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BGBl III 78/2017

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

(NR: GP XXV RV 1469 AB 1571 S. 173. BR. AB 9780 S. 866.)

78. Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit

78.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Vertrag

zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit

Die Republik Österreich, die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Fürstentum Liechtenstein,

nachstehend «die Vertragsstaaten» genannt,

in der Absicht, zum Zwecke der Wahrnehmung gemeinsamer Sicherheitsinteressen zusammenzuarbeiten,

im Bestreben, durch ihre Zusammenarbeit einen wirksamen Beitrag zur Vorbeugung und Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere der organisierten Kriminalität, des Drogenhandels, des Menschenhandels, der Korruption sowie des Terrorismus zu leisten,

in Weiterentwicklung des Vertrags zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden11 Kundgemacht in BGBl. III Nr. 120/2001. vom 27. April 1999,

im Lichte der Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Fürstentums Liechtenstein an der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit der Europäischen Union, insbesondere im Rahmen ihrer Schengen-Assoziierung,

in der Absicht, die bestehende, enge polizeiliche Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und einen Beitrag zur Sicherheit des Straßenverkehrs zu leisten,

im Bestreben nach einer weiteren Entwicklung des polizeilichen Amtshilfeverkehrs,

unter Beachtung der Grundrechte, wie sie sich aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten22 Kundgemacht in BGBl. Nr. 210/1958 zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 47/2010. vom 4. November 1950 und dem Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten33 Kundgemacht in BGBl. Nr. 317/1988. vom 28. Jänner 1981 in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll44 Kundgemacht in BGBl. III Nr. 91/2008. vom 8. November 2001 hiezu und unter Berücksichtigung der Empfehlung Nr. R (87) 15 des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten über die Nutzung personenbezogener Daten im Polizeibereich vom 17. September 1987, sowie den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Vertragsstaaten ergeben, insbesondere in dem Bewusstsein, dass eine Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit die Gewährleistung eines angemessenen Datenschutzniveaus durch den empfangenden Vertragsstaat voraussetzt,

sind wie folgt übereingekommen:

Kapitel I

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1
Zweck des Abkommens

Die Vertragsstaaten verstärken die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, der Kriminalitätsbekämpfung, im fremdenpolizeilichen Bereich und im Bereich der Sicherheit des Straßenverkehrs. Weiters verstärken sie die Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs. Sie handeln dabei unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der anderen Vertragsstaaten.

Artikel 2
Innerstaatliches Recht

Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, erfolgt die Zusammenarbeit im Rahmen des jeweiligen innerstaatlich anwendbaren Rechts.

Artikel 3
Verhältnis zu internationalen Regelungen

(1) Dieser Vertrag lässt internationale Verpflichtungen der Vertragsstaaten unberührt, insbesondere die Regelung des Schengen- und Dublin-Besitzstandes und deren Weiterentwicklungen, soweit diese für die Vertragsstaaten anwendbar sind, sowie die Regelungen im Rahmen der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation, IKPO.

(2) Durch diesen Vertrag werden die Vorschriften über die Amts- und Rechtshilfe und sonstige zwischen den Vertragsstaaten anwendbare zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte nicht berührt, so namentlich das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich vom 9. Juni 1997, das Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen vom 26. Oktober 2004 sowie der Vertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29. März 1923.

Artikel 4
Behörden und Grenzgebiete

(1) Sofern in diesem Vertrag nicht anders geregelt, sind die zuständigen Behörden im Sinne dieses Vertrages:

Auf Seiten der Republik Österreich:

  1. Der Bundesminister für Inneres, die Landespolizeidirektionen sowie außerhalb des Gebietes jener Gemeinden, in denen eine Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist (§ 8 Sicherheitspolizeigesetz), die Bezirksverwaltungsbehörden (nachstehend: Sicherheitsbehörden); in Angelegenheiten der Straßenpolizei, die Landesregierungen und Bezirksverwaltungsbehörden,

Auf Seiten der Schweizerischen Eidgenossenschaft:

  1. Das Bundesamt für Polizei, die Eidgenössische Zollverwaltung, inkl. das Grenzwachtkorps und die Polizei- und Fremdenpolizeibehörden der Kantone sowie das Bundesamt für Migration nach Maßgabe der innerstaatlichen Kompetenzordnung (nachstehend: Sicherheitsbehörden),

Auf Seiten des Fürstentums Liechtenstein:

  1. Die Landespolizei sowie das Ausländer- und Passamt nach Maßgabe der innerstaatlichen Kompetenzordnung (nachstehend: Sicherheitsbehörden).

(2) Nationale Zentralstellen im Sinne dieses Vertrages sind:

  1. Auf Seiten der Republik Österreich: der Bundesminister für Inneres,
  2. Auf Seiten der Schweizerischen Eidgenossenschaft: das Bundesamt für Polizei,
  3. Auf Seiten des Fürstentums Liechtenstein: die Landespolizei.

(3) Als Grenzgebiete im Sinne dieses Abkommens gelten:

  1. In der Republik Österreich: die Bundesländer Vorarlberg und Tirol,
  2. in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: die Gebiete der Kantone St. Gallen und Graubünden, sowie
  3. im Fürstentum Liechtenstein: das gesamte Hoheitsgebiet.

(4) Die Behörden der Vertragsstaaten unterrichten einander über die jeweilige innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und über Änderungen in der Bezeichnung der Behörden.

Kapitel II

Allgemeine Formen der Zusammenarbeit

Artikel 5
Gemeinsame Sicherheitsinteressen

Die Vertragsstaaten unterrichten einander über die Schwerpunkte ihrer Kriminalitätsbekämpfung sowie über bedeutsame Vorhaben auf polizeilichem Gebiet mit Auswirkungen auf die Belange der anderen Vertragsstaaten. Sie tragen bei der Erarbeitung polizeilicher Konzepte und der Durchführung polizeilicher Maßnahmen den gemeinsamen Sicherheitsinteressen angemessen Rechnung. Ist ein Vertragsstaat der Auffassung, dass die anderen Vertragsstaaten gewisse Maßnahmen zur Gewährleistung der gemeinsamen Sicherheit ergreifen sollen, so kann er dazu einen Vorschlag unterbreiten.

Artikel 6
Lageanalysen

Die Vertragsstaaten streben einen möglichst einheitlichen Informationsstand über die polizeiliche Sicherheitslage an. Zu diesem Zweck tauschen sie periodisch oder anlassbezogen Lageanalysen aus und erstellen nach Vereinbarung gemeinsame Analysen.

Artikel 7
Zusammenarbeit auf Ersuchen

(1) Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten leisten entsprechend ihrer jeweiligen Zuständigkeiten im Rahmen dieses Vertrages Amtshilfe, soweit ein Ersuchen oder dessen Erledigung nach national anwendbarem Recht nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Ist die ersuchte Behörde für die Erledigung nicht zuständig, leitet sie das Ersuchen an die zuständige Behörde weiter. Dies gilt auch dann, wenn die zuständige Behörde eine Justizbehörde ist, sofern das Ersuchen nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Die ersuchte Behörde unterrichtet die ersuchende Behörde über die Weiterleitung und die für die Erledigung des Ersuchens zuständige Behörde.

(2) Ersuchen nach Absatz 1 zur Kriminalitätsbekämpfung und die Beantwortung werden grundsätzlich zwischen den nationalen Zentralstellen der Vertragsstaaten übermittelt und von diesen beantwortet.

(3) Abweichend von Absatz 2 können diese Ersuchen und die Beantwortung unmittelbar zwischen den zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten erfolgen, sofern:

  1. a) sich der grenzüberschreitende Dienstverkehr auf Straftaten bezieht, bei denen der Schwerpunkt der Tat und ihrer Verfolgung in den Grenzgebieten im Sinne des Artikels 4 Absatz 3 liegt, oder
  2. b) die Ersuchen nicht rechtzeitig über den Geschäftsweg zwischen den nationalen Zentralstellen gestellt werden können, oder
  3. c) eine direkte Zusammenarbeit aufgrund von tat- oder täterbezogenen Zusammenhängen im Rahmen abgrenzbarer Fallgestaltungen zweckmäßig ist und dazu die Zustimmung der jeweiligen nationalen Zentralstellen vorliegt.

(4) Ersuchen um Hilfe zur Abwehr von unmittelbar drohenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung werden jeweils unmittelbar zwischen den zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten übermittelt und beantwortet.

(5) Ersuchen nach den Absätzen 1 bis 4 können insbesondere betreffen:

  1. a) Halterfeststellungen und Fahrerermittlungen bei Straßen-, Wasser- und Luftfahrzeugen,
  2. b) Anfragen nach Führerscheinen, Schifffahrtspatenten und vergleichbaren Berechtigungen,
  3. c) Aufenthalts- und Wohnsitzfeststellungen, Aufenthaltsberechtigungen,
  4. d) Feststellung von Telefonanschlussinhabern und Inhabern sonstiger Telekommunikationseinrichtungen,
  5. e) Identitätsfeststellungen,
  6. f) Informationen über die Herkunft von Sachen, beispielsweise Waffen, Kraftfahrzeugen und Wasserfahrzeugen (Verkaufsweganfrage),
  7. g) Abstimmung von und Einleitung erster Fahndungsmaßnahmen,
  8. h) Informationen aus grenzüberschreitenden Observationsmaßnahmen, kontrollierten Lieferungen und verdeckten Ermittlungen,
  9. i) Informationen bei grenzüberschreitender Nacheile,
  10. j) Feststellung der Aussagebereitschaft eines Zeugen zur Vorbereitung eines Rechtshilfeersuchens,
  11. k) erste polizeiliche Befragungen und Vernehmungen,
  12. l) Spurenabklärungen,
  13. m) polizeiliche Erkenntnisse aus Datensammlungen und polizeilichen Unterlagen sowie Auskünfte aus öffentlich zugänglichen behördlichen Datensammlungen.

(6) Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten übermitteln einander im Einzelfall für fremdenrechtliche Zwecke einschließlich entsprechender polizeilicher Überprüfungen auf Anfrage hin personenbezogene Daten von Drittstaatsangehörigen, die für die Beurteilung der Einreise- und Aufenthaltsberechtigung von Bedeutung sind. Die übermittelten Daten können den zur Regelung des Aufenthaltes und der Erteilung von Visa zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden.

(7) Die Sicherheitsbehörden können einander ferner Ersuchen im Auftrag der zuständigen Justizbehörden stellen und im Sinne von Absatz 2 und 3 übermitteln und beantworten.

(8) Die Unterrichtung der nationalen Zentralstellen über ein- und ausgehende direkte Ersuchen erfolgt nach Maßgabe des nationalen Rechts.

(9) Im Verhältnis zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft gilt der direkte Dienstverkehr für alle polizeilichen Informationsübermittlungen.

Artikel 8
Amtshilfe in dringenden Fällen

(1) In Fällen, in denen das Ersuchen nicht rechtzeitig an die zuständigen Justizbehörden gestellt werden kann ohne den Erfolg der Maßnahme zu gefährden, können Ersuchen zur Spuren- und Beweissicherung einschließlich der Durchführung von körperlichen Untersuchungen sowie von Personen- und Hausdurchsuchungen oder Ersuchen um vorläufige Festnahmen von den zuständigen Sicherheitsbehörden unmittelbar an die Sicherheitsbehörden des anderen Vertragsstaates übermittelt werden. Artikel 7 Absatz 2 und 3 gilt sinngemäß.

(2) Die Sicherheitsbehörden unterrichten die zuständigen Justizbehörden des eigenen Staates über die nach Absatz 1 erfolgte Amtshilfe.

Artikel 9
Erste polizeiliche Befragung nach Unfällen

Beamte der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates dürfen in Anwesenheit eines Beamten der zuständigen Sicherheitsbehörde eines anderen Vertragsstaates nach Unfällen Personen befragen, die in Krankenhäusern dieses anderen Vertragsstaates eingeliefert wurden, sofern sie nach dem nationalen Recht ihres Vertragsstaates dazu befugt sind und die zuständige Sicherheitsbehörde des anderen Vertragsstaates dies genehmigt.

Artikel 10
Informationsübermittlung ohne Ersuchen

Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten teilen einander ohne Ersuchen Informationen mit, die für den Empfänger zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten von Bedeutung sein können. Für die Durchführung des Informationsaustausches gilt Artikel 7 Absätze 2, 3, 4 und 8 sinngemäß.

Artikel 11
Zusammenarbeit bei der Aus- und Fortbildung

Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten arbeiten bei der Aus- und Fortbildung zusammen, indem sie insbesondere:

  1. a) Lehrpläne für die Aus- und Fortbildung austauschen und die wechselseitige Übernahme von Ausbildungs- und Fortbildungsinhalten erwägen,
  2. b) gemeinsame Aus- und Fortbildungsseminare veranstalten,
  3. c) grenzüberschreitende Übungen durchführen,
  4. d) Vertreter der anderen Vertragsstaaten als Beobachter zu Übungsveranstaltungen und besonderen Einsätzen einladen sowie
  5. e) Vertretern der anderen Vertragsstaaten die Teilnahme an Fortbildungslehrgängen ermöglichen.

Kapitel III

Automatisierter Daten- und Informationsaustausch

Artikel 12
Informationsübermittlung im automatisierten Verfahren

(1) Die nationalen Zentralstellen können einander für die jeweiligen nationalen Fahndungssysteme im automatisierten Verfahren bei ihnen gespeicherte nationale Ausschreibungen übermitteln

  1. a) zur Festnahme zum Zwecke der Auslieferung,
  2. b) zur Aufenthaltsermittlung und zur Ingewahrsamnahme von Personen,
  3. c) zur Aufenthaltsermittlung für Zwecke der Strafverfolgung,
  4. d) zur verdeckten Registrierung,
  5. e) zur Sachfahndung.

    Die Ausschreibungen gelten als Ersuchen um Durchführung der begehrten Maßnahmen.

(2) Datenkategorien sind Personendaten gemäß nachfolgender Aufzählung sowie im Einzelfall bekannte Fahrzeugdaten.

In Bezug auf Personen werden die folgenden Angaben mitgeteilt:

  1. a) Familienname und Vorname sowie gegebenenfalls frühere Namen und

    Aliasnamen,

  1. b) besondere unveränderliche physische Merkmale,
  2. c) erster Buchstabe des zweiten Vornamens oder weitere Vornamen,
  3. d) Geburtsort und -datum,
  4. e) Geschlecht,
  5. f) Staatsangehörigkeit,
  6. g) Vor- und Familiennamen der Eltern sowie gegebenenfalls deren frühere Namen,
  7. h) die personenbezogenen Hinweise „bewaffnet“ und „gewalttätig“,
  8. i) Ausschreibungsgrund,
  9. j) zu ergreifende Maßnahmen.

(3) Sofern der ersuchte Vertragsstaat eine Ausschreibung mit seinem nationalen Recht, mit internationalen Verpflichtungen oder mit wesentlichen nationalen Interessen für nicht vereinbar hält, ist er berechtigt, die mit der Ausschreibung begehrten Maßnahmen in seinem Hoheitsgebiet nicht zu vollziehen. Hierüber ist der ersuchende Vertragsstaat unter Angabe von Gründen zu unterrichten.

(4) Die Vertragsstaaten teilen einander aufgrund der nach Absatz 1 lit. b übermittelten Ausschreibungen Informationen über den Wohnsitz oder Aufenthalt folgender Personen mit:

  1. a) volljährige Abgängige bzw. Vermisste,
  2. b) minderjährige Abgängige bzw. Vermisste,
  3. c) Personen, die im Interesse ihres eigenen Schutzes oder zur Gefahrenabwehr auf Ersuchen der zuständigen Behörde vorläufig in Gewahrsam genommen oder aufgrund einer Anordnung einer zuständigen Stelle zwangsweise untergebracht werden müssen.

    Wird der Aufenthalt einer nach lit. a ausgeschriebenen Person im ersuchten Vertragsstaat ermittelt, bedarf die Mitteilung der Einwilligung des Betroffenen.

(5) Die Vertragsstaaten teilen einander aufgrund der nach Absatz 1 lit. c übermittelten Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung für Strafverfolgungszwecke Informationen über den Wohnsitz oder Aufenthalt folgender Personen mit:

  1. a) Zeugen,
  2. b) Personen, die im Rahmen eines Strafverfahrens als Verdächtigte, Beschuldigte oder Angeklagte vor Justizbehörden erscheinen müssen,
  3. c) Personen, denen ein Strafurteil oder die Ladung zum Antritt einer Freiheitsentziehung zugestellt werden muss.

(6) Die Vertragsstaaten teilen einander aufgrund der nach Absatz 1 lit. d übermittelten Ausschreibungen zur verdeckten Registrierung die anlässlich von Grenzkontrollen und sonstigen polizeilichen Überprüfungen oder Beobachtungen erlangten nachstehenden Informationen mit:

  1. a) Antreffen der ausgeschriebenen Person oder des ausgeschriebenen Fahrzeugs,
  2. b) Ort, Zeit oder Anlass der Überprüfung,
  3. c) Reiseweg und Reiseziel,
  4. d) Begleitpersonen oder Insassen,
  5. e) Daten des benutzten Fahrzeugs,
  6. f) mitgeführte Sachen,
  7. g) Umstände des Antreffens der Person oder des Fahrzeugs.

    Bei der Erhebung dieser Daten ist darauf zu achten, dass der verdeckte Charakter der Maßnahmen nicht gefährdet wird.

(7) Die nationalen Zentralstellen halten bei ihnen gespeicherte Daten, die der Suche nach Sachen dienen (Sachfahndung), zum Abruf im automatisierten Verfahren für die jeweils andere Zentralstelle und die übrigen Sicherheitsbehörden bereit. Von den übrigen Sicherheitsbehörden gestellte Abfragen sind an die jeweilige nationale Zentralstelle zur Weiterleitung zu übermitteln. Die nationalen Zentralstellen der Vertragsstaaten sind berechtigt, den übrigen Sicherheitsbehörden im automatisierten Verfahren den Zugriff auf die erlangten Daten zu ermöglichen.

(8) Es werden ausschließlich Daten zur Verfügung gestellt, die für die in Absatz 1 vorgesehenen Zwecke erforderlich sind. Der ausschreibende Vertragsstaat prüft, ob die Bedeutung des Falles eine Übermittlung rechtfertigt.

(9) Die nach Absatz 1 übermittelten Daten dürfen nur so lange gespeichert werden, wie dies das nationale Recht des übermittelnden Vertragsstaates gestattet. Bei der Übermittlung sind diese Fristen mitzuteilen. Eine Löschung der Ausschreibung im übermittelnden Vertragsstaat vor Ablauf dieser Frist wird dem anderen Vertragsstaat unverzüglich mitgeteilt. Dieser hat die entsprechende Ausschreibung unverzüglich zu löschen.

(10) Die Übermittlung personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn die übermittelten Daten zu keinen anderen als den der Übermittlung zugrundeliegenden Zwecken verwendet werden.

Artikel 13
Austausch von Fahrzeug- und Halterdaten

(1) Halter- und Fahrzeugdaten aus nationalen Fahrzeugregistern dürfen von den Vertragsstaaten auf Ersuchen übermittelt werden, soweit dies zur

  1. a) Kriminalitätsbekämpfung,
  2. b) Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder
  3. c) Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Straßenverkehrsvorschriften notwendig ist.

(2) Die Vertragsstaaten halten für die Erledigung von Ersuchen, die im nicht automatisierten oder automatisierten Verfahren unter Angabe von Fahrzeugkennzeichen gestellt werden, folgende bei ihnen gespeicherte Daten bereit:

  1. a) Halterdaten:
    1. bei juristischen Personen und Behörden: Name oder Bezeichnung sowie Adresse.
  • bei natürlichen Personen: Familienname, Vorname und Adresse;
  1. b) Fahrzeugdaten:
  • Kennzeichen und Fahrgestellnummer (Fahrzeugidentifizierungsnummer - VIN);
  • Fahrzeugtyp, Marke und Modell.

(3) Der Abruf darf nur unter Verwendung einer vollständigen Fahrzeugidentifizierungsnummer oder eines vollständigen Kennzeichens und nach Maßgabe des nationalen Rechts des abrufenden Vertragsstaates erfolgen.

(4) Die Einzelheiten über die zuständigen Behörden und die Ausgestaltung des Verfahrens werden von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten in einer Durchführungsvereinbarung geregelt.

Kapitel IV

Besondere Formen der polizeilichen Zusammenarbeit

Artikel 14
Grenzüberschreitende Observation

(1) Die Beamten der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates dürfen eine Observation in einem Ermittlungsverfahren wegen einer im ersuchten Staat auslieferungsfähigen Straftat auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates fortsetzen, wenn dieser auf Grund eines Ersuchens zugestimmt hat.

(2) Gleiches gilt für eine Observation:

  1. a) einer Person, bei der ernsthaft anzunehmen ist, dass sie zur Identifizierung oder Auffindung einer Person beitragen kann, die der Beteiligung an einer auslieferungsfähigen Straftat verdächtig ist,
  2. b) mit dem Ziel der Sicherstellung der Strafvollstreckung,
  3. c) zur Abwehr auslieferungsfähiger Straftaten,
  4. d) um eine bestimmte von einer Person geplante auslieferungsfähige Straftat noch während ihrer Vorbereitung verhindern zu können, oder
  5. e) zur Abwehr bandenmäßiger oder organisierter Kriminalität.

(3) Observationen auf Grund einer vorherigen Zustimmung gemäß Absatz 2 lit. c bis e sind nur zulässig,

  1. a) sofern sie nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Vertragsstaates zulässig sind, und
  2. b) soweit ein Ersuchen nicht gemäß Absatz 1 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gestellt werden kann und
  3. c) wenn der Zweck der Observation nicht durch Übernahme der Amtshandlung durch Beamte des ersuchten Vertragsstaates oder durch Bildung gemeinsamer Observationsgruppen nach Artikel 19 erreicht werden kann.

(4) Die Zustimmung gilt für das gesamte Hoheitsgebiet und kann mit Auflagen verbunden werden. Das Überschreiten der Grenze darf auch außerhalb zugelassener Grenzübergänge und festgesetzter Verkehrsstunden erfolgen.

(5) Kann wegen besonderer Dringlichkeit eine vorherige Zustimmung nicht beantragt werden, darf eine Observation grenzüberschreitend fortgesetzt werden, sofern der Grenzübertritt unverzüglich der zuständigen Behörde des betroffenen Vertragsstaates mitgeteilt wird. Ein Ersuchen gemäß Absatz 1 ist ohne Verzug nachzureichen.

(6) Jeder Grenzübertritt ist unverzüglich an die Behörde des anderen Vertragsstaates zu melden.

(7) Eine Observation ist einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet sie durchgeführt wird, dies verlangt, oder sofern nicht binnen 12 Stunden nach Grenzübertritt eine Zustimmung des ersuchten Vertragsstaates erfolgt.

(8) Allgemeine Voraussetzungen sind:

  1. a) Die observierenden Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie auftreten, gebunden; sie haben die Anordnungen der örtlich zuständigen Behörden zu befolgen.
  2. b) Das Betreten von Wohnungen und öffentlich nicht zugänglichen Grundstücken ist nicht zulässig. Öffentlich zugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume dürfen während der Arbeits-, Betriebs- und Geschäftszeit betreten werden.
  3. c) Wird die zu observierende Person bei der Begehung von oder der Teilnahme an einer im ersuchten Vertragsstaat auslieferungsfähigen Straftat betreten oder deswegen verfolgt, stehen den observierenden Beamten die Befugnisse zu, die sie im Fall der grenzüberschreitenden Nacheile haben.
  4. d) Über jede Observation wird den Behörden des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie stattgefunden hat, Bericht erstattet; dabei kann das persönliche Erscheinen der observierenden Beamten gefordert werden.
  5. e) Die Behörden des Vertragsstaates, aus dessen Hoheitsgebiet die observierenden Beamten kommen, unterstützen auf Ersuchen die nachträglichen polizeilichen und gerichtlichen Ermittlungen des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet observiert wurde.
  6. f) Zur Durchführung der Observation notwendige technische Mittel dürfen im erforderlichen Umfang eingesetzt werden, soweit dies nach dem Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation fortgesetzt wird, zulässig ist. Die zum Einsatz gelangenden technischen Mittel zur Überwachung von Personen sind im Ersuchen nach Absatz 1 anzuführen.

(9) Zuständige Behörden sind:

  1. a) für Ersuchen nach Absatz 1 und 2:
    1. - in der Republik Österreich: der Bundesminister für Inneres,
    2. - in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: das Bundesamt für Polizei,
    3. - im Fürstentum Liechtenstein: die Landespolizei.
  2. b) für Meldungen nach Absatz 5 und 6:
    1. - in der Republik Österreich: der Bundesminister für Inneres,
    2. - in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: die Kantonspolizei Sankt Gallen oder die Kantonspolizei Graubünden,
    3. - im Fürstentum Liechtenstein: die Landespolizei.

Artikel 15
Grenzüberschreitende Nacheile

(1) Die Beamten der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates dürfen eine Person ohne vorherige Zustimmung eines anderen Vertragsstaates grenzüberschreitend verfolgen, welche

  1. a) bei einer auslieferungsfähigen Straftat betreten oder deswegen verfolgt wird, oder
  2. b) aus einer Untersuchungs- oder Strafhaft, die wegen einer im anderen Vertragsstaat auslieferungsfähigen Straftat verhängt wurde, geflohen ist,

    wenn wegen besonderer Dringlichkeit die Behörden des anderen Vertragsstaates nicht zuvor unterrichtet werden konnten oder nicht rechtzeitig zur Stelle sind, um die Verfolgung zu übernehmen.

(2) Gleiches gilt, wenn sich eine Person innerhalb einer Entfernung von 80 Kilometern von der Staatsgrenze einer polizeilichen Kontrolle entzieht, sofern dabei die Aufforderung zum Anhalten missachtet wurde und in der Folge eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit herbeigeführt wird.

(3) Die nacheilenden Beamten nehmen unverzüglich Kontakt mit den zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates auf. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald diese es verlangen. Auf Ersuchen der nacheilenden Beamten ergreifen die örtlich zuständigen Behörden die betroffene Person nach Maßgabe des nationalen Rechts, um ihre Identität festzustellen oder sie fest zu nehmen.

(4) Wird die Einstellung der Verfolgung nicht verlangt und können die zuständigen Behörden nicht rechtzeitig eingreifen, dürfen die nacheilenden Beamten die Person nach Maßgabe des Rechts des anderen Vertragsstaates festhalten, bis die unverzüglich zu unterrichtenden, örtlich zuständigen Beamten die Identitätsfeststellung, die Festnahme oder weitere Maßnahmen vornehmen.

(5) Die Nacheile wird ohne räumliche und zeitliche Begrenzung ausgeübt. Das Überschreiten der Grenze darf auch außerhalb zugelassener Grenzübergänge und festgesetzter Verkehrsstunden erfolgen.

(6) Allgemeine Voraussetzungen sind:

  1. a) Die nacheilenden Beamten müssen als solche eindeutig erkennbar sein, wie zum Beispiel durch eine Uniform, besondere Kennzeichen oder durch an dem Fahrzeug angebrachte Zusatzeinrichtungen.
  2. b) Die nach Absatz 4 ergriffene Person darf im Hinblick auf ihre Vorführung vor die örtlichen Behörden lediglich einer Sicherheitsdurchsuchung unterzogen werden. Es dürfen ihr während der Beförderung Handschellen angelegt werden. Die von der verfolgten Person mitgeführten Gegenstände dürfen bis zum Eintreffen der örtlich zuständigen Beamten vorläufig sichergestellt werden.
  3. c) Die nacheilenden Beamten melden sich nach jedem Einschreiten gemäß den Absätzen 1 bis 4 unverzüglich bei den örtlich zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates und erstatten Bericht. Auf Ersuchen dieser Behörden sind sie verpflichtet, sich bis zur Klärung des Sachverhalts an Ort und Stelle bereitzuhalten. Gleiches gilt auch, wenn die verfolgte Person nicht festgenommen werden konnte.
  4. d) Artikel 14 Absatz 8 lit. a, b, e und f gilt entsprechend.

(7) Die festgenommene Person kann nach dem Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie aufgegriffen wurde, zur Vernehmung festgehalten werden. Nationale Regelungen, die aus anderen Gründen die Anordnung von Haft oder eine vorläufige Festnahme ermöglichen, bleiben unberührt.

(8) Meldungen nach Absatz 3 sind zu richten an:

  1. - in der Republik Österreich: die Landespolizeidirektionen für die Bundesländer Tirol und Vorarlberg,
  2. - in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: die Kantonspolizei Sankt Gallen oder die Kantonspolizei Graubünden,
  3. - im Fürstentum Liechtenstein: die Landespolizei.

    In Fällen von übergeordneter Bedeutung oder, wenn die Nacheile über das Grenzgebiet gemäß Artikel 4 Absatz 3 hinausgegangen ist, unterrichten diese die nationalen Zentralstellen.

(9) Für die Sicherheitsbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Fürstentums Liechtenstein ist die Nacheile auf dem Gebiet der Kantone St. Gallen und Graubünden sowie des Fürstentums Liechtenstein auch bei Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht zulässig. Die Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein ist aus wichtigen Gründen befugt, für Dienstfahrten die Nationalstraße A13 auf dem Staatsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft entlang der gemeinsamen Staatsgrenzen zu benutzen. Die vorstehenden Absätze gelten sinngemäß.

Artikel 16
Kontrollierte Lieferung

(1) Die Vertragsstaaten können nach vorherigem Ersuchen im eigenen Hoheitsgebiet kontrollierte Lieferungen für auslieferungsfähige Straftaten bewilligen, insbesondere bei unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln, Waffen, Sprengmitteln, Falschgeld, Diebesgut und bei Hehlerei sowie bei Geldwäscherei, wenn nach Ansicht des ersuchenden Vertragsstaates auf andere Weise die Ermittlung von Auftraggebern und anderen Tatbeteiligten oder die Aufdeckung von Verteilerwegen aussichtslos wäre oder wesentlich erschwert würde. Artikel 15 Absatz 5 gilt entsprechend. Die kontrollierte Lieferung kann nach Absprache zwischen den Vertragsstaaten abgefangen und derart zur Weiterbeförderung freigegeben werden, dass sie unangetastet bleibt, entfernt oder ganz oder teilweise ersetzt wird.

(2) Wenn von der Ware ein nicht vertretbares Risiko für die am Transport beteiligten Personen oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, wird die kontrollierte Lieferung vom ersuchten Vertragsstaat beschränkt oder abgelehnt.

(3) Der ersuchte Vertragsstaat übernimmt die Kontrolle der Lieferung beim Grenzübertritt oder an einem vereinbarten Übergabepunkt, um eine Kontrollunterbrechung zu vermeiden. Er stellt im weiteren Verlauf des Transportes dessen ständige Überwachung in der Form sicher, dass er zu jeder Zeit die Möglichkeit des Zugriffs auf die Täter und die Waren hat. Beamte des ersuchenden Vertragsstaates können in Absprache mit dem ersuchten Vertragsstaat die kontrollierte Lieferung nach der Übernahme zusammen mit den übernehmenden Beamten des ersuchten Vertragsstaates weiter begleiten. Sie sind hierbei an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht des ersuchten Vertragsstaates gebunden. Sie haben die Anordnungen der Beamten des ersuchten Vertragsstaates zu befolgen.

(4) Ersuchen um kontrollierte Lieferungen, die in einem Drittstaat beginnen oder fortgesetzt werden, wird nur stattgegeben, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Absatz 3 vom Drittstaat gewährleistet ist.

(5) Artikel 14 Absatz 8 lit. b, c, e und f gilt entsprechend.

(6) Ersuchen um kontrollierte Ausfuhr sind an folgende Behörden zu richten:

  1. - In der Republik Österreich: an den Bundesminister für Inneres oder unter gleichzeitiger Unterrichtung des Bundesministers für Inneres an die Staatsanwaltschaft, in deren Sprengel der Transport beginnt,
  2. - in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: an das Bundesamt für Polizei,
  3. - im Fürstentum Liechtenstein: an die Landespolizei.

Artikel 17
Verdeckte Ermittlungen

(1) Soweit es das jeweilige nationale Recht zulässt, können verdeckte Ermittlungen zum Zwecke der Verhinderung von auslieferungsfähigen Straftaten von erheblicher Bedeutung auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates fortgesetzt werden, wenn dieser der grenzüberschreitenden verdeckten Ermittlung auf der Grundlage eines zuvor gestellten Ersuchens zugestimmt hat.

(2) Die Voraussetzungen des Einsatzes verdeckter Ermittler, die Bedingungen unter denen er stattfindet, sowie die Maßgaben für die Verwendung der Ermittlungsergebnisse werden von dem ersuchten Vertragsstaat unter Beachtung seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegt.

(3) Verdeckte Ermittlungen im Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates beschränken sich auf einzelne, zeitlich begrenzte Einsätze, die in dem Ersuchen nach Absatz 1 anzugeben sind. Ist bei Stellen des Ersuchens erkennbar, dass sich die verdeckten Ermittlungen über einen bestimmten Zeitraum erstrecken werden, können die verdeckten Ermittlungen zunächst für die Dauer von bis zu einem Monat bewilligt werden. Eine Verlängerung der Bewilligung, die mit einer Abänderung der ursprünglich erteilten Bewilligung verbunden sein kann, ist zulässig. Die voraussichtliche Dauer der verdeckten Ermittlungen ist in dem Ersuchen nach Absatz 1 ebenfalls anzugeben. Die Behörden des ersuchenden Vertragsstaates stimmen sich bei der Vorbereitung des Einsatzes mit den zuständigen Behörden des ersuchten Vertragsstaates ab.

(4) Die Leitung des Einsatzes obliegt einem Beamten des ersuchten Vertragsstaates. Das Handeln der Beamten des ersuchenden Vertragsstaates ist dem ersuchten Vertragsstaat zuzurechnen. Der ersuchte Vertragsstaat kann jederzeit die Beendigung der verdeckten Ermittlungen verlangen.

(5) Der ersuchte Vertragsstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um den ersuchenden Vertragsstaat bei der Durchführung personell, logistisch und technisch zu unterstützen und um die Beamten des ersuchenden Vertragsstaates während des Einsatzes auf dem Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates zu schützen.

(6) Zur Absicherung des Einschreitens erforderliche technische Mittel dürfen mitgeführt werden, es sei denn, der ersuchte Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die verdeckten Ermittlungen durchgeführt werden, widerspricht ausdrücklich. Im Übrigen gilt Artikel 14 Absatz 8 lit. f entsprechend.

(7) Kann wegen besonderer Dringlichkeit ein Ersuchen nach Absatz 1 vor dem Grenzübertritt nicht gestellt werden und ist ernsthaft zu befürchten, dass ohne grenzüberschreitende verdeckte Ermittlungen die Identität der eingesetzten Beamten aufgedeckt würde, ist der Einsatz verdeckter Ermittler auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ausnahmsweise ohne vorherige Bewilligung zulässig, wenn im Übrigen die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 bis 3 für den Einsatz verdeckter Ermittler auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates vorliegen. Der Einsatz ist unverzüglich der in Absatz 10 genannten Behörde des anderen Vertragsstaates anzuzeigen. Ein Ersuchen, in dem auch die Gründe dargelegt werden, die einen Einsatz ohne vorherige Zustimmung rechtfertigen, ist unverzüglich nachzureichen. Das Tätigwerden des verdeckten Ermittlers hat sich in diesen Fällen auf das zur Aufrechterhaltung der Legende unumgänglich notwendige Maß zu beschränken.

(8) Über die Durchführung und Ergebnisse des Einsatzes verdeckter Ermittler werden die zuständigen Behörden des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz erfolgte, unverzüglich schriftlich unterrichtet.

(9) Die Vertragsstaaten können einander verdeckte Ermittler zur Verfügung stellen, die im Auftrag und unter Leitung der zuständigen Behörden des jeweils anderen Vertragsstaates tätig werden.

(10) Das Ersuchen ist an die nationalen Zentralstellen gemäß Artikel 4 Absatz 2 zu richten.

Artikel 18
Zeugen- und Opferschutz

(1) Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten arbeiten beim Schutz von Zeugen und deren Angehörigen sowie Opfern (in der Folge „zu schützende Personen“) nach Maßgabe des nationalen Rechts zusammen.

(2) Die Zusammenarbeit umfasst insbesondere den Austausch von Informationen sowie die Übernahme von zu schützenden Personen einschließlich administrativer, technischer und logistischer Unterstützung.

(3) Zur Regelung der Modalitäten der Zusammenarbeit einschließlich der Kosten bei der Übernahme von zu schützenden Personen schließen die zuständigen Behörden in jedem Einzelfall eine gesonderte Vereinbarung gemäß Artikel 57.

(4) Die zu schützenden Personen, die beim ersuchenden Vertragsstaat im Schutzprogramm aufgenommen sind, werden nicht in das Schutzprogramm des ersuchten Vertragsstaates aufgenommen. Bei der Durchführung der Zusammenarbeit im Zusammenhang mit dem Schutz dieser Personen findet das Recht des ersuchten Vertragsstaates entsprechend Anwendung.

(5) Der ersuchende Vertragsstaat trägt für die zu schützenden Personen, sofern erforderlich, die Lebenshaltungskosten und die Kosten der Maßnahmen, um deren Durchführung dieser Vertragsstaat ersucht hat. Der ersuchte Vertragsstaat trägt die Kosten für Personal- und Sachaufwand zum Schutz dieser Personen.

(6) Der ersuchte Vertragsstaat kann bei Vorliegen schwerwiegender Gründe nach vorheriger Information des ersuchenden Vertragsstaates die Zusammenarbeit beenden. Der ersuchende Vertragsstaat hat in solchen Fällen die Verpflichtung, die zu schützenden Personen zurückzunehmen.

Artikel 19
Gemeinsame Einsatzformen

(1) Zur Intensivierung der Zusammenarbeit können die zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten gemeinsame Streifen, gemeinsam besetzte Kontroll-, Auswertungs- und Observationsgruppen sowie sonstige gemeinsame Einsatzformen zur Kriminalitätsbekämpfung und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bilden, in denen Beamte bei Einsätzen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates mitwirken.

(2) Dabei können Beamte eines Vertragsstaates durch die Sicherheitsbehörden des anderen Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet, mit polizeilichen Vollzugsaufgaben einschließlich der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse betraut werden.

(3) Die Betrauung setzt voraus, dass zwischen den Sicherheitsbehörden der beteiligten Vertragsstaaten Einvernehmen hergestellt wird.

(4) Die nach Absatz 2 und 3 betrauten Beamten dürfen nur unter der Leitung der einsatzführenden Stelle des Vertragsstaates hoheitlich tätig werden, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet. Sie sind dabei an das Recht jenes Vertragsstaates gebunden, auf dessen Hoheitsgebiet die Beamten tätig werden. Die Maßnahmen der einschreitenden Beamten werden dem Vertragsstaat zugerechnet, auf dessen Hoheitsgebiet sie tätig werden.

(5) Der Gebrauch von Schusswaffen ist nur auf Anordnung der Einsatzleitung oder im Falle der Notwehr und der Nothilfe zulässig.

Artikel 20
Entsendung von Beamten zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse

(1) Auf Ersuchen eines Vertragsstaates können zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Bekämpfung von Straftaten Beamte der Sicherheitsbehörden eines anderen Vertragsstaates zur Unterstützung entsandt und mit polizeilichen Vollzugsaufgaben einschließlich der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse betraut werden.

(2) Artikel 19 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Artikel 21
Maßnahmen bei unmittelbarer Gefahr

(1) Beamte der Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates dürfen im Fall einer unmittelbaren erheblichen Gefahr ohne vorherige Zustimmung des anderen Vertragsstaates die gemeinsame Grenze überschreiten, um im grenznahen Bereich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates vorläufige Maßnahmen zu treffen, die zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum erforderlich sind.

(2) Eine unmittelbare Gefahr im Sinne des Absatzes 1 liegt dann vor, wenn bei einem Abwarten auf das Einschreiten von Beamten des anderen Vertragsstaates die Verwirklichung der Gefahr droht.

(3) Die einschreitenden Beamten haben die gemäß Absatz 5 zuständigen Sicherheitsbehörden des anderen Vertragsstaates unverzüglich zu unterrichten. Diese bestätigten die Unterrichtung und haben unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zu treffen, die zur Abwehr der Gefahr und zur Übernahme der Lage erforderlich sind. Die einschreitenden Beamten dürfen im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates nur so lange tätig sein, bis dieser die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr ergriffen hat. Die einschreitenden Beamten sind an die Weisungen des anderen Vertragsstaates gebunden.

(4) Die einschreitenden Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und an das Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie tätig werden, gebunden. Die Maßnahmen der einschreitenden Beamten werden dem Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet sie tätig werden, zugerechnet.

(5) Die Unterrichtung erfolgt

  1. - in der Republik Österreich: an die Landespolizeidirektionen für die Bundesländer Vorarlberg oder Tirol,
  2. - in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: an die Kantonspolizei St. Gallen oder die Kantonspolizei Graubünden;
  3. - im Fürstentum Liechtenstein: an die Landespolizei.

Artikel 22
Unterstellung von Beamten zum Zwecke der Regelung und Sicherung des Verkehrs

(1) Zur Gewährleistung der Sicherheit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs dürfen bei Ereignissen nach Artikel 24 Beamte eines Vertragsstaates den zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates auf dessen Hoheitsgebiet zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unterstellt werden. Sie können dabei mit der Wahrnehmung von Vollzugsaufgaben, einschließlich hoheitlicher Befugnisse, betraut werden.

(2) Artikel 19 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Die Vertragsstaaten benennen bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden jene Behörden, welche zur Zusammenarbeit nach diesem Artikel zuständig sind. Diese Benennungen können jederzeit im diplomatischen Wege abgeändert werden.

Artikel 23
Grenzüberschreitende Fahndungsaktionen

Die zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten beteiligen sich jeweils auf ihrem Hoheitsgebiet an grenzüberschreitenden Fahndungsaktionen, wie zum Beispiel Ringalarmfahndungen nach flüchtigen Straftätern. In Fällen von überregionaler Bedeutung sind die nationalen Zentralstellen zu beteiligen.

Artikel 24
Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen

Die zuständigen Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten unterstützen einander im Rahmen des nationalen Rechts bei Massenveranstaltungen und ähnlichen Großereignissen, sowie bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen, indem sie

  1. a) einander so früh wie möglich über entsprechende Lagen oder Ereignisse mit grenzüberschreitenden Auswirkungen und Erkenntnisse unterrichten,
  2. b) bei Ereignissen oder Lagen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen die auf ihrem Hoheitsgebiet erforderlichen polizeilichen Maßnahmen vornehmen und koordinieren,
  3. c) auf Ersuchen des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Lage oder das Ereignis eintritt, soweit möglich, mit Spezialisten und Beratern sowie mit Ausrüstungsgegenständen Hilfe leisten.

Artikel 25
Entsendung von Verbindungsbeamten

(1) Ein Vertragsstaat kann mit Zustimmung der nationalen Zentralstelle eines anderen Vertragsstaates zu dessen Sicherheitsbehörden Verbindungsbeamte entsenden.

(2) Die Verbindungsbeamten werden ohne selbständige Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse unterstützend und beratend tätig. Sie erteilen Informationen und erledigen ihre Aufträge im Rahmen der ihnen von den beteiligten Vertragsstaaten erteilten Weisungen.

(3) In einen anderen Vertragsstaat oder in einen Drittstaat entsandte Verbindungsbeamte können im gegenseitigen Einvernehmen der betroffenen nationalen Zentralstellen auch die Interessen eines anderen Vertragsstaates wahrnehmen.

Artikel 26
Flugsicherheitsbegleiter

(1) Die Vertragsstaaten arbeiten auf der Grundlage der Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, soweit sie für den jeweiligen Vertragsstaat verbindlich sind, beim Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern in den Luftfahrzeugen zusammen.

(2) Flugsicherheitsbegleiter im Sinne dieses Vertrags sind entsprechend ausgebildete Beamte der Sicherheitsbehörden, welche die Aufgabe haben, die Sicherheit an Bord von Luftfahrzeugen aufrechtzuerhalten.

(3) Die Zusammenarbeit umfasst insbesondere den Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern auf Flügen, die vom Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates auf das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates geführt werden.

Artikel 27
Dokumentenberater

(1) Die Vertragsstaaten arbeiten bei der Entsendung von Dokumentenberatern zusammen.

(2) Diese Zusammenarbeit umfasst insbesondere:

  1. a) die abgestimmte Entsendung von Dokumentenberatern in Staaten, die als Ausgangs- oder Transitstaaten illegaler Migration eingestuft werden,
  2. b) die regelmäßige Information über Erkenntnisse zur illegalen Migration, die aus der Tätigkeit ihrer Dokumentenberater gewonnen wurden,
  3. c) die gemeinsam vereinbarte unbegrenzte oder zeitlich begrenzte Koordination konkreter Maßnahmen durch einen Vertragsstaat,
  4. d) die Betreuung und Nachbereitung von Beratungs- und Schulungsmaßnahmen sowie
  5. e) den regelmäßigen Erfahrungsaustausch zum Einsatz von Dokumentenberatern und gemeinsame Ausbildungsmaßnahmen für Dokumentenberater.

(3) Die Aufgaben der Dokumentenberater beinhalten:

  1. a) die Beratung und Schulung der Auslandsvertretungen der Vertragsstaaten in Pass- und Visaangelegenheiten, insbesondere beim Erkennen von gefälschten Dokumenten, den Missbrauch von Dokumenten und die illegale Migration,
  2. b) die Beratung und Schulung von Beförderungsunternehmen in Angelegenheiten des Pass-, Grenzkontroll- sowie Fremdenwesens,
  3. c) die Beratung und Schulung der für die grenzpolizeilichen Kontrollen zuständigen Behörden und Einrichtungen des Gastlandes in Angelegenheiten des Pass-, Grenzkontroll- sowie Fremdenwesens.

Artikel 28
Unterstützung bei Rückführungen

Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten unterstützen einander unter Berücksichtigung ihrer internationalen Verpflichtungen bei der Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die individuellen Rückführungsmaßnahmen unterliegen. Sie unterrichten einander frühzeitig über geplante Rückführungen und bieten, soweit dies möglich ist, den anderen Vertragsstaaten an, sich daran zu beteiligen. Bei gemeinsamen Rückführungen verständigen sich die zuständigen Behörden über die Begleitung der rückzuführenden Personen und die Sicherheitsmaßnahmen.

Artikel 29
Polizeiliche Durchbeförderung

(1) Beamten der zuständigen Behörden eines Vertragsstaates ist die Durchbeförderung von in Gewahrsam befindlichen Personen durch das Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates gestattet. Dies betrifft auch die Durchbeförderung von rückzuführenden Personen zu einem auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates liegenden internationalen Flughafen. Von der beabsichtigten Durchbeförderung ist die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaates rechtzeitig unter Angabe der Durchbeförderungsstrecke und des gewählten Verkehrsmittels sowie der Personalien der zu befördernden Person zu verständigen. Zwischen den Vertragsstaaten bestehende Verpflichtungen zur Einholung einer Durchbeförderungsbewilligung durch die Justizbehörden der Vertragsstaaten bleiben unberührt.

(2) Die Durchbeförderung hat auf dem kürzestmöglichen Weg und ohne unnötigen Aufenthalt zu erfolgen. Bei Durchbeförderungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Transportunternehmen im Voraus zu verständigen.

(3) Die Beamten dürfen auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates keine über die Durchbeförderung hinausgehenden Amtshandlungen vornehmen, es sei denn, dass diese im Zusammenhang mit der Beförderung erforderlich sind. Dabei sind alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, um das Entkommen der Beförderten oder die Gefährdung Dritter oder von Sachen oder Störungen des Verkehrs zu verhindern. Zu diesem Zweck ist, falls erforderlich, auch die Anwendung von Zwangsmitteln, wie das Anlegen von Handfesseln, zulässig. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen richtet sich nach dem nationalen Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Durchbeförderung stattfindet.

(4) Personen, die transportunfähig sind oder nach den entsprechenden Bestimmungen nicht befördert werden dürfen, sind von dieser Art der Beförderung ausgeschlossen.

(5) Im Falle des Entkommens eines Beförderten sind die begleitenden Beamten zu seiner sofortigen Verfolgung und zur unverzüglichen Verständigung des nächsten erreichbaren Beamten der Sicherheitsbehörden des territorial zuständigen Vertragsstaates verpflichtet. Die Verfolgung durch die begleitenden Beamten ist auf die Nähe der Beförderungsstrecke beschränkt und endet spätestens, wenn die Sicherheitsbehörden des territorial zuständigen Vertragsstaates die Verfolgung aufnehmen und diese die Einstellung der Verfolgung ausdrücklich verlangen.

(6) Durchbeförderte Personen benötigen im Durchgangsverkehr weder ein Reisedokument noch ein Visum.

Artikel 30
Übergabe von Personen an der Staatsgrenze

(1) Die Übergabe von Personen an der Staatsgrenze zwischen den Vertragsstaaten kann auch an geeigneten Örtlichkeiten in Grenznähe oder auf Flughäfen stattfinden, wenn die zuständigen Behörden jenes Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Übergabe stattfinden soll, dieser Übergabe im Einzelfall zustimmen. Die Übergabe hat an Orten stattzufinden, an denen entsprechende Einrichtungen für eine sichere Übergabe bestehen. Die Sicherheitsbehörden der Vertragsstaaten informieren einander über die auf ihrem Hoheitsgebiet gelegenen und zur Übergabe von Personen geeigneten Örtlichkeiten und Einrichtungen.

(2) Für die Beförderung der Personen von der Staatsgrenze zum Übergabeort auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates oder vom Übergabeort auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates bis zur Staatsgrenze gilt Artikel 29 Absätze 2 bis 6 sinngemäß.

Artikel 31
Grenzüberschreitende Maßnahmen im Eisenbahn- und Schiffsverkehr

(1) Im grenzüberschreitenden öffentlichen Eisenbahnverkehr sind Beamte der Sicherheitsbehörden befugt, zum Zwecke der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine auf dem eigenen Hoheitsgebiet in einem Reisezug begonnene Amtshandlung bis zum ersten fahrplanmäßigen Halt auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates nach ihrem nationalen Recht fortzuführen.

(2) Die Beamten sind befugt, beim letzten fahrplanmäßigen Halt des Reisezugs auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates zuzusteigen, um die Möglichkeit zu erhalten, Maßnahmen zum Zweck der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ab der Abfahrt von der letzten Einstiegsstelle vor der Grenze zu setzen.

(3) Die Beamten sind dabei unter den Voraussetzungen des Artikels 15 Absatz 1 lit. a oder b oder zum Zwecke der Verhinderung oder Verfolgung einer nach dem nationalen Recht der anderen Vertragsstaaten auf deren Hoheitsgebiet versuchten oder begangenen strafbaren Handlung befugt, eine Person auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten bis zum Eintreffen der Beamten der anderen Vertragsstaaten, festzuhalten. Artikel 15 Absatz 6 lit. b und Absatz 7 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Personenschiffsverkehr.

Artikel 32
Gemeinsame Zentren

(1) Die Vertragsstaaten können gemeinsame Zentren für den Informationsaustausch und die Unterstützung ihrer Sicherheitsbehörden einrichten und betreiben. Diese können auf Dauer oder, insbesondere bei Ereignissen nach Artikel 24, vorübergehend eingerichtet werden.

(2) In den gemeinsamen Zentren arbeiten Beamte der Vertragsstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit räumlich unmittelbar zusammen, um in Angelegenheiten, die den Zuständigkeitsbereich der Sicherheitsbehörden betreffen - unbeschadet des Dienstverkehrs und des Informationsaustausches über die nationalen Zentralstellen - Informationen auszutauschen, zu analysieren und weiterzuleiten sowie bei der Koordination der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach diesem Vertrag unterstützend mitzuwirken. Sie können ebenfalls mit der Erstellung gemeinsamer Analysen beauftragt werden.

(3) Die Unterstützungsfunktion kann auch die Vorbereitung und Mitwirkung bei der Rückführung von Drittstaatsangehörigen auf der Grundlage der zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vereinbarungen umfassen.

(4) Den gemeinsamen Zentren obliegt nicht die selbständige Durchführung operativer Einsätze, sie können von den zuständigen Sicherheitsbehörden mit der Vorbereitung und Koordination gemeinsamer operativer Einsätze in den Grenzgebieten beauftragt werden.

(5) In den gemeinsamen Zentren können die Beamten auch mit über die Aufgaben nach Absatz 1 bis 3 hinausgehenden nichtoperativen Tätigkeiten, insbesondere mit Maßnahmen der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit sowie der Aus- und Fortbildung, beauftragt werden.

(6) Anzahl und Sitz von gemeinsamen Zentren sowie die Einzelheiten der Zusammenarbeit und die gleichmäßige Verteilung der Kosten werden in gesonderten Vereinbarungen gemäß Artikel 57 geregelt.

(7) Die Sicherheitsbehörden eines Vertragsstaates können sich an gemeinsamen Zentren, die ein anderer Vertragsstaat mit Drittstaaten betreibt, beteiligen, wenn und soweit der andere Vertragsstaat und die Drittstaaten einer solchen Beteiligung zustimmen. Die Einzelheiten der Zusammenarbeit und die Verteilung der Kosten werden zwischen allen beteiligten Staaten geregelt.

(8) Die Vertragsstaaten können vereinbaren, dass sich Drittstaaten an der Zusammenarbeit in gemeinsamen Zentren beteiligen. Die Befugnisse der von Drittstaaten entsandten Verbindungsbeamten richten sich nach dem nationalen Recht jenes Vertragsstaates auf dessen Hoheitsgebiet das gemeinsame Einsatzzentrum eingerichtet ist. Die Einzelheiten der Zusammenarbeit und die Verteilung der Kosten werden zwischen allen beteiligten Staaten geregelt.

Kapitel V

Rechtsverhältnisse bei Tätigwerden in einem anderen Vertragsstaat

Artikel 33
Einreise, Ausreise und Aufenthalt

(1) Für Beamte, die nach diesem Vertrag vorübergehend auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig werden, genügt für den Grenzübertritt und den Aufenthalt ein gültiger, mit Foto versehener Dienstausweis.

(2) Die Beamten eines Vertragsstaates, die auf dem Gebiet eines anderen Vertragsstaates eingesetzt werden, müssen in der Lage sein, jederzeit ihre amtliche Funktion nachzuweisen. In den Fällen der Artikel 29, 30 und 31 hat dies auch gegenüber Mitarbeitern des öffentlichen Verkehrsmittels zu erfolgen.

Artikel 34
Uniformen und Dienstwaffen

(1) Werden Beamte nach diesem Vertrag auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig, sind sie befugt, Uniform zu tragen und ihre Dienstwaffen sowie sonstige Zwangsmittel mitzuführen, es sei denn, der andere Vertragsstaat teilt im Einzelfall mit, dass er dies nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zulässt.

(2) Die Erlaubnis zum Uniformtragen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates gilt auch für andere als in Absatz 1 genannte Zwecke, wie insbesondere die Teilnahme an Ehrungen oder Präsentationen. Das Mitführen von Dienstwaffen oder sonstigen Zwangsmitteln ist den Beamten, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen, nur mit Genehmigung des Vertragsstaates erlaubt, auf dessen Hoheitsgebiet das Ereignis stattfindet.

(3) Ausgenommen bei Einsätzen nach Artikel 19 und 20 ist der Gebrauch von Schusswaffen nur im Falle der Notwehr und der Nothilfe zulässig.

Artikel 35
Einsatz von Fahrzeugen

(1) Setzen Beamte bei der Zusammenarbeit aufgrund dieses Vertrages auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates Fahrzeuge ein, so unterliegen sie hierbei denselben verkehrsrechtlichen Bestimmungen wie die Beamten des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie diese Fahrzeuge einsetzen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten. Die Vertragsstaaten unterrichten einander über die jeweils geltende Rechtslage.

(2) Befinden sich Beamte über Einladung eines anderen Vertragsstaates für andere als in Absatz 1 genannte Zwecke auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates, wie zum Beispiel der Teilnahme an Ehrungen, Präsentationen oder ähnlichen offiziellen Anlässen, sind sie befugt auf dem Hoheitsgebiet des einladenden Vertragsstaates ihre Fahrzeuge zu verwenden.

(3) Beim Einsatz von Luftfahrzeugen kann von den Bestimmungen betreffend kontrollierte Lufträume und Luftraumbeschränkungen abgewichen werden, soweit dies im Rahmen der Einsätze unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Von den Vorschriften über das Verhalten im Luftraum darf nur abgewichen werden, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben zwingend notwendig ist. Jeder Vertragsstaat gestattet, dass die Luftfahrzeuge, die vom Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aus eingesetzt werden, auch außerhalb von Zollflugplätzen und genehmigten Flugfeldern landen und abfliegen dürfen.

(4) Soweit möglich vor Beginn, spätestens aber während des Einsatzes von Luftfahrzeugen sind der jeweils zuständigen Flugsicherungsstelle unverzüglich möglichst genaue Angaben über Art und Kennzeichnung des Luftfahrzeuges, Besatzung, Beladung, Abflugzeit, voraussichtliche Route und Landeort mitzuteilen. Der jeweilige Flugplan hat einen Hinweis auf dieses Abkommen zu enthalten.

(5) Beim Einsatz von Wasserfahrzeugen sind die Beamten von den Verkehrsordnungen für die Binnenschifffahrt im selben Umfang wie die Beamten des Vertragsstaates befreit, auf dessen Hoheitsgebiet sie im Einsatz sind. Sie sind befugt, Signale zu setzen, soweit dies für Einsätze aufgrund dieses Vertrages dringend geboten ist.

(6) Die von den Beamten im Rahmen dieses Abkommens auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates benutzten Dienstfahrzeuge werden von Straßen- und Autobahngebühren befreit.

Artikel 36
Dienstverhältnisse

Die Beamten der Vertragsstaaten bleiben in Bezug auf ihr Dienst- oder Anstellungsverhältnis sowie in disziplinarrechtlicher Hinsicht den nationalen Vorschriften unterworfen.

Artikel 37
Haftung

(1) Verursachen Beamte eines Vertragsstaates beim Vollzug dieses Abkommens auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates einen Schaden, haftet dieser gegenüber den geschädigten Dritten unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang, wie wenn eigene sachlich und örtlich zuständige Beamte den Schaden verursacht hätten.

(2) Der Vertragsstaat, der an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger Schadenersatz geleistet hat, erhält diesen vom anderen Vertragsstaat erstattet, es sei denn, dass der Einsatz auf sein Ersuchen erfolgt ist oder dass die Beamten den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben. Bei Schäden zu Lasten der Vertragsstaaten wird darauf verzichtet, den erlittenen Schaden geltend zu machen, es sei denn, dass die Beamten den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben.

(3) Bei der Unterstellung von Beamten gemäß Artikel 19, 20 und 22 und im Rahmen von Ereignissen nach Artikel 24 haftet der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet, für Schäden, die von Dritten vorsätzlich oder grob fahrlässig an Ausrüstungsgegenständen oder Fahrzeugen der entsendeten Beamten verursacht wurden. Dies gilt auch im Falle der Bereitstellung von Ausrüstungsgegenständen.

Artikel 38
Rechtsstellung der Beamten im Bereich des Strafrechts

Die Beamten, die nach diesem Vertrag auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig werden, sind in Bezug auf Straftaten, die sie begehen oder die ihnen gegenüber begangen werden, den Beamten des Vertragsstaates gleichgestellt, auf dessen Hoheitsgebiet sie tätig werden.

Kapitel VI

Zusammenarbeit zur Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs

Artikel 39
Begriffsbestimmungen

Als Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs gelten:

  1. für die Republik Österreich: Zuwiderhandlungen gegen straßenpolizeiliche und kraftfahrrechtliche Vorschriften,
  2. für die Schweizerische Eidgenossenschaft: Zuwiderhandlungen gegen das Straßenverkehrsgesetz des Bundes und die entsprechenden Ausführungsbestimmungen,
  3. für das Fürstentum Liechtenstein: Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs einschließlich der Verstöße gegen Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten und des Gefahrgutrechts.

Artikel 40
Halterausforschungen und Lenkerermittlungen

(1) Die Ermittlung des Fahrzeughalters erfolgt in Fällen des Artikels 13 Absatz 1 lit. c im automatisierten Verfahren.

(2) Die zuständigen Behörden eines Vertragsstaates ermitteln auf Ersuchen der zuständigen Behörden eines anderen Vertragsstaates die Identität des Lenkers eines Fahrzeuges, welcher einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des Straßenverkehrs verdächtigt wird, befragen diesen zum Sachverhalt und übermitteln diese Erkenntnisse an die ersuchende Behörde.

Artikel 41
Übersendung und Inhalt amtlicher Schriftstücke

(1) Amtliche Schriftstücke im Sinne dieses Kapitels dürfen direkt an die betroffene Person übermittelt werden. Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der das Schriftstück abgefasst ist, unkundig ist, so ist dieses - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in die Sprache des Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen.

(2) Amtliche Schriftstücke, die zugestellt werden, und aufgrund derer einer beschuldigten natürlichen oder juristischen Person die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird, müssen insbesondere folgende Informationen enthalten:

  1. a) Art, Ort, Datum und Zeitpunkt der Zuwiderhandlung sowie die Art ihrer Feststellung (Beweismittel),
  2. b) Kennzeichen und - wenn möglich - Typ, Marke und Modell des Motorfahrzeugs, mit dem die Zuwiderhandlung begangen wurde, oder, in Ermangelung dieser Informationen, jede andere Information, die zur Identifizierung des Fahrzeugs beitragen könnte,
  3. c) Höhe der Geldbuße oder -strafe, die verhängt werden kann, oder tatsächlich verhängte Geldbuße oder -strafe unter Angabe der Zahlungsfrist beziehungsweise der Zahlungsmodalitäten sowie
  4. d) Rechtsmittel, die eingebracht werden können sowie die Fristen, welche für dieses Rechtsmittel gelten.

(3) Die amtlichen Schriftstücke können nur dann durch Vermittlung der zuständigen Behörden des ersuchten Vertragsstaates übersandt werden, wenn:

  1. a) die Anschrift des Empfängers unbekannt oder nicht genau bekannt ist,
  2. b) die entsprechenden Verfahrensvorschriften des ersuchenden Vertragsstaates einen anderen als einen auf dem Postweg möglichen Nachweis über die Zustellung der Urkunde an den Empfänger verlangen,
  3. c) eine Zustellung auf dem Postweg nicht möglich war, oder
  4. d) der ersuchende Vertragsstaat berechtigte Gründe für die Annahme hat, dass der Postweg nicht zum Ziel führen wird oder ungeeignet ist.

Artikel 42
Voraussetzungen des Vollstreckungshilfeersuchens

(1) Auf Ersuchen leisten die Vertragsstaaten einander Vollstreckungshilfe bei Entscheiden, mit denen das zuständige Gericht oder die zuständige Verwaltungsbehörde eines Vertragsstaates eine Zuwiderhandlung gegen Straßenverkehrsvorschriften feststellt und deswegen eine Sanktion verhängt. Folgende Voraussetzungen müssen dabei erfüllt sein:

  1. a) Die verhängte Sanktion beträgt mindestens 70 Euro oder 100 Schweizer Franken, wobei dieser Betrag auch durch Zusammenrechnung mehrerer gegen dieselbe Person verhängter Geldstrafen erreicht werden kann,
  2. b) das Ersuchen beschränkt sich auf die Einforderung eines Geldbetrags,
  3. c) der Entscheid ist nach dem geltenden Recht des ersuchenden Vertragsstaates vollstreckbar und nicht verjährt,
  4. d) der Entscheid betrifft eine Person, die nach dem nationalen Recht des vollstreckenden Vertragsstaates aufgrund ihres Alters und der Vorfälle, wegen deren der Entscheid getroffen wurde, strafrechtlich belangt werden kann.

(2) Als Folge eines Ersuchens um Vollstreckungshilfe kann der ersuchende Vertragsstaat das Vollstreckungsverfahren erst wieder aufnehmen, wenn der ersuchte Vertragsstaat ihm mitgeteilt hat, dass das Ersuchen abgelehnt worden oder es ihm nicht möglich ist, die Vollstreckung vorzunehmen.

(3) Die für die Vollstreckung zuständigen Behörden der Vertragsstaaten übermitteln einander Ersuchen und alle sich daraus ergebenden Mitteilungen direkt auf schriftlichem Weg. Das gilt auch, wenn es sich um den Entscheid eines Gerichts handelt. Zulässig ist jedes geeignete Kommunikationsmittel, das eine schriftliche Aufzeichnung hinterlässt. Dem Ersuchen werden eine Kopie des Entscheids sowie eine Erklärung der ersuchenden Behörde beigelegt, die bestätigt, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 lit. b und c erfüllt sind. Der ersuchende Vertragsstaat kann weitere Mitteilungen beilegen, die im Hinblick auf die Übernahme der Vollstreckung dienlich sind, insbesondere Informationen zu besonderen Umständen der Zuwiderhandlung, wie die Begehungsart, die bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt wurde, sowie den Wortlaut der angewandten Rechtsvorschriften.

(4) Vollstreckungshilfe wird nicht gewährt bei:

  1. a) einem Entscheid, der eine Freiheitsstrafe als Hauptstrafe vorsieht und
  2. b) Zuwiderhandlungen gegen Straßenverkehrsvorschriften, die mit Straftaten zusammentreffen, die sich nicht nur auf den Bereich des Straßenverkehrs beziehen, es sei denn, die Zuwiderhandlungen gegen die Straßenverkehrsvorschriften werden gesondert oder ausschließlich verfolgt.

Artikel 43
Ablehnungsgründe, Mitteilungspflicht, Umfang und Beendigung der Vollstreckung

(1) Die Erledigung des Ersuchens um Vollstreckung kann verweigert werden, wenn:

  1. a) die dem Entscheid zugrunde liegende Zuwiderhandlung nach dem nationalen Recht des ersuchten Vertragsstaates nicht geahndet werden kann,
  2. b) die Erledigung des Ersuchens gegen den Grundsatz «ne bis in idem» verstößt,
  3. c) das Recht des Vollstreckungsstaates eine Immunität vorsieht, welche die Vollstreckung unmöglich macht, oder
  4. d) Vollstreckungsverjährung nach dem Recht des ersuchten Vertragsstaates eingetreten ist.

(2) Wird einem Ersuchen nicht entsprochen, so muss der ersuchende Vertragsstaat unterrichtet und müssen die Gründe der Ablehnung bekannt gegeben werden.

(3) Bereits vollstreckte Teile der Sanktion sind nicht zu vollstrecken.

Artikel 44
Unmittelbarkeit der Vollstreckung und Umrechnung

(1) Entscheide werden von den zuständigen Behörden des ersuchten Vertragsstaates unmittelbar und in deren Währung vollstreckt. Für die Umrechnung maßgebend ist der zum Zeitpunkt des Entscheids geltende amtliche Devisenkurs. Stellt sich bei der Umrechnung heraus, dass die verhängte Geldbuße das Höchstmaß der nach dem Recht des ersuchten Vertragsstaates für eine Zuwiderhandlung derselben Art gegen Straßenverkehrsvorschriften angedrohten Sanktion überschreitet, wird die Vollstreckung des Entscheids auf dieses Höchstmaß beschränkt.

(2) Die Vollstreckung eines Entscheids richtet sich nach dem Recht des ersuchten Vertragsstaates.

Artikel 45
Ertrag der Vollstreckung und Kosten

Die Kosten von Maßnahmen nach diesem Kapitel werden dem ersuchenden Vertragsstaat nicht in Rechnung gestellt. Der Erlös aus der Vollstreckung und der Betrag der im Entscheid festgesetzten Kosten gehen an den ersuchten Vertragsstaat.

Artikel 46
Zuständige Stellen

Die Vertragsstaaten benennen bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunden die für die Umsetzung dieses Kapitels zuständigen Stellen. Diese Benennungen können jederzeit im diplomatischen Wege abgeändert werden.

Artikel 47
Durchführungsvereinbarung

Die verwaltungsmäßige und technische Durchführung der Zusammenarbeit gemäß diesem Kapitel wird von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten in einer gemeinsamen trilateralen Vereinbarung geregelt.

Kapitel VII

Datenschutz

Artikel 48
Grundsatz

(1) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, richtet sich die Verarbeitung personenbezogener Daten, die auf Grund dieses Vertrages übermittelt werden, nach den angegebenen Zwecken, den von der übermittelnden Stelle allenfalls festgelegten Bedingungen sowie den im Empfängerstaat für die Bearbeitung von Personendaten maßgeblichen Vorschriften.

(2) Verarbeitung im Sinne dieses Vertrages ist jede Verwendung von Daten und schließt das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren, Löschen und jede sonstige Nutzung ein.

(3) Für das Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft gelten die einschlägigen Bestimmungen des Bundesrechts, soweit die Kantone nicht über eigene datenschutzrechtliche Regelungen verfügen.

Artikel 49
Zweckbindung

(1) Personenbezogene Daten, die auf Grund dieses Vertrages übermittelt worden sind, dürfen vom Empfänger nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zu anderen als den der Übermittlung zugrundeliegenden Zwecken bearbeitet werden. Die Zulässigkeit der Erteilung einer Zustimmung richtet sich nach dem nationalen Recht der übermittelnden Stelle.

(2) Personenbezogene Daten, die zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten übermittelt worden sind, dürfen ohne Zustimmung der übermittelnden Stelle zur Verfolgung schwerer Straftaten bearbeitet werden. Ebenso dürfen personenbezogene Daten, die für Zwecke der Strafverfolgung übermittelt worden sind, ohne Zustimmung der übermittelnden Stelle zur Verhütung von schweren Straftaten und zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bearbeitet werden.

Artikel 50
Pflicht zur Richtigstellung und Vernichtung

(1) Personenbezogene Daten, die auf Grund dieses Vertrages übermittelt worden sind, sind zu vernichten, wenn:

  1. a) sich die Unrichtigkeit der übermittelten Daten ergibt,
  2. b) die übermittelnde Sicherheitsbehörde dem Empfänger mitteilt, die Beschaffung oder Übermittlung der Daten sei rechtswidrig erfolgt,
  3. c) sich herausstellt, dass die Daten nicht oder nicht mehr zur Erfüllung der für die Übermittlung maßgeblichen Aufgabe benötigt werden, es sei denn, es liege eine ausdrückliche Ermächtigung zur Datenbearbeitung für andere Zwecke vor.

(2) Die übermittelnde Stelle teilt dem Empfänger allfällige besondere Aufbewahrungsfristen mit, an die sich der Empfänger zu halten hat.

Artikel 51
Verständigung

(1) Auf Ersuchen der übermittelnden Stelle erteilt der Empfänger Auskunft über jegliche Bearbeitung der übermittelten personenbezogenen Daten.

(2) Stellt die Sicherheitsbehörde eines Vertragsstaates, die Personendaten auf Grund dieses Vertrages übermittelt hat, fest, dass die übermittelten Daten unrichtig oder infolge unrechtmäßiger Bearbeitung richtigzustellen oder zu vernichten sind, hat sie den Empfänger unverzüglich darauf hinzuweisen.

(3) Stellt der Empfänger eine unrechtmäßige Bearbeitung übermittelter Daten fest, hat er die übermittelnde Stelle ebenfalls unverzüglich darauf hinzuweisen.

Artikel 52
Protokollierung

(1) Die übermittelnde Sicherheitsbehörde und der Empfänger sind verpflichtet, mindestens Anlass, Inhalt, Empfangsstelle und Zeitpunkt der Datenübermittlung festzuhalten. Übermittlungen im On-line-Verfahren sind automationsunterstützt zu protokollieren.

(2) Beim Abruf von Daten gemäß Artikel 13 Absatz 1 lit. c in Verbindung mit Artikel 40 Absatz 1 gelten die Pflichten des Absatzes 1 mit der Maßgabe, dass die Protokollierung des Anlasses des Abrufs durch den abrufenden Vertragsstaat vorzunehmen ist.

(3) Die Protokollaufzeichnungen sind mindestens drei Jahre aufzubewahren.

(4) Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zur Kontrolle, ob die maßgeblichen Datenschutzvorschriften eingehalten worden sind, verwendet werden.

Artikel 53
Verfahren bei Auskunftserteilung

(1) Das Recht des Betroffenen, über die zu seiner Person bearbeiteten Daten Auskunft zu erhalten, richtet sich nach dem nationalen Recht des Vertragsstaates, in dem die Auskunft beantragt wird.

(2) Vor der Entscheidung über eine Auskunftserteilung hat der Empfänger der übermittelnden Stelle die Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

Artikel 54
Datenverarbeitung auf fremdem Hoheitsgebiet

(1) Die Kontrolle der Bearbeitung personenbezogener Daten, die durch grenzüberschreitendes Einschreiten auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates beschafft worden sind, obliegt der zuständigen Behörde des Vertragsstaates, für dessen Zwecke sie beschafft worden sind und richtet sich nach dessen nationalem Recht. Dabei sind mit der Genehmigung verbundene Bedingungen sowie allfällige besondere Auflagen, die von der Genehmigungsbehörde festgelegt werden, zu beachten.

(2) Beamten, die auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates tätig werden, darf kein direkter Zugriff auf in diesem Vertragsstaat automationsunterstützt bearbeitete personenbezogene Daten gewährt werden.

Kapitel VIII

Durchführungs- und Schlussbestimmungen

Artikel 55
Ausnahmeregelung

Ist ein Vertragsstaat der Ansicht, dass die Erfüllung eines Ersuchens oder die Durchführung einer Kooperationsmaßnahme geeignet ist, die eigene Sicherheit oder andere wesentliche Interessen zu gefährden, so teilt er dem anderen Vertragsstaat mit, dass er die Zusammenarbeit ganz oder teilweise verweigert oder von bestimmten Bedingungen abhängig macht.

Artikel 56
Zusammenkunft von Experten

Jeder Vertragsstaat kann die Zusammenkunft von Experten der Vertragsstaaten verlangen, um Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Vertrages einer Lösung zuzuführen und Vorschläge zur Fortentwicklung der Zusammenarbeit zu unterbreiten.

Artikel 57
Durchführung der Zusammenarbeit

(1) Die Behörden der Vertragsstaaten können in ihrem Zuständigkeitsbereich auf der Grundlage und im Rahmen dieses Vertrages Vereinbarungen treffen, welche die verwaltungsmäßige und technische Durchführung zum Ziel haben.

(2) Die Vertragsstaaten können die praktischen Aspekte der Zusammenarbeit in einem rechtlich nicht verbindlichen Handbuch festlegen.

Artikel 58
Kosten

Unbeschadet anderer Regelungen in diesem Vertrag trägt jeder Vertragsstaat die seinen Behörden aus der Anwendung dieses Vertrages entstehenden Kosten selbst, sofern die zuständigen Behörden im Einzelfall nichts anderes vereinbaren.

Artikel 59
Verkehrssprache

Der Verkehr zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nach diesem Vertrag wird in deutscher Sprache geführt. Die Behörden der französisch- und italienischsprachigen Kantone der Schweizerischen Eidgenossenschaft können Ersuchen auch in französischer oder italienischer Sprache beantworten.

Artikel 60
Vorbehalt des nationalen Rechts in Fiskal- und Zollsachen

(1) Dieser Vertrag ist auf Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen nicht anzuwenden.

(2) Informationen, die im Rahmen einer Zusammenarbeit gemäß diesem Vertrag erlangt worden sind, dürfen zur Festsetzung von Abgaben, Steuern und Zöllen sowie in Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen nicht verwendet werden, es sei denn, dass der ersuchte Vertragsstaat diese Informationen für ein solches Verfahren zur Verfügung gestellt hat.

Artikel 61
Inkrafttreten und Kündigung

(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Republik Österreich (Depositär) hinterlegt, welche die Hinterlegung den Regierungen der anderen Vertragsstaaten notifiziert. Der Vertrag tritt am ersten Tag des zweiten Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die letzte Ratifikationsurkunde beim Depositär hinterlegt wurde.

(2) Mit Inkrafttreten dieses Vertrags tritt der Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden11 Kundgemacht in BGBl. III Nr. 120/2001. vom 27. April 1999 außer Kraft.

(3) Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jedem Vertragsstaat durch eine an den Depositär gerichtete Notifikation jederzeit gekündigt werden. Die Kündigung wird den anderen Vertragsstaaten unverzüglich notifiziert. Der Vertrag tritt sechs Monate, nachdem die Kündigung beim Depositär eingetroffen ist, gegenüber dem kündigenden Vertragsstaat außer Kraft.

(4) Die Registrierung des Vertrages beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen nach Artikel 102 der Satzung der Vereinten Nationen wird von der österreichischen Seite wahrgenommen.

GESCHEHEN zu Vaduz am 4. Juni 2012 in drei Urschriften in deutscher Sprache.

Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am 3. Mai 2017 hinterlegt; der Vertrag tritt gemäß seinem Art. 61 Abs. 1 mit 1. Juli 2017 in Kraft.

Von den Vertragsstaaten wurden nachstehende Behörden gemäß Art. 22 Abs. 3 und zuständige Stellen gemäß Art. 46 des Vertrages benannt:

Österreich:

Als zuständige Behörden im Sinne von Art. 22 Abs. 3 des Vertrages werden die Landespolizeidirektionen, die Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaften und Magistrate) und die Landesregierungen bestimmt.

Als für die Umsetzung von Kapitel VI zuständigen Behörden im Sinne von Art. 46 des Vertrags werden die Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaften und Magistrate) sowie die Landespolizeidirektionen bestimmt.

Schweiz:

Als zuständige Behörden im Sinne von Art. 22 Abs. 3 des Vertrages werden die Kantonspolizeien und die Stadtpolizeien der Schweizerischen Eidgenossenschaft bestimmt.

Als zuständige Behörden im Sinne von Art. 46 des Vertrages werden das Bundesamt für Straßen (ASTRA) für die technische Umsetzung des anvisierten automatischen Austausches von Fahrzeug- und Halterdaten, die Staatsanwaltschaften der Kantone bzw. in einigen Kantonen die Kantonspolizeien für die Durchsetzung rechtskräftiger Bußen und die Kantons- und Stadtpolizeien für alle übrigen Umsetzungsmaßnahmen gemäß Kapitel VI bestimmt.

Liechtenstein:

Als zuständige Behörde im Sinne von Art. 22 Abs. 3 des Vertrags wird die Liechtensteinische Landespolizei bestimmt.

Als für die Umsetzung von Kapitel VI zuständige Behörde im Sinne von Art. 46 des Vertrags wird ebenfalls die Liechtensteinische Landespolizei bestimmt.

Für die Republik Österreich

Mikl-Leitner m.p.

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft

Sommaruga m.p.

Für das Fürstentum Liechtenstein

Quaderer m.p.

Kern

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