OGH 16Ok5/98 (RS0110383)

OGH16Ok5/988.10.2015

Rechtssatz

Der klassische Fall des missbräuchlichen Behinderungswettbewerbs ist die gezielte Kampfpreisunterbietung ("predatory pricing") mit dem Ziel der Verdrängung von Konkurrenten auf dem schon beherrschten relevanten Markt oder auf dritten Märkten. Das marktbeherrschende Unternehmen nutzt seine überlegene Finanzkraft zur Ausschaltung von Wettbewerbern aus, indem es über einen Zeitraum von gewisser Dauer unangemessen niedrige Preise praktiziert, die nicht mehr als Maßnahmen des normalen Leistungswettbewerbs erklärbar sind und deshalb erkennbar dem Ziel der Verdrängung von Wettbewerbern dienen. Eine missbräuchliche Preisunterbietung liegt grundsätzlich vor, wenn das marktbeherrschende Unternehmen seine Erzeugnisse zu Preisen anbietet, die unter den eigenen durchschnittlichen variablen Kosten (den Kosten, die je nach produzierten Mengen variieren) liegen. Ein Missbrauch im Sinn des Art 86 ist aber auch dann gegeben, wenn die Preise unter den durchschnittlichen Gesamtkosten (Fixkosten plus variable Kosten), aber über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen. In diesem Fall wird jedoch zusätzlich der Nachweis verlangt, dass die Preisfestsetzung im Rahmen einer Gesamtstrategie dem Ziel dienen soll, die Konkurrenz auszuschalten (EuGHSlg 1991 I 3359 - AKZO Chemie).

Normen

EGV Maastricht Art86
EG Amsterdam Art82
KartG 1988 §34
KartG 1988 §35
KartG §5 Abs1 Z5

16 Ok 5/98OGH18.06.1998
16 Ok 43/05OGH17.10.2005

Auch; Beisatz: Missbräuchlich ist jedes Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, die Struktur eines Marktes mit leistungsfremden Mitteln zu beeinflussen; ob die Mitbewerber dem marktmissbräuchlichen Verhalten standhalten können oder nicht, ist für den Tatbestand des § 35 Abs 1 KartG ohne Bedeutung. Eine allgemeine Rechtfertigung missbräuchlichen Verhaltens lässt sich nicht aus dem Interesse an der Bereicherung der Medienvielfalt (hier: durch Herausgabe einer neuen Tageszeitung) ableiten. Marktbeherrschende Unternehmen tragen besondere Verantwortung für die Gewährleistung unverfälschten Wettbewerbs, so dass ihnen auch in Verteidigungssituationen nur die Mittel eines fairen Leistungswettbewerbs zur Verfügung stehen. Hier: Keine Kampfpreisunerbietung, wenn die Preise der Zeitung der Antragsgegnerinnen rund 45% unter jenen der Mitbewerber liegen, wofür plausible Gründe vorliegen, die Finanzkraft der Antragstellerin jene der Antragsgegnerin bei weitem überwiegt und eine Vernichtungsabsicht nicht festgestellt werden konnte. (T1)

4 Ob 60/09sOGH14.07.2009

Vgl auch; Beisatz: Unter „predatory pricing" im Sinne der Rsp des EuGH zu Art 82 EG fällt der Verkauf unter den eigenen durchschnittlichen variablen Kosten oder, jedoch nur bei Verdrängungsabsicht, der Verkauf unter den eigenen Vollkosten. (T2)<br/>Beisatz: Die in der Lehre gelegentlich vorkommende Gleichsetzung von „predatory pricing" und dem Verkauf unter dem Einstandspreis ist alles andere als zwingend; vielmehr ordnet § 5 Abs 1 Z 5 KartG eine „schematische", sehr hoch angesetzte Grenze an, die zum allgemeinen, in der Rechtsprechung zur Generalklausel begründeten Verbot des predatory pricing hinzutritt. (T3)<br/>Veröff: SZ 2009/94

4 Ob 113/14tOGH17.07.2014

Vgl auch

16 Ok 9/15gOGH08.10.2015

Dokumentnummer

JJR_19980618_OGH0002_0160OK00005_9800000_004