OGH 6Bkd2/95 (RS0101400)

OGH6Bkd2/9517.6.1996

Rechtssatz

Der erkennende Senat pflichtet der Auffassung der Vorinstanz bei, dass das Verhalten der Beschuldigten (ein Inserat des Inhalts

"ACHTUNG !!! Österreicher, Österreicherinnen. Aus gegebenem Anlass bringen wir zur Kenntnis, dass die Disziplinargerichtsbarkeit für Rechtsanwälte und die Handhabung derselben durch die Rechtsanwaltskammern die Klienten schädigt und uns Rechtsanwälte willkürlich und menschenrechtswidrig behandelt. Die Kammer als Bremse jedes engagierten Rechtsanwaltes! Will dies der Klient für sein gutes Geld??? Wir fordern daher: 1. Nieder mit dem Kammerdiktat. 2. Nieder mit der geheimen Kammerjustiz. Es lebe der freie, mündige Rechtsanwaltsstand.

Salzburger Rechtsanwälte: Dr. R. J, Dr. K. P, Dr. J. Z"; und "ACHTUNG!!! ÖSTERREICHER, ÖSTERREICHERINNEN Wir haben es gewagt, öffentlich die geheime Disziplinargerichtsbarkeit der Rechtsanwaltskammern zu kritisieren. Dieser Schritt an die Öffentlichkeit wird vom Disziplinarrat der Kammer mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen uns geahndet. Es wird behauptet, diese Kritik verletze "Ehre und Ansehen" des Rechtsanwaltsstandes. Damit sollen Kritiker mundtot gemacht werden. Ist das der freie Rechtsanwaltsstand des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts? Wir werden uns von diesem System nicht mundtot machen lassen, sondern weiterhin Unrecht schonungslos aufzeigen. Dies auch im Sinne der rechtschutzsuchenden Bevölkerung. Wir werden weiterhin informieren. Dr. J, Dr.P, Dr. Z, Rechtsanwälte in S") im Lichte des Rechts der freien Meinungsäußerung - die eine der wesentlichen Grundlagen jeder demokratischen Gesellschaft darstellt und (vorbehaltlich des Art 10 Abs 2 MRK) im Interesse einer von Pluralismus und Toleranz geleiteten Fortentwicklung auch für solche Bekundungen zu gelten hat, die beunruhigen, verletzen oder sogar schockieren - noch keine disziplinäre Verfehlung darstellt, weshalb der erstinstanzliche Freispruch in diesem Umfang zu bestätigen war.

Normen

DSt 1990 §1 Abs1 E
MRK Art10 Abs2 IV4j

6 Bkd 2/95OGH17.06.1996
9 Bkd 1/98OGH25.09.2000

Ähnlich; Beisatz: Kritik muss einem Standesangehörigen auch gegenüber der Kammer, der er angehört, offenstehen. (T1)

23 Ds 1/17zOGH12.06.2017

Vgl auch; Beis wie T1

29 Ds 1/20yOGH28.03.2022

Vgl; Beis wie T1

Dokumentnummer

JJR_19960617_OGH0002_006BKD00002_9500000_002