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BGBl I 38/2022

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

38. Bundesgesetz: Änderung des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 (GWG 2011)
(NR: XXVII IA 2359/A AB 1392 S. 149. BR: 10919 AB 10940 S. 939.)

38. Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird

Das Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Erdgaswirtschaft erlassen werden (Gaswirtschaftsgesetz 2011 - GWG 2011), BGBl. I Nr. 107/2011, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 245/2021, wird wie folgt geändert:

1. (Verfassungsbestimmung) § 1 samt Überschrift lautet:

„Unmittelbare Bundesvollziehung

§ 1. (Verfassungsbestimmung) Die in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten können unmittelbar von den in diesen Vorschriften vorgesehenen Einrichtungen besorgt werden.“

2. (Verfassungsbestimmung) Nach § 18 werden folgende §§ 18a bis 18d samt Überschriften eingefügt:

„Strategische Gasreserve

§ 18a. (1) Der Verteilergebietsmanager wird zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in den Marktgebieten gemäß § 12 Abs. 1 im Wege der Beleihung mit der Vorhaltung einer strategischen Gasreserve betraut. Die Vorhaltung erfolgt in Speicheranlagen, die für eine unmittelbare Ausspeisung in die Marktgebiete genutzt werden können. Die Vorhaltung für die Marktgebiete Tirol und Vorarlberg kann auch in Speicheranlagen erfolgen, die an benachbarte Marktgebiete angeschlossen sind.

(2) (Verfassungsbestimmung) Die Höhe der strategischen Gasreserve bemisst sich nach der jeweils im Jänner an Netzbenutzer abgegebenen Gasmenge und ist bis zum 1. März für das folgende Gasjahr von der Regulierungsbehörde zu ermitteln und zu veröffentlichen. Die Bundesregierung kann die Höhe der strategischen Gasreserve mit Verordnung anpassen; dabei sind allfällige EU-weite Zielvorgaben für Speicherfüllstände und aktuelle Marktbedingungen zu berücksichtigen. Für den Fall einer Reduktion der Höhe der strategischen Gasreserve sind in die Verordnung auch Verfügungen über die darüber hinausgehenden bereits in Speicheranlagen vorgehaltenen Gasmengen aufzunehmen. Die Verordnung kann nähere Vorgaben zu den Modalitäten der Beschaffung und der Freigabe der strategischen Gasreserve, etwa die zu kontrahierende Mindestausspeicherrate aus den Speicheranlagen, enthalten. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates; dabei gilt Art. 55 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz sinngemäß.

(3) Der Verteilergebietsmanager hat dem Nationalrat, der Regulierungsbehörde, der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie dem Bundesminister für Finanzen jährlich spätestens bis zum 30. April einen Bericht über die Beschaffung und Verwendung der strategischen Gasreserve vorzulegen und zu veröffentlichen. Der Bericht hat insbesondere eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Ausschreibungsverfahren gemäß § 18b Abs. 1 zu enthalten.

(4) Der Verteilergebietsmanager hat zum Zweck der ausschließlichen Wahrnehmung der Aufgaben gemäß den §§ 18a bis 18c eine hundertprozentige Tochtergesellschaft als Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen. Alle Rechte und Pflichten des Verteilergebietsmanagers im Zusammenhang mit der strategischen Gasreserve treffen ausschließlich diese Tochtergesellschaft. Diese hat ihre Aufgaben unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit auszuüben. Die Geschäftsanteile an der Tochtergesellschaft dürfen nicht veräußert werden.

(5) Die an dem Verteilergebietsmanager beteiligten Aktionäre und der Gesellschafter der gemäß Abs. 4 gegründeten Gesellschaft können weder direkt noch indirekt für Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass die Aktionäre oder der Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auf unredliche Weise allein oder im Zusammenwirken herbeigeführt haben. Demgemäß gebührt den Aktionären des Verteilergebietsmanagers oder dem Gesellschafter der gemäß Abs. 4 gegründeten Gesellschaft aus Anlass einer allfälligen Liquidation weder ein Gewinn aus den mit der Vorhaltung der strategischen Gasreserve in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, noch haben sie einen allfälligen Verlust daraus zu tragen.

Beschaffung der strategischen Gasreserve

§ 18b. (1) Der Verteilergebietsmanager hat die strategische Gasreserve im Rahmen eines marktbasierten, transparenten, nichtdiskriminierenden und öffentlichen Ausschreibungsverfahrens zu beschaffen; er ist auch Eigentümer der strategischen Gasreserve. Die strategische Gasreserve kann in mehreren Tranchen beschafft werden. Sie hat erstmals zum 1. November 2022 oder im Falle von Umständen, die nicht im Einflussbereich des Verteilergebietsmanagers liegen, zum ehestmöglichen Zeitpunkt danach in vollem Ausmaß zur Verfügung zu stehen. Die Ausschreibungsbedingungen sind der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und dem Bundesminister für Finanzen im Vorhinein anzuzeigen.

(2) Nach Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens gemäß Abs. 1 hat der Verteilergebietsmanager die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und den Bundesminister für Finanzen unverzüglich über das Ergebnis des Verfahrens zu informieren.

(3) Reduktionen der strategischen Gasreserve durch Freigaben gemäß § 18c sind so auszugleichen, dass die strategische Gasreserve jeweils zum 1. Oktober eines Jahres in vollem Ausmaß zur Verfügung steht. Die benötigten Gasmengen sind über die Gasbörse am virtuellen Handelspunkt oder im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens gemäß Abs. 1 zu beschaffen.

(4) Die mit der Erfüllung der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben gemäß § 18a bis 18c verbundenen Kosten werden aus Bundesmitteln gedeckt. Die dafür benötigten Mittel werden vom Bund im Rahmen des jeweiligen Bundesfinanzgesetzes zur Verfügung gestellt. Davon umfasst sind alle notwendigen und angemessenen Kosten für die Beschaffung der strategischen Gasreserve einschließlich Finanzierungskosten, Kosten für Speichernutzung, Systemnutzungsentgelte, operativem Aufwand, allfälliger Bewertungsgewinne und -verluste, Kosten im Zusammenhang mit § 18a Abs. 4 sowie allfälliger Verbindlichkeiten aus Gebühren, Abgaben und Steuern. Allfällige Erlöse und Verluste aus der Überlassung von Gasmengen an Marktteilnehmer, einer Reduktion oder Erhöhung der strategischen Gasreserve sowie aus einer allfälligen Liquidation der strategischen Gasreserve sind dabei zu berücksichtigen. Dem Verteilergebietsmanager entsteht aus der Tätigkeit im Rahmen der Beleihung weder ein Gewinn noch ein Verlust.

(5) Der Bund stellt dem Verteilergebietsmanager die benötigten Mittel bedarfsgerecht unter Beachtung der Sicherstellung der nötigen Liquidität zur Verfügung.

(6) Der Verteilergebietsmanager hat gegenüber dem Bund jährlich bis zum 31. Jänner die Kosten gemäß Abs. 4 zu belegen. Die Angemessenheit der Kosten ist von einem von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen bestellten Wirtschaftsprüfer zu prüfen. Unter- oder Überzahlungen sind spätestens bis zum 31. März des jeweiligen Jahres auszugleichen oder auf bestehende Forderungen anzurechnen.

(7) Die strategische Gasreserve ist dauerhaft mit dem Anschaffungswert zu bilanzieren. § 67 der Insolvenzordnung ist auf die gemäß § 18a Abs. 4 gegründete Tochtergesellschaft nicht anzuwenden.

Freigabe der strategischen Gasreserve

§ 18c. (1) Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie kann die strategische Gasreserve im Rahmen einer Verordnung gemäß den §§ 5 und 26 des Energielenkungsgesetzes 2012 freigeben. Die Freigabe ist zu beenden, sobald die dafür maßgeblichen Umstände nicht mehr vorliegen.

(2) Soweit Marktteilnehmern Gasmengen aus der strategischen Gasreserve überlassen werden, erteilt der Verteilergebietsmanager dem Bilanzgruppenkoordinator die Anordnung, diese gemäß § 87 Abs. 4 zu verwenden. Dazu hat der Verteilergebietsmanager eine Gebühr festzusetzen und zu verrechnen, die sich nach dem höheren der beiden folgenden Preise zuzüglich eines angemessenen Anteils an den sonstigen Kosten gemäß § 18b Abs. 4 bemisst:

  1. 1. der jeweilige Anschaffungswert der zugewiesenen Gasmengen, wobei die Gasmengen mit dem höchsten Anschaffungswert zuerst heranzuziehen sind;
  2. 2. für das Marktgebiet Ost der Börsereferenzpreis (CEGHIX) des jeweiligen Gastags und für die Marktgebiete Tirol und Vorarlberg der von der Erdgasbörse am virtuellen Handelspunkt des vorgelagerten Marktgebietes veröffentlichte mengengewichtete Preisindex des jeweiligen Gastags für Spotmarktprodukte.

Haftung

§ 18d. (1) Für die von Vorständen, Geschäftsführern oder Dienstnehmern des Verteilergebietsmanagers in Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen der Beleihung gemäß §§ 18a bis 18c wem immer in Vollziehung der Gesetze zugefügte Schäden haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes. Der Vorstand, der Geschäftsführer oder Dienstnehmer haftet dem Geschädigten nicht.

(2) Hat der Bund dem Geschädigten gemäß Abs. 1 den Schaden ersetzt, kann er von den Vorständen, Geschäftsführern oder Dienstnehmern des Verteilergebietsmanagers Rückersatz nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes begehren.

(3) Unbeschadet des Abs. 2 hat der Verteilergebietsmanager dem Bund jene Leistungen, welche dieser in Erfüllung seiner Verpflichtung gemäß Abs. 1 erbracht hat, in vollem Umfang zu ersetzen.

(4) Soweit der Verteilergebietsmanager Leistungen an den Bund erbracht hat, geht der Anspruch des Bundes gegen die Vorstände, Geschäftsführer oder Dienstnehmer der Gesellschaft auf Rückersatz gemäß Abs. 2 auf die entsprechende Gesellschaft über.“

3. (Verfassungsbestimmung) In § 169 wird nach Abs. 8 folgender Abs. 9 angefügt:

„(9) (Verfassungsbestimmung) § 1, die §§ 18a bis 18d sowie § 171 Z 1a bis 1d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2022 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. §§ 18a bis 18d sowie § 171 Z 1a bis 1d sind bis zum 30. September 2024 im Sinne des § 18 Bundeshaushaltsgesetz 2013 zu evaluieren und treten mit Ablauf des 30. September 2025 außer Kraft. Festlegungen über die weitere Verwendung der strategischen Gasreserve hat die Bundesregierung mit Verordnung zu treffen. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates; dabei gilt Art. 55 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz sinngemäß. Für den Fall einer Veräußerung sind die Erlöse daraus dem Bund umgehend zu erstatten.“

4. In § 171 werden nach Z 1 folgende Z 1a bis 1d eingefügt:

  1. „1a. hinsichtlich § 18a Abs. 2 und § 169 Abs. 9 die Bundesregierung;
  2. 1b. hinsichtlich § 18a Abs. 3 die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und der Bundesminister für Finanzen;
  3. 1c. hinsichtlich § 18b Abs. 1 und 2 die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen;
  4. 1d. hinsichtlich § 18b Abs. 6 die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen;“

Van der Bellen

Nehammer

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