247. Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die videogestützte Online-Identifikation von Personen im Bereich der Bundesfinanzverwaltung (Finanz-Video-Identifikationsverordnung - FVIV)
Auf Grund des § 86a der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 110/2023, wird wie folgt verordnet:
Anwendungsbereich
§ 1. (1) Ein Organ des Finanzamtes Österreich kann die Identität einer natürlichen Person, die nicht physisch anwesend ist, durch ein videogestütztes elektronisches Verfahren (Online-Identifikation) feststellen. Um das damit verbundene Risiko auf ein angemessenes Maß zu reduzieren, sind organisatorische und verfahrensbezogene Sicherungsmaßnahmen umzusetzen.
(2) Das Verfahren zur Online-Identifikation dient folgenden Zwecken:
- 1. der erstmaligen Aufnahme einer natürlichen Person ohne aufrechten Hauptwohnsitz (§ 16 Abs. 1 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992) in Österreich in den Datenbestand der Bundesfinanzverwaltung und
- 2. der Ausstellung von Zugangsdaten zu FinanzOnline gemäß § 3 Abs. 1 der FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006, BGBl. II Nr. 97/2006, und deren Rücksetzung an
- a) natürliche Personen aus Staaten, in denen kein elektronisches Identifizierungsmittel im Sinn des Art. 3 Z 2 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-VO), ABl. Nr. L 257 vom 28.08.2014 S. 73, das die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 eIDAS-VO mit Sicherheitsniveau „hoch“ erfüllt, angeboten wird oder
- b) gesetzliche Vertreter von nicht natürlichen Personen.
(3) Das Verfahren zur Online-Identifikation kann auf Deutsch oder Englisch durchgeführt werden. Dem Verfahren zur Online-Identifikation kann auf eigene Kosten ein Dolmetscher oder eine Vertrauensperson beigezogen werden.
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
- 1. Videosequenz: eine mittels elektronischer Datenverarbeitung gefertigte und gespeicherte Folge von Videobildern, die das Gespräch als audiovisuelle Komponente der Online-Identifikation bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Erstellung in einer Qualität wiedergibt, die den jeweiligen Überprüfungs- und Dokumentationszwecken entspricht.
- 2. Bildschirmkopie: eine mittels elektronischer Datenverarbeitung gefertigte und gespeicherte Grafik, die den Bildschirminhalt als visuelle Komponente der Online-Identifikation bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Erstellung in einer Qualität wiedergibt, die den jeweiligen Überprüfungs- und Dokumentationszwecken entspricht.
- 3. amtlicher Lichtbildausweis: als amtlicher Lichtbildausweis im Sinn dieser Verordnung gelten Reisepässe und Personalausweise im Sinn des § 3 Abs. 1 und § 19 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839/1992, und damit vergleichbare ausländische Dokumente sowie der österreichische Führerschein gemäß § 1 der Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV, BGBl. II Nr. 320/1997.
Organisatorische Sicherungsmaßnahmen
§ 3. (1) Für die Online-Identifikation sind Mitarbeiter des Finanzamtes Österreich einzusetzen, die zuverlässig und für die Durchführung der Online-Identifikation hinreichend geschult sind. Diese Schulung hat zumindest den rechtlichen Rahmen, die technischen Voraussetzungen sowie die praktische Sicherstellung der Überprüfung zu umfassen.
(2) Es ist sicherzustellen, dass die im Rahmen der Online-Identifikation herangezogenen Anwendungen sowie die übertragenen Daten vor einem unbefugten Zugriff geschützt sind.
(3) Die Mitarbeiter dürfen die Online-Identifikation nur in einem abgetrennten Raum einer Dienststelle des Finanzamtes Österreich durchführen. Unter besonderen Umständen darf die Online-Identifikation am Wohnsitz des Mitarbeiters in einem abgetrennten, geschlossenen Raum durchgeführt werden (Online-Identifikation im Home-Office). Mitarbeiter im Home-Office haben sich während der gesamten Dauer der Online-Identifikation alleine und ungestört in diesem Raum aufzuhalten.
Verfahrensbezogene Sicherungsmaßnahmen
§ 4. (1) Der dem Zweck der Online-Identifikation dienende Teil des Gesprächs ist zur Gänze in Form einer Videosequenz aufzuzeichnen oder mittels Bildschirmkopien zu dokumentieren. Die Videosequenz bzw. die Bildschirmkopien müssen bei geeigneten Belichtungsverhältnissen Folgendes aus dem Vorgang des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens abbilden:
- 1. das Gesicht der Person
- 2. die Präsentation der Vorderseite des amtlichen Lichtbildausweises oder von dessen Datenseite und
- 3. die Präsentation der Rückseite des amtlichen Lichtbildausweises oder von dessen Datenseite.
Die Videosequenz bzw. die Bildschirmkopien müssen jedenfalls von einer solchen Qualität sein, dass die Person und die auf dem amtlichen Lichtbildausweis enthaltenen Daten vollständig und zweifelsfrei erkennbar sind.
(2) Die Person hat während der Online-Identifikation nach Aufforderung
- 1. ihren Kopf unter Präsentation des Gesichts zu bewegen und getrennt davon
- 2. die Seriennummer ihres amtlichen Lichtbildausweises mitzuteilen.
(3) Der Mitarbeiter, der die Online-Identifikation durchführt, hat sich von der Authentizität des zugelassenen amtlichen Lichtbildausweises wie folgt zu vergewissern:
- 1. Visuelle Überprüfung des Vorhandenseins der optischen Sicherheitsmerkmale einschließlich bewegungsoptischer (holographischer) oder gleichwertiger Sicherheitsmerkmale, die nach Aufforderung zum horizontalen und vertikalen Kippen des amtlichen Lichtbildausweises deutlich erkennbar sein müssen,
- 2. Überprüfung der korrekten alphanummerischen Ziffernorthographie der Seriennummer,
- 3. Überprüfung der Unversehrtheit der Laminierung, die den amtlichen Lichtbildausweis umschließt oder vergleichbarer Merkmale, die für die Unversehrtheit des Dokumentes sprechen,
- 4. Überprüfung zum Zwecke des Ausschlusses, dass es sich um ein nachträglich mit dem zugelassenen amtlichen Lichtbildausweis verbundenes Lichtbild handelt,
- 5. Überprüfung der logischen Konsistenz
- a) der Merkmale der Person einerseits und der Personenbeschreibung sowie des Lichtbildes andererseits,
- b) des Lichtbildes, des Ausstellungsdatums und des Geburtsdatums im amtlichen Lichtbildausweises zueinander sowie
- c) aller weiteren unter Umständen bereits vorhandenen Daten und der entsprechenden weiteren Angaben auf dem amtlichen Lichtbildausweis.
(4) Die Person hat während der laufenden Videoübertragung eine eigens für den Zweck der Online-Identifikation gültige, zentral generierte und an sie per SMS übermittelte Ziffernfolge unmittelbar einzugeben und dem Mitarbeiter elektronisch zurückzusenden oder dem Mitarbeiter mündlich bekannt zu geben. Im Fall von Zurücksetzungen von FinanzOnline-Zugangsdaten ist die SMS ausschließlich an eine der Bundesfinanzverwaltung bereits vor der Online-Identifikation bekannt gegebene Telefonnummer zu übermitteln.
(5) Die Online-Identifikation von Personen im Bereich der Bundesfinanzverwaltung darf ausschließlich mit dem durch die Bundesfinanzverwaltung zu diesem Zweck bereitgestellten Online-Identifikationssystem durchgeführt werden.
(6) Die gemäß Abs. 1 angefertigten Videosequenzen bzw. Bildschirmkopien sind längstens 30 Jahre aufzubewahren.
Abbruch der Online-Identifikation
§ 5. Der Vorgang der Online-Identifikation ist abzubrechen, wenn
- 1. eine geeignete Überprüfung der Person oder des amtlichen Lichtbildausweises oder von beiden unter Berücksichtigung der verfahrensbezogenen Sicherungsmaßnahmen (§ 4) nicht möglich ist,
- 2. bei Vorliegen sonstiger Unstimmigkeiten
- 3. bei Vorliegen sonstiger Unsicherheiten.
Dokumentationspflicht
§ 6. Die erstmalige Aufnahme einer Person in den Datenbestand der Bundesfinanzverwaltung, die erstmalige Ausgabe und die Zurücksetzung von Zugangsdaten mittels Online-Identifikation sind jeweils so zu dokumentieren, dass zeitnah und lückenlos nachvollzogen werden kann, dass sie mittels Online-Identifikation durchgeführt worden sind.
Datenschutz
§ 7. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist der für die Online-Identifikation datenschutzrechtlich Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Z 7 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO), ABl. Nr. L 119/2016 vom 04.05.2016 S. 1, zuletzt berichtigt durch ABl. Nr. L 74/2021 vom 04.03.2021 S. 35.
(2) Die Bundesrechenzentrum GmbH ist Auftragsverarbeiter im Sinne des Art. 4 Z 8 DSGVO.
Personenbezogene Bezeichnungen
§ 8. Soweit sich die in dieser Verordnung verwendeten Bezeichnungen auf natürliche Personen beziehen, gilt die gewählte Form für alle Geschlechter.
Inkrafttreten
§ 9. Diese Verordnung tritt mit 1. September 2023 in Kraft.
Brunner
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