158. Bundesgesetz, mit dem zum internationalen Rechtsschutz Erwachsener das Außerstreitgesetz, die Jurisdiktionsnorm, das IPR-Gesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Erwachsenenschutz-Gesetz - ErwSchG)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Außerstreitgesetzes
Das Außerstreitgesetz - AußStrG, BGBl. I Nr. 111/2003, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 15/2013, wird wie folgt geändert:
1. Nach dem § 131 wird folgender 9a. Abschnitt eingefügt:
„9a. Abschnitt
Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen zum Schutz der Person oder des Vermögens Erwachsener
Anwendungsbereich
§ 131a. (1) Dieser Abschnitt regelt
- 1. das Verfahren zur selbständigen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (Abs. 2) sowie von Maßnahmen zum Schutz eines Erwachsenen (Abs. 3);
- 2. die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (Abs. 2);
- 3. die Durchsetzung von ausländischen Maßnahmen zum Schutz eines Erwachsenen (Abs. 3) zum Schutz der Person.
(2) Eine „Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen“ ist eine Entscheidung aus einem Staat, der nicht Vertragsstaat des Übereinkommens über den internationalen Schutz von Erwachsenen ist, insbesondere über
- 1. die Bestellung, Umbestellung oder Enthebung eines endgültigen oder einstweiligen Sachwalters für behinderte Personen sowie die Änderung dessen Wirkungskreises;
- 2. den Entzug oder die Einschränkung ihrer Geschäftsfähigkeit wegen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung;
- 3. ihre Vermögensangelegenheiten, soweit sie in den Wirkungskreis des Sachwalters für behinderte Personen fallen, wie die Überwachung und Sicherung des Vermögens sowie die Gewährung von Entgelt, Entschädigung für persönliche Bemühungen und Aufwandersatz eines Sachwalters für eine behinderte Person;
- 4. pflegschaftsgerichtliche Genehmigungen von Handlungen eines Sachwalters für eine behinderte Person.
(3) Eine „Maßnahme zum Schutz eines Erwachsenen“ ist eine Maßnahme nach dem Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen.
Voraussetzungen der Anerkennung und Anerkennungsverweigerungsgründe
§ 131b. (1) Die Voraussetzungen der Anerkennung einer Maßnahme zum Schutz eines Erwachsenen (§ 131a Abs. 3) richten sich nach dem Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen.
(2) Eine Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2) wird in Österreich anerkannt, wenn kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt.
(3) Die Anerkennung kann als Vorfrage selbständig beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf.
(4) Die Anerkennung der Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2) ist zu verweigern, wenn
- 1. sie den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht oder
- 2. das rechtliche Gehör der betroffenen Person nicht gewahrt wurde oder
- 3. die Entscheidung mit einer späteren österreichischen Maßnahme zum Schutz eines Erwachsenen (§ 131a Abs. 3 AußStrG) oder einer späteren Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2), die die Voraussetzungen für eine Anerkennung in Österreich erfüllt, unvereinbar ist oder
- 4. die erkennende Behörde bei Anwendung österreichischen Rechts für die Entscheidung international nicht zuständig gewesen wäre.
Verfahren der Anerkennung
§ 131c. (1) Die Anerkennung einer Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2) und einer Maßnahme zum Schutz eines Erwachsenen (§ 131a Abs. 3) in einem selbständigen Verfahren kann beantragen, wer ein rechtliches Interesse daran hat.
(2) Dem Antrag sind eine Ausfertigung der Entscheidung, ein Nachweis
ihrer Rechtskraft oder vorläufigen Wirksamkeit sowie ein Nachweis über die Wahrung des rechtlichen Gehörs der betroffenen Person anzuschließen. Das Gericht kann sich mit gleichwertigen Urkunden begnügen oder die Parteien von der Vorlage der Urkunden befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält.
(3) Richtet sich ein Rekurs gegen eine Entscheidung erster Instanz, so beträgt die Frist für Rekurs und Rekursbeantwortung einen Monat. Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt einer Partei im Ausland und stellt ein Rekurs oder eine Rekursbeantwortung ihre erste Möglichkeit dar, sich am Verfahren zu beteiligen, so beträgt die Frist für den Rekurs oder die Rekursbeantwortung für sie zwei Monate.
(4) Ein Kostenersatz findet nicht statt.
(5) Ist die ausländische Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2) oder die Maßnahme zum Schutz eines Erwachsenen (§ 131a Abs. 3) nach den Vorschriften des Ursprungsstaats noch nicht rechtskräftig, so kann auf Antrag einer Partei das Verfahren zur Anerkennung bis zum Eintritt der Rechtskraft unterbrochen werden. Erforderlichenfalls kann einer Partei eine Frist für die Bekämpfung der ausländischen Entscheidung gesetzt werden.
(6) Die Verständigungspflichten des § 126 Abs. 1 und 2 sowie des § 128 Abs. 1 sind in Verfahren über die Anerkennung entsprechender Entscheidungen anzuwenden. § 126 Abs. 3 und 4 sowie § 128 Abs. 1 sind in Verfahren über die Anerkennung und die Nichtanerkennung entsprechender Entscheidungen anzuwenden.
Antrag auf Nichtanerkennung
§ 131d. Die §§ 131b und 131c sind auf Anträge, mit denen die Nichtanerkennung geltend gemacht wird, entsprechend anzuwenden.
Vollstreckbarerklärung
§ 131e. (1) Entscheidungen über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2) und Maßnahmen zum Schutz Erwachsener (§ 131a Abs. 3) können nur vollstreckt werden, wenn sie vom Gericht für Österreich für vollstreckbar erklärt wurden.
(2) Die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung einer Maßnahme zum Schutz Erwachsener (§ 131a Abs. 3) richten sich nach dem Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen.
(3) Eine Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2) ist für vollstreckbar zu erklären, wenn sie nach dem Recht des Ursprungsstaats vollstreckbar ist und kein Grund für die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung vorliegt. Für die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung gilt § 131b Abs. 4 sinngemäß.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung
§ 131f. (1) Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung sind neben den in § 131c Abs. 2 genannten Urkunden ein Nachweis über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats anzuschließen.
(2) Für das weitere Verfahren zur Vollstreckbarerklärung gilt § 131c Abs. 3 bis 6 sinngemäß.
(3) Die Vollstreckung kann, soweit eine solche im Verfahren außer Streitsachen erfolgt, zugleich mit der Vollstreckbarerklärung beantragt werden. Das Gericht hat über beide Anträge zugleich zu entscheiden.
Durchsetzung ausländischer Maßnahmen zum Schutz eines Erwachsenen
§ 131g. (1) Soweit eine ausländische Maßnahme zum Schutz der Person eines Erwachsenen (§ 131a Abs. 3) zwangsweise durchzusetzen ist, ist eine Vollstreckung nach der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, ausgeschlossen.
(2) Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts wegen angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs. 2 anzuordnen. Das Gericht kann Entscheidungen, die nicht das Recht auf persönliche Kontakte betreffen, auch durch Anwendung angemessenen unmittelbaren Zwanges vollziehen.
(3) Das Gericht kann von der Fortsetzung der Durchsetzung auch von Amts wegen nur absehen, wenn und solange sie das Wohl des schutzbedürftigen Erwachsenen gefährdet.
(4) Ein Kostenersatz findet nicht statt.“
2. Nach dem § 207i wird folgender § 207j samt Überschrift eingefügt:
„Inkrafttreten und Übergangsbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. 158/2013
§ 207j. Der 9a. Abschnitt in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/2013 tritt mit 1. November 2013 in Kraft. Er ist auch auf die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung von Entscheidungen, die vor seinem Inkrafttreten getroffen wurden, sowie auf im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits anhängige Verfahren anzuwenden.“
Artikel 2
Änderung der Jurisdiktionsnorm
Die Jurisdiktionsnorm, RGBl. Nr. 111/1895, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 35/2012, wird wie folgt geändert:
§ 109a lautet:
„§ 109a. Für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen über die Obsorge und die persönlichen Kontakte, die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§ 131a Abs. 2 AußStrG) und ausländischer Maßnahmen zum Schutz eines Erwachsenen (§ 131a Abs. 3 AußStrG) ist das in § 109 bezeichnete Bezirksgericht zuständig, soweit nicht nach Völkerrecht oder in Rechtsakten der Europäischen Union anderes bestimmt ist.“
Artikel 3
Änderung des IPR-Gesetzes
Das IPR-Gesetz, BGBl. Nr. 304/1978, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 21/2011, wird wie folgt geändert:
1. § 15 lautet samt Überschrift:
„Maßnahmen zum Schutz Erwachsener
§ 15. (1) Die Voraussetzungen, die Wirkungen und die Aufhebung von Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens eines Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen, sind nach seinem Personalstatut zu beurteilen.
(2) Die Bedingungen der Durchführung einer Maßnahme nach Abs. 1 sind nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie durchgeführt wird.“
2. § 50 wird folgender Abs. 6 angefügt:
„(6) § 15 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/2013 tritt mit 1. November 2013 in Kraft.“
Artikel 4
Änderung des Gerichtsgebührengesetzes
Das Gerichtsgebührengesetz - GGG, BGBl. Nr. 501/1984, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 15/2013, wird wie folgt geändert:
1. In der Tarifpost 12 lit. a lautet die Z 3 in der Spalte „Gegenstand“:
- „3. Verfahren zur Anerkennung oder Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe (§§ 97 ff AußStrG) sowie Verfahren zur Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen zum Schutz des Vermögens Erwachsener (§§ 131a ff AußStrG);“
2. In Artikel VI wird folgende Z 55 angefügt:
- „55. Die Tarifpost 12 lit. a Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/2013 tritt mit 1. November 2013 in Kraft. § 31a ist auf die in dieser Tarifpost neugeschaffenen oder geänderten Gebührentatbestände mit der Maßgabe anzuwenden, dass Ausgangsgrundlage für die Neufestsetzung des zugrundeliegenden Betrags die für März 2011 veröffentlichte endgültige Indexzahl des von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarten Verbraucherpreisindex 2000 ist.“
Artikel 5
Inkrafttreten
§ 109a JN in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/2013 tritt mit 1. November 2013 in Kraft.
Fischer
Faymann
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)