BFG RM/7100004/2021

BFGRM/7100004/202126.3.2021

Maßnahmenbeschwerde - fortgesetztes Verfahren - Anwesenheit eines Reporters bei Kontrolle ist rechtswidrig

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RM.7100004.2021

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Breitwiesergutstraße 10, 4020 Linz, über die Beschwerde - Maßnahmenbeschwerde - vom 23. Dezember 2017 wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz am 15.11.2017 im Lokal Adresse durch Organe der belangten Behörde FA Wien 4/5/10, FPFPT
zu Recht erkannt:

  1. 1. Die angefochtene Maßnahme - Mitnahme eines Reporters zur Kontrolle - wird gem. § 28 Abs. 6 erster Satz VwGVG für rechtswidrig erklärt.
  2. 2. Gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung wird der Beschwerdeführerin der Kostenersatz, Ersatz des Schriftsatzaufwandes, iHv Euro 737,60 zugesprochen. Die belangte Behörde (der Bund) hat die Kosten binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
  3. 3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Beim gegenständlichen Verfahren handelte es sich um das fortgesetzte Verfahren infolge des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. Ra 2019/17/0125 vom 15.2.2021. Der VwGH hat damit die Entscheidung des BFG, GZ. RM/7100014/2017 vom 24.10.2019, im Beschwerdepunkt "Mitnahme eines Reporters zur Kontrolle" wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Zum Verfahrensgang wird grundsätzlich auf die o.a. Entscheidung des BFG hingewiesen.
Am 15.11.2017 führte die Finanzpolizei unter Hinzuziehung der WEGA und in Begleitung eines Reporters einer Wochenzeitschrift in einem Lokal in 1120 Wien eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG durch.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erhob im Zusammenhang mit diesem Kontrolleinsatz beim Bundesfinanzgericht (BFG) per Fax am 23.12.2017 eine Maßnahmenbeschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 132 Abs. 2 B-VG.
Die Maßnahmenbeschwerde richtete sich gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ) durch die handelnden Organe der Finanzpolizei, insbesondere gegen die Durchführung einer Hausdurchsuchung, das gewaltsame Aufbrechen von nicht versperrten Türen sowie die Mitnahme eines Reporters zu dieser Kontrolle.

Mit Erkenntnis vom 24.10.2019 wies das BFG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die angeführte Maßnahmenbeschwerde in sämtlichen Punkten als unbegründet ab.

Gegen das Erkenntnis des BFG wurde durch die Bf. hinsichtlich sämtlicher Punkte eine außerordentliche Revision (datiert 10.12.2019) beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben.
Der VwGH hat über diese Revision mit Erkenntnis (Ra 2019/17/0125 vom 15.2.2021) entschieden und:
"1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Abspruchs über die Rechtmäßigkeit der Anwesenheit eines Reporters bei der Kontrolle nach dem GSpG sowie des Ausspruchs über den Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben. ….….
2. Den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen."

Der VwGH hielt fest, dass der erhobenen Revision drei trennbare Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zugrunde lagen und diese daher getrennt zu prüfen waren.
Zu den Beschwerdepunkten "Hausdurchsuchung" und "Aufbrechen von Türen" wurde festgestellt, dass diesbezüglich keine für die Zulässigkeit der Revision relevanten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wurden.
Insoweit war die Revision zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Frage, ob ein Reporter bei einer Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG anwesend sein dürfe, kam der VwGH zum Schluss, dass sich die Revision als zulässig erwies. Die Entscheidung des BFG, dass durch die Anwesenheit des Reportes die Bf. in keinem Recht verletzt worden und keine rechtswidrige AuvBZ gegeben war, wurde aufgehoben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und rechtliche Würdigung

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Demzufolge ist das Bundesfinanzgericht (BFG) im fortgesetzten Verfahren an die im aufhebenden Erkenntnis des VwGH (Ra 2019/17/0125 vom 15.2.2021) geäußerten Rechtsansichten gebunden.

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 50 Glücksspielgesetz (GSpG) lauten:

§ 50 (1) Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind die Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig. Gegen diese Entscheidungen kann Beschwerde an ein Verwaltungsgericht des Landes erhoben werden.
(2) Diese Behörden können sich der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen und zur Klärung von Sachverhaltsfragen in Zusammenhang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Amtssachverständigen des § 1 Abs. 3 hinzuziehen. Zu den Organen der öffentlichen Aufsicht zählen jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.
(3) Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.

(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig.

Der maßgebliche Sachverhalt zum Beschwerdepunkt (Anwesenheit eines Reporters bei der Kontrolle) ergab sich aus den Verwaltungsakten, den Stellungnahmen der belangten Behörde, den Niederschriften zur mündlichen Verhandlung, den Zeugenaussagen und den Schriftsätzen der Bf. Grundsätzlich wird dazu auf die Ausführungen in der Entscheidung des BFG hingewiesen (GZ. RM/7100014/2017 vom 24.10.2019).

Am Kontrolltag war nicht bekannt, durch wen das Lokal betrieben wurde. Bei der Kontrolle war kein Vertreter der Bf. vor Ort. Der gegen Ende der Amtshandlung erschienene rechtliche Vertreter nahm den Reporter nicht wahr. Der Reporter verfügte über eine Genehmigung des BMF für die Teilnahme an der Amtshandlung. Er wurde stets von Amtsorganen begleitet. Der in der Folge verfasste Artikel in der Zeitschrift ließ weder im Text noch durch die Bilder einen Rückschluss auf das kontrollierte Lokal zu.

Der VwGH sprach in seinem Erkenntnis (Ra 2019/17/0125 vom 15.2.2021) aus, dass die Anwesenheit des Reporters im gegenständlichen Fall jedenfalls der belangten Behörde zuzurechnen war.

Der VwGH verwies auf die Bestimmungen des § 50 Abs. 4 GSpG wonach der Berechtigung der Behörde zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG die Pflicht des Betroffenen gegenübersteht, den genannten Behörden und Organen und den von diesen Behörden allenfalls beigezogenen Sachverständigen u.a. das Betreten von Betriebsstätten und Betriebsräumen zu ermöglichen.

In Abwägung der Rechte und Pflichten führte der VwGH in seinem Erkenntnis in der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts, der Beurteilung der Anwesenheit des Reporters bei der Kontrolle, aus:
"Ein Betreten der Räumlichkeiten durch einen Reporter ohne Zustimmung des Betroffenen findet in § 50 Abs. 4 GSpG keine Deckung. Insofern wird der Betroffene in seinen Rechten verletzt. An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass weder der anwesende Mitarbeiter der Bf. noch der später hinzugekommene rechtliche Vertreter Kenntnis von der Anwesenheit des Reporters erlangt hatte.
Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt können nämlich auch dann vorliegen, wenn die Maßnahmen für den Betroffenen nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen erfolgt. Dies kann auch ohne sein Wissen der Fall sein. Wesentlich ist, ob das Verhalten der Organe in objektiver Hinsicht darauf abzielt, eine Duldungspflicht des Betroffenen zu bewirken."

Die Tatsache, dass die Mitnahme des Reporters ohne Information und Wissen des Betroffenen, der Bf., erfolgte, war entsprechend der Rechtsanschauung des VwGH zu würdigen. Die Vorgehensweise stellte eine AuvBZ dar, die im rechtlichen Rahmen des § 50 Abs.4 GSpG keine Deckung fand.

Der Beschwerde war statt zu geben. Die Vorgangsweise der Behörde durch die Organe der Finanzpolizei war als rechtswidrig zu erklären.

Mit der Maßnahmenbeschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.
Im gegenständlich fortgesetzten Verfahren konnte daher die Verhandlung entfallen.

Zu Spruchpunkt II. - Kostenentscheidung

Die Bf. hatte in ihrer Beschwerde den Ersatz des Schriftsatzaufwandes beantragt.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen AuvBZ obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Gemäß Abs. 2 ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei, wenn die angefochtene AuvBZ für rechtswidrig erklärt wird.
Gemäß Abs. 7 ist der Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten.

Gemäß § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung wird der Bf. der Ersatz des Schriftsatzaufwandes iHv Euro 737,60 zugesprochen.

Zu Spruchpunkt III. - Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit diesem Erkenntnis wurde die Entscheidung des VwGH Ra 2019/17/0125 vom 15.2.2021 umgesetzt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

 

 

Wien, am 26. März 2021

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Glücksspiel

betroffene Normen:

§ 35 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 63 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 50 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989

Stichworte