214. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bezüglich der Zusammenarbeit im Bereich der grenzüberschreitenden Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft
214.
Der Nationalrat hat beschlossen:
Der Abschluss des des gegenständlichen Staatsvertrages wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.
Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bezüglich der Zusammenarbeit im Bereich der grenzüberschreitenden Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft
Die Republik Österreich und die Schweizerische Eidgenossenschaft, nachstehend "Parteien" genannt,
- — in der Absicht, ihre Zusammenarbeit auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung und der Berücksichtigung der Interessen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu fördern;
- — im Bestreben, das gegenseitige Vertrauen, die Sicherheit und die Stabilität in Europa zu stärken;
- — unter Betonung der langjährigen und tiefgehenden Beziehungen sowie der guten Nachbarschaft der Parteien;
- — in Anbetracht der strategischen Bedeutung des Luftraums für die Sicherheit jedes Staates;
- — im Wunsch, einen geeigneten Rahmen für die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums festzulegen;
- — unter Berücksichtigung des Übereinkommens vom 19. Juni 1995 zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen Kundgemacht in BGBl. III Nr. 136/1998., nachstehend "PfP-Truppenstatut" genannt, und des Zusatzprotokolls Kundgemacht in BGBl. III Nr. 137/1998. vom 19. Juni 1995 zu dem Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrags und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen;
- — in Übereinstimmung mit ihren internationalen Verpflichtungen;
haben Folgendes vereinbart:
Artikel 1: Zweck und Geltungsbereich
1. Zweck dieses Abkommens ist die Festlegung der Bedingungen und Formen der bilateralen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft, nachstehend "Zusammenarbeit" genannt, sowie die Bestimmung der Rechtsstellung des involvierten militärischen und zivilen Personals und von dessen Angehörigen, die von einer Partei in das Staatsgebiet der anderen Partei entsandt werden.
2. Dieses Abkommen gilt nicht für die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen gegen militärische Bedrohungen.
Artikel 2: Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Abkommens gelten die folgenden Begriffe:
a) "Empfangende Partei" ist die Partei, in deren Staatsgebiet Aktivitäten der Zusammenarbeit stattfinden.
b) "Entsendende Partei" ist die Partei, die Personal und Mittel in das Staatsgebiet der anderen Partei zur Teilnahme an den Aktivitäten der Zusammenarbeit entsendet.
c) "Personal der entsendenden Partei" ist das militärische und zivile Personal der Streitkräfte und des für Verteidigung zuständigen Ministeriums des Entsendestaates, das an Aktivitäten der Zusammenarbeit teilnimmt, sowie dessen Angehörige.
d) "Nichtmilitärische Bedrohung aus der Luft" ist eine Bedrohung, die durch ein bemanntes oder unbemanntes Luftfahrzeug ausgelöst wird, das im Verdacht steht, rechtswidrig verwendet zu werden, und somit eine Partei durch eine Verletzung ihrer Lufthoheit potenziell gefährdet.
e) "Einsatzbehörde" bezeichnet die für die Durchführung von Maßnahmen zur Sicherung des Luftraums jeweils national zuständige Behörde.
Artikel 3: Souveränität
Die Zusammenarbeit erfolgt unter Achtung der Souveränität sowie der jeweiligen Befugnisse der Parteien und ändert nichts an der völkerrechtlichen Zuständigkeit der Parteien zur Sicherung ihres eigenen Luftraums.
Artikel 4: Zuständigkeiten und Durchführungsvereinbarungen
1. Für die Umsetzung dieses Abkommens sind zuständig:
- — in der Republik Österreich der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport und
- — in der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport.
2. Die in Absatz 1 genannten Behörden legen in Durchführungsvereinbarungen die zur Umsetzung dieses Abkommens erforderlichen Einzelheiten fest.
Artikel 5: Maßnahmen der Zusammenarbeit
1. Im Rahmen der Zusammenarbeit tauschen die Parteien systematisch Daten und Auskünfte aus, insbesondere bezüglich der allgemeinen Luftlage sowie der Interventionskapazitäten der Parteien gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft.
2. Die Parteien sehen die folgenden Maßnahmen zur Identifikation verdächtiger Luftfahrzeuge im Sinne von Artikel 2 lit. d durch ihre Luftfahrzeuge vor, die im Rahmen der Zusammenarbeit ergriffen werden können:
a) Überwachung und Verfolgung, auch ohne für den Überwachten sichtbar zu werden;
b) visuelle Identifizierung;
c) Begleitung;
d) Erstellen eines visuellen Nachweises;
e) Befragung.
3. Die Parteien sehen die folgenden Maßnahmen zur Intervention gegen verdächtige Luftfahrzeuge im Sinne von Artikel 2 lit. d durch ihre Luftfahrzeuge vor, die im Rahmen der Zusammenarbeit ergriffen werden können:
a) Aufforderung per Funk oder Zeichen zur Änderung der Flugroute;
b) Aufforderung per Funk oder Zeichen zur Landung auf einem bezeichneten Flugplatz;
c) Erkennbarmachung der Anwesenheit der Luftfahrzeuge, die im Rahmen der Zusammenarbeit eingesetzt sind, durch Einsatz von Infrarotlockzielen, um der Aufforderung nach lit. a und b Nachdruck zu verleihen.
4. Für die Zusammenarbeit können alle technischen Mittel eingesetzt werden, die zur Sicherung des Luftraums beitragen.
5. Der entsendenden Partei ist der Einsatz von Waffen im Staatsgebiet der empfangenden Partei nicht gestattet.
Artikel 6: Grenzüberschreitender Einsatz
1. Im Rahmen der Zusammenarbeit entscheidet die jeweilige Einsatzbehörde einer Partei, ob sie einen Einsatz eigener Luftfahrzeuge im Luftraum der anderen Partei durchführt, und teilt dies der Einsatzbehörde der empfangenden Partei unverzüglich mit.
2. Der Einsatz von Luftfahrzeugen einer Partei im Luftraum der anderen Partei zum Zwecke der Umsetzung dieses Abkommens ist zulässig und bedarf keiner weiteren Genehmigungen.
3. Die Einsatzbehörden beider Parteien koordinieren den Einsatz von Luftfahrzeugen der entsendenden Partei im Luftraum der empfangenden Partei. Die Einsatzbehörde der empfangenden Partei kann den Einsatz jederzeit zeitlich und örtlich begrenzen oder dessen Beendigung verlangen. Die entsendende Partei wird solchen Verlangen nachkommen.
4. Die Einsatzbehörde der empfangenden Partei übernimmt so rasch wie möglich die Leitung des Einsatzes von nach Absatz 2 eingesetzten Luftfahrzeugen der entsendenden Partei und erteilt die dafür notwendigen Anordnungen bezüglich der zu ergreifenden Maßnahmen. Die Einsatzbehörde der empfangenden Partei stellt sicher, dass die angeordneten Maßnahmen nach diesem Abkommen zulässig sind.
5. Ist die empfangende Partei im Rahmen der Zusammenarbeit außerstande, die Leitung von nach Absatz 2 eingesetzten Luftfahrzeugen der entsendenden Partei zu übernehmen, oder ist dies unzweckmäßig, kann die entsendende Partei dennoch alle notwendigen Maßnahmen nach Artikel 5 Absatz 2 und 3 ergreifen; Absatz 3 gilt sinngemäß.
Artikel 7: Einsatz in grenznahen temporären Flugbeschränkungs- oder Luftsperrgebieten
1. Bei Bedarf stimmen sich die Parteien bei der Festlegung temporärer Flugbeschränkungs- oder Luftsperrgebiete im grenznahen Raum so ab, dass zusammenhängende temporäre Flugbeschränkungs- oder Luftsperrgebiete beidseits der gemeinsamen Grenze entstehen. Die Parteien koordinieren ihre Maßnahmen zur Veröffentlichung und Durchsetzung solcher Gebiete.
2. Für die Dauer des Bestehens von Flugbeschränkungs- oder Luftsperrgebieten nach Absatz 1 können beide Parteien im Luftraum dieser Gebiete alle notwendigen Maßnahmen nach Artikel 5 Absatz 2 und 3 ergreifen. Die Einsatzbehörden koordinieren die Maßnahmen.
Artikel 8: Unterstützungsmaßnahmen
Im Rahmen der Zusammenarbeit ermöglicht die empfangende Partei der entsendenden Partei den optimalen Einsatz ihrer Mittel. Dies umfasst insbesondere:
a) die grundsätzlich vorrangige Behandlung von Luftfahrzeugen der entsendenden Partei im Luftraum der empfangenden Partei;
b) die Zuweisung angemessener Warteräume im eigenen Luftraum;
c) die Landeerlaubnis auf dem Gebiet der empfangenden Partei;
d) die Starterlaubnis an jedes gelandete Luftfahrzeug der entsendenden Partei zum neuen Einsatz oder zur Rückkehr in das Staatsgebiet der entsendenden Partei;
e) die Erlaubnis, notwendige Wartungs- oder Reparaturarbeiten an Luftfahrzeugen der entsendenden Partei vorzunehmen, die auf einem Flugplatz der empfangenden Partei gelandet sind, sowie deren bestmögliche Unterstützung;
f) die Erlaubnis der Ein- und Ausreise sowie des Aufenthalts des benötigten Wartungs- und Reparaturpersonals;
g) die Erlaubnis der steuer- und abgabefreien Ein- und Ausfuhr von Material, das für die Wartungs- und Reparaturarbeiten nach lit. e benötigt wird, sowie von Ersatzteilen.
Artikel 9: Gemeinsame Übungen
Die Parteien führen regelmäßig gemeinsame grenzüberschreitende Übungen zur Vorbereitung der Zusammenarbeit durch.
Artikel 10: Flugsicherheit
1. Die Parteien sind für den technischen Zustand und die Lufttüchtigkeit der von ihnen eingesetzten Luftfahrzeuge, für deren Ausrüstung und deren sicheres Funktionieren verantwortlich.
2. Im Falle von Unfällen oder Zwischenfällen mit Luftfahrzeugen der entsendenden Partei im Staatsgebiet der empfangenden Partei werden alle technischen Untersuchungen und Verfahren in Übereinstimmung mit der nationalen Gesetzgebung der empfangenden Partei durchgeführt. Die empfangende Partei stellt der entsendenden Partei unverzüglich alle Daten und relevanten Informationen zum Unfall oder zum Zwischenfall zur Verfügung.
3. Die entsendende Partei kann Sachverständige benennen, die das Recht zur Mitwirkung in der Untersuchungskommission der empfangenden Partei sowie zum Zugang zur Unfallstelle und zum Erhalt aller einschlägigen Informationen haben. Der Bericht über die Ergebnisse der Untersuchung ist der entsendenden Partei zu übermitteln.
4. Die empfangende Partei kann auf Ersuchen der entsendenden Partei Sachverständige der entsendenden Partei mit der Durchführung von Teilen der Untersuchung beauftragen.
5. Ergänzend zu den Absätzen 3 und 4 und ohne die Untersuchungen der empfangenden Partei zu behindern, kann die entsendende Partei in Abstimmung mit der empfangenden Partei eine eigene technische Untersuchung eines Unfalls oder Zwischenfalls im Staatsgebiet der empfangenden Partei, in den ein Luftfahrzeug der entsendenden Partei involviert ist, durchführen. Die Kosten einer derartigen Untersuchung werden von der entsendenden Partei getragen.
Artikel 11: Rechtsstellung
1. Die Rechtsstellung des Personals der entsendenden Partei während seines Aufenthalts auf dem Staatsgebiet der empfangenden Partei und die Beurteilung von Schadenersatzansprüchen richten sich nach dem PfP-Truppenstatut und seinem Zusatzprotokoll.
2. Das Personal der entsendenden Partei hat während seines Aufenthalts im Staatsgebiet der empfangenden Partei die nationale Gesetzgebung der empfangenden Partei zu beachten, einschließlich der geltenden Umweltschutz- und Sicherheitsbestimmungen.
3. Die empfangende Partei stellt sicher, dass die für den Aufenthalt des Personals der entsendenden Partei in ihrem Staatsgebiet notwendigen administrativen Voraussetzungen bestehen, und unterstützt das Personal der entsendenden Partei in technischen und logistischen Belangen.
4. Das Personal der entsendenden Partei ist während seines Aufenthalts im Staatsgebiet der empfangenden Partei berechtigt, die militärische Uniform nach den Bestimmungen und Vorschriften der entsendenden Partei zu tragen.
Artikel 12: Medizinische Versorgung
1. Die Parteien entsenden nur Personal, das ausreichend gegen Krankheit und Unfall versichert ist.
2. Medizinische Nothilfe für das Personal der entsendenden Partei wird kostenlos durch die empfangende Partei erbracht. Auf Verlangen der entsendenden Partei werden die weitere Behandlung von Patienten sowie deren Überführung in medizinische Einrichtungen durch die empfangende Partei durchgeführt oder veranlasst. In diesen Fällen übernimmt die entsendende Partei die anfallenden Kosten, soweit nicht eine Versicherung diese Kosten übernimmt.
Artikel 13: Kosten der Umsetzung des Abkommens
Jede Partei trägt ihre mit der Umsetzung dieses Abkommens verbundenen Kosten selbst.
Artikel 14: Suspendierung des Abkommens
Jede Partei kann dieses Abkommen im Falle eines bewaffneten Konflikts, einer Krise oder aus einem anderen Grund von nationalem Interesse durch Notifikation an die andere Partei suspendieren. Die Suspendierung kann mit sofortiger Wirkung erfolgen.
Artikel 15: Beilegung von Streitigkeiten
Allfällige Streitigkeiten, die sich bei der Umsetzung oder der Auslegung dieses Abkommens zwischen den Parteien ergeben, werden auf dem Verhandlungsweg beigelegt.
Artikel 16: Außerkrafttreten bestehender Vereinbarungen
Mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens tritt das Abkommen vom 15. April 2008 zwischen der Österreichischen Bundesregierung und dem Schweizerischen Bundesrat bezüglich der Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft1 und dessen Durchführungsvereinbarung2 vom 2. und 4. Juni 2008 außer Kraft.
Artikel 17: Schlussbestimmungen
1. Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation durch beide Parteien. Es tritt am ersten Tag des dritten Monats nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
2. Dieses Abkommen kann im gegenseitigen Einverständnis der Parteien jederzeit schriftlich geändert werden.
3. Dieses Abkommen gilt für unbestimmte Dauer. Jede Partei kann es unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten jederzeit durch schriftliche Notifikation an die andere Partei kündigen. Diese Kündigung stellt die aus der Zusammenarbeit im Rahmen dieses Abkommens bereits entstandenen Rechte und Pflichten der beiden Parteien nicht in Frage.
Geschehen in Wals-Siezenheim, am 28. September 2017, in zwei Ausfertigungen in deutscher Sprache.
Für die Republik Österreich Hans Peter Doskozil m. p. | Für die Schweizerische Eidgenossenschaft Guy Parmelin m. p. |
Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am 20. November 2018 ausgetauscht; das Abkommen tritt daher gemäß seinem Art. 17 Abs. 1 mit 1. Februar 2019 in Kraft.
Kurz
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