Rechtssatz
Der Einsatz betäubender Mittel ist als Gewalt (auch iSd § 201 Abs 1 StGB idgF) anzusehen. Dieser erweiterte, auf die Beeinträchtigung der Willensfreiheit abstellende Gewaltbegriff setzt allerdings voraus, dass dem Tatopfer ein betäubendes (berauschendes) Mittel ohne seinen Willen verabreicht wird, welches in seiner Wirkung dazu führt, dass eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung hervorgerufen wird, in der dem Opfer eine eigenständige Willensentfaltung unmöglich gemacht wird. Nur dann entspricht das Hervorrufen dieses Zustands der Anwendung von umfassender Gewalt, die mit der völligen Ausschaltung der Willensbildung beim Opfer einhergeht. Das heimliche Verabreichen eines Betäubungsmittels in einer Dosis, welche diese Fähigkeit zur eigenständigen Willensbildung noch nicht ausschaltet, kann hingegen die strafrechtlich geschützte freie Willensbetätigung des Opfers -anders als bei der sonstigen Gewalteinwirkung - weder umlenken noch fremdsteuern, weil dem Tatobjekt mangels Kenntnis eines auf ihn wirkenden Mittels nicht bewusst wird, dass von ihm eine (vom Täter bezweckte) Verhaltensänderung erreicht werden soll. Dass das Opfer durch die Verabreichung eines berauschenden Mittels leichter beeinflussbar wird, kann aber selbst bei extensiver Auslegung des Gewaltbegriffes noch nicht als das Rechtsgut der Freiheit beeinträchtigende und vom Betroffenen als auf ihn einwirkend wahrnehmbare Willenssteuerung angesehen werden.
15 Os 6/11p | OGH | 04.05.2011 |
Vgl; Beisatz: Wird das Opfer durch das Mittel in einen einer Bewusstlosigkeit gleichzusetzenden Schlaf versetzt, kommt es weder auf dessen konkrete Zusammensetzung noch die Dosierung an. (T1) |
15 Os 98/11t | OGH | 17.08.2011 |
Vgl |
Dokumentnummer
JJR_20051214_OGH0002_0130OS00102_05G0000_002
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