OGH 13Os139/96 (RS0105873)

OGH13Os139/962.10.1996

Rechtssatz

Durch die Unterlassung der Beweisführung hat das Berufungsgericht gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung (§ 3 StPO) verstoßen. Zwar ist eine Verletzung dieses Grundsatzes an sich nicht mit Nichtigkeit bedroht. Unter dieser Sanktion steht jedoch die Abweisung von Beweisen oder die Unterlassung der Entscheidung darüber, soferne dadurch Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt werden, deren Beachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK, oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist (§ 281 Abs 1 Z 4, Abs 3 StPO). Eine Verletzung des Grundsatzes der Erforschung der materiellen Wahrheit steht somit dann unter Sanktion, wenn diese Verletzung entweder durch unterlassene Entscheidung über einen Antrag (Beweisantrag) oder durch ein (über einen Parteienantrag ergangenes) Zwischenerkenntnis geschehen ist (EvBl 1980/116 = RZ 1980 Nr 39).

Normen

MRK Art6 Abs1 II5b2
StPO §3
StPO §281 Abs1 Z4 A

13 Os 139/96OGH02.10.1996
11 Os 44/09vOGH26.05.2009

Auch; Beisatz: Durch die Unterlassung einer dem § 3 StPO aF entsprechenden Beweisführung (hier hinsichtlich der vom Verdächtigen relevierten Zeugen) hat das Bezirksgericht in einer das eingeräumte Ermessen überschreitenden Weise gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung verstoßen (vgl Schmoller, WK-StPO §3 Rz18 f). (T1)

11 Os 161/10aOGH17.02.2011

Vgl auch; Beisatz: Hier: Verletzung des Grundsatzes der materiellen Wahrheitsforschung durch Abweisung eines Beweisantrags. (T2)

Dokumentnummer

JJR_19961002_OGH0002_0130OS00139_9600000_001