abs. 2 BAO zu laufen begonnen hatte noch die Entscheidungszuständigkeit des Finanzamtes infolge des Ablaufes der Frist gemäß § 284 Abs. 3 BAO auf das BFG übergegangen war, hatte im Zeitpunkt des Einlangens des Fristsetzungsantrages beim BFG dessen Entscheidungsfrist gemäß § 291 Abs. 1 letzter Satz BAO iVm § 284 Abs. 5 BAO noch nicht begonnen.
17 Ausgehend davon war der vorliegende Fristsetzungsantrag mangels Ablaufs der Entscheidungsfrist unzulässig und daher gemäß § 38 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu seiner Erhebung ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Diese auf Grund des Vorlageantrags der Antragstellerin ergangene Entscheidung tritt an die Stelle des Zurückweisungsbeschlusses des BFG vom 24. Oktober 2022 (vgl. VwGH 14.11.2019, Fr 2019/22/0012, mwN).
Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde
Die Säumnisbeschwerde wurde nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 284 Abs. 1 BAO nunmehr tatsächlich beim Bundesfinanzgericht eingebracht.
Ob die Säumnisbeschwerde im Hinblick auf die Sachverhaltsdarstellung in den Beschlüssen Beschluss BFG 24.10.2022, RV/7103113/2022 und VwGH 23.3.2023, Fr 2022/16/0005, wonach mit Bescheid vom 28.9.2022 das Finanzamt den Antrag der Antragstellerin vom 14.6.2021 auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre Tochter im Zeitraum März 2020 bis April 2021 zurückgewiesen habe, zulässig ist oder die Behörde im Zeitpunkt der wirksamen Einbringung der Säumnisbeschwerde beim Bundesfinanzgericht bereits entschieden hat, kann allein auf Grund des Vorbringens der Bf, die sich in ihrer Eingabe an das Bundesfinanzgericht dazu gar nicht äußert, nicht festgestellt werden.
Auftrag an die belangte Behörde
Dem Finanzamt Österreich ist daher gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufzutragen, bis 16.6.2023 zu entscheiden und entweder mitzuteilen, dass für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt wurde, und dies durch Vorlage einer Abschrift der Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 oder eines Zahlungsbelegs glaubhaft zu machen, oder, wenn gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid erlassen wurde, eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen, oder schließlich (unter Vorlage entsprechender Beweismittel) anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 13.12.2022, Ro 2022/16/0004; VwGH 18.10.2022, Ra 2021/16/0052; VwGH 18.10.2022, Ra 2021/16/0065; VwGH 18.10.2022, Ro 2021/16/0004; VwGH 24.6.2021, Ra 2021/16/0008; VwGH 24.6.2021, Ra 2021/16/0051; VwGH 4.11.2020, Ra 2020/16/0039; VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203) ist die Rechtslage grundsätzlich als geklärt anzusehen. Sofern noch nicht geschehen ist das Einkommen des Kindes zu ermitteln (vgl. VwGH 13.12.2022, Ro 2022/16/0004). Das ist keine umfangreiche Ermittlung.
Sollte allerdings gar keine Säumnis der belangten Behörde auf Grund des Bescheids vom 28.9.2022 vorliegen, ist ein entsprechender Bericht unter Vorlage von Bescheid und Zustellnachweis mit keinem größeren Aufwand verbunden. Die gesetzte Frist ist daher dem voraussichtlichen Aufwand und der bisher verstrichenen Zeit angemessen.
Urkundenvorlage vom 11.5.2023
Am 11.5.2023 legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht elektronisch vor:
Zurückweisungsbescheid vom 10.5.2023
Mit Bescheid vom 10.5.2023, adressiert an die Bf zu Handen ihres rechtsfreundlichen Vertreters, OB ***10***, wies das Finanzamt den Antrag der Bf vom 14.6.2021, eingebracht am 15.6.2021, auf Familienbeihilfe für die im Mai 2000 geborene ***6*** ***9*** ***2*** für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 zurück und führte dazu aus:
Mit Bescheid vom 04.02.2020 wurde der Antrag auf Familienbeihilfe für Ihre Tochter ***6*** für den Zeitraum 09/2019 - 08/2021 rechtskräftig abgewiesen.
Da somit für den beantragten Zeitraum 03/2020 - 04/2021 bereits ein rechtskräftiger Bescheid vorliegt, ist ein neuerlicher Antrag für diesen Zeitraum wegen bereits entschiedener Sache nicht zulässig.
Der Antrag auf Familienbeihilfe vom 14.06.2021 war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Laut Darstellung in der Säumnisbeschwerde vom 18.1.2022 hat die Bf am 14.6.2021 die Auszahlung von Familienbeihilfe für ***6*** ***2*** für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 beantragt.
Versendenachweis
Weiters wurde vom Finanzamt ein Nachweis vorgelegt, dass der Zurückweisungsbescheid vom 10.5.2023 elektronisch im Wege von FinanzOnline (FON) am 11.5.2023 versendet wurde, somit an diesem Tag in die Databox von FinanzOnline zugestellt worden ist.
Beschluss vom 13.5.2023
Mit Beschluss vom 13.5.2023 teilte das Bundesfinanzgericht der Bf die beabsichtigte Erledigung ihrer Säumnisbeschwerde zur allfälligen Äußerung mit:
Das Finanzamt hat am 11.5.2023 Urkunden vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass über den Antrag vom 14.6.2021 auf Auszahlung von Familienbeihilfe für ***6*** ***2*** für den Zeitraum März 2020 bis April 2021 entschieden worden ist. Dem Beschwerdebegehren wurde somit offensichtlich Rechnung getragen. Es ist daher beabsichtigt, die Säumnisbeschwerde gemäß § 260 BAO als unzulässig geworden zurückzuweisen. Sollte die beschwerdeführende Partei ***1*** ***2*** entgegen diesen Urkunden in Bezug auf die Säumigkeit des Finanzamts nicht klaglos gestellt sein, wird ihr somit die Bekanntgabe dieses Umstands innerhalb von einer Woche ab Zustellung dieses Beschlusses aufgetragen. Ansonsten ist eine Äußerung der beschwerdeführenden Partei nicht erforderlich.
Der Beschluss wurde der Bf zu Handen ihres rechtsfreundlichen Vertreters nachweislich am 17.5.2023 zugestellt.
Keine Äußerung
Innerhalb der mit Beschluss vom 13.5.2023 gesetzten Frist erfolgte keine Äußerung der Bf.
Rechtsgrundlagen
21. Säumnisbeschwerde
§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.
(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.
(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.
(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.
(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.
(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),
d) § 266 (Vorlage der Akten),
e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).
§ 285. (1) Die Säumnisbeschwerde hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung der säumigen Abgabenbehörde;
b) die Darstellung des Inhaltes des unerledigten Antrages bzw. der Angelegenheit, in der eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht;
c) die Angaben, die zur Beurteilung des Ablaufes der Frist des § 284 Abs. 1 notwendig sind.
(2) Die Frist des § 284 Abs. 2 wird durch einen Mängelbehebungsauftrag (§ 85 Abs. 2) gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages und endet mit Ablauf der Mängelbehebungsfrist oder mit dem früheren Tag des Einlangens der Mängelbehebung beim Verwaltungsgericht.
Klaglosstellung
Wird der Bescheid, dessen Erlassung mit Säumnisbeschwerde begehrt wird, erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 einzustellen. Gleiches gilt sinngemäß, wenn wie hier im Familienbeihilfenverfahren bei Stattgabe eines Antrags gemäß § 11 FLAG 1967 die Familienbeihilfe formlos auszuzahlen und eine Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 zuzusenden, aber gemäß § 13 FLAG 1967 kein Bescheid zu erlassen ist. Auch in diesem Fall ist der Antragsteller i.S.d. § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 klaglos gestellt. Auch ein Abweisungsbescheid (§ 13 FLAG 1967) oder ein Zurückweisungsbescheid beendet die Säumnis der Behörde.
Das Finanzamt hat nachweislich am 11.5.2023 eine wirksame Erledigung, den Zurückweisungsbescheid vom 10.5.2023, erlassen. Das Beschwerdeverfahren ist daher gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 einzustellen.
Nichtzulassung der Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die Rechtsfolge ergibt sich aus dem Gesetz.
Wien, am 31. Mai 2023
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 284 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 23.03.2023, Fr 2022/16/0005 |
