OGH 6Ob286/07p (RS0123753)

OGH6Ob286/07p7.7.2008

Rechtssatz

§ 540 1. Fall ABGB setzt für die Annahme der Erbunwürdigkeit ausdrücklich vorsätzliches Handeln voraus. Erbunwürdigkeit liegt daher unter anderem dann nicht vor, wenn sich der Erbe auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann. Gelingt dem Erben der Beweis des mutmaßlichen Willens des Erblassers in den Behandlungsabbruch, scheidet Erbunwürdigkeit aus. Ist jedoch (auch) der mutmaßliche Wille des Patienten nicht feststellbar, gilt im Zweifel der Wille, durch die medizinische Behandlung weiterzuleben („in dubio pro vita"), also der normale ärztliche Heilauftrag. In einem solchen Fall ist dann passive regelmäßig ebenso strafbar wie direkte aktive Sterbehilfe. Im Anwendungsbereich des § 540 1. Fall ABGB wäre dann aber vom Vorliegen einer strafbaren Handlung gegen den Willen der Erblasserin auszugehen.

Normen

ABGB §540

6 Ob 286/07pOGH07.07.2008

Beisatz: Bei der Beurteilung des (mutmaßlichen) Willens des Erblassers kann und darf es somit auf Wertvorstellungen der Gesellschaft oder anderer Personen nicht ankommen. (T1); Beisatz: Der Erbe ist dafür beweispflichtig, er habe irrtümlich einen mutmaßlichen Willen des Erblassers dahin angenommen, nicht mehr weiter leben zu wollen; allfällige Zweifel gehen dabei zu seinen Lasten. Der Beweis dieses Irrtums ist einer besonders strengen Beurteilung zu unterziehen (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit), um nicht derartige Behauptungen zu einem Einfallstor für die mangelnde Vorsätzlichkeit von Sterbehilfe zu machen. Bloße Verdachtsmomente können den Erben somit nicht entlasten. (T2); Veröff: SZ 2008/94

9 Ob 68/11gOGH08.10.2012

Vgl; Beisatz: Hier: Zu Patientenverfügungen und der Frage der gerichtlichen Genehmigung eines Behandlungsabbruchs. (T3); Veröff: SZ 2012/100

Dokumentnummer

JJR_20080707_OGH0002_0060OB00286_07P0000_002