497. Verordnung der Bundesministerin für Finanzen zur Abschätzung der Verwaltungskosten für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen im Rahmen der wirkungsorientierten Folgenabschätzung bei Regelungsvorhaben und sonstigen Vorhaben (WFA-Verwaltungskosten-Verordnung - WFA-VKV)
Auf Grund des § 17 Abs. 3 Z 3 des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 (BHG 2013), BGBl. I Nr. 139/2009, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 62/2012, wird im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler verordnet:
Gegenstand
§ 1. (1) Diese Verordnung regelt die Abschätzung der Auswirkungen von Informationsverpflichtungen auf Verwaltungskosten für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen im Rahmen der wirkungsorientierten Folgenabschätzung gemäß § 17 BHG 2013 anhand des Standardkostenmodells.
(2) Sie enthält methodische Vorgaben zur vereinfachten und zur vertiefenden Abschätzung der Auswirkungen von Regelungsvorhaben und von Vorhaben von außerordentlicher finanzieller Bedeutung gemäß § 58 Abs. 2 BHG 2013.
Begriffsbestimmungen
§ 2. Für diese Verordnung sind die Begriffsbestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers über Grundsätze der wirkungsorientierten Folgenabschätzung (WFA-Grundsatz-Verordnung - WFA-GV), BGBl. II Nr. 489/2012, sowie folgende maßgebend:
- 1. Eine Informationsverpflichtung (IVP) ist eine in einem Regelungsvorhaben oder Vorhaben gemäß § 58 Abs. 2 BHG 2013 vorgesehene Pflicht, Informationen zusammenzustellen oder bereitzuhalten und diese - unaufgefordert oder auf Verlangen - einer Behörde oder einem von Behörden besonders bestellten und in Pflicht genommenen Unternehmen zur Verfügung zu stellen oder zu übermitteln oder eine ebensolche Pflicht eines Unternehmens auch gegenüber Dritten (insbesondere Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbrauchern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Betriebsräten). Keine Informationsverpflichtungen im Sinne dieser Verordnung sind Verpflichtungen, die
- a) in strafrechtlichen Rechtsvorschriften enthalten sind oder
- b) durch rechtswidriges Verhalten des Verpflichteten selbst oder eines Dritten ausgelöst werden oder
- c) in gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrensvorschriften enthalten sind oder
- d) sich aus allgemeinem Vertragsrecht oder allgemeinen Interessenswahrungs- und Auskunftsverpflichtungen ergeben und keine darüber hinaus gehenden inhaltlichen oder formellen Erfordernisse enthalten.
- 2. Bürgerinnen und Bürger sind alle natürlichen Personen, die im Inland gemeldet sind und im Inland ihren Wohnsitz haben oder zum dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind. Dazu gehören jedenfalls
- a) österreichische Staatsangehörige,
- b) Asylberechtigte,
- c) unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürgerinnen und Bürger und Schweizer Staatsangehörige sowie jeweils deren Familienangehörige und
- d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt (EG)“ oder „Daueraufenthalt Familienangehöriger“.
- 3. Unternehmen sind natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften und Personengemeinschaften
- a) mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung in Österreich, die der Allgemeinheit oder einem bestimmten Personenkreis Waren, Werk- und Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten oder im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfüllen oder Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und 6 des Einkommensteuergesetzes 1988 - EStG 1988, BGBl. 400, erzielen, oder
- b) ohne Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung in Österreich, die Einkünfte gemäß § 98 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 6 EStG 1988 erzielen.
- 4. Personengruppe oder Unternehmensgruppierung ist eine Teilmenge der von einer Informationsverpflichtung betroffenen Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen (Normadressaten), die nach bestimmten Merkmalen gebildet wird oder die durch die Rechtsvorschrift selbst als Teilmenge vorgegeben wird. Solche Merkmale sind
- a) hinsichtlich der Bürgerinnen und Bürger insbesondere Alter, Geschlecht oder besondere Bedürfnisse und
- b) hinsichtlich der Unternehmen insbesondere Größe, Branche oder Anzahl der Beschäftigten.
- 5. Verwaltungskosten sind jene Kosten, die Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen durch die Erfüllung von Informationsverpflichtungen entstehen. Insbesondere sind keine Verwaltungskosten: Umsatzverluste in Unternehmen, Kosten rechtsfreundlicher Vertretung zur Rechtsdurchsetzung, Abgaben einschließlich Steuern und Gebühren (finanzielle Kosten), Kosten, die durch die Erfüllung anderer Verpflichtungen als der Informationsverpflichtungen entstehen (materielle Erfüllungskosten) und Kosten, die von staatlicher Stelle rückvergütet werden.
- 6. Sowieso-Kosten sind jene Kosten, die Unternehmen auch dann aufwenden würden, wenn die in der Rechtsnorm festgelegte Informationsverpflichtung aufgehoben würde.
- 7. Verwaltungslasten für Unternehmen sind Verwaltungskosten abzüglich der Sowieso-Kosten, nämlich jene Kosten, die unmittelbar durch eine Informationsverpflichtung verursacht werden.
- 8. Goldplating ist die Schaffung von über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden Anforderungen, insbesondere durch inhaltliche Erweiterungen, Erweiterung des Kreises der Normadressaten oder Erhöhung der Häufigkeit, mit der eine Informationsverpflichtung erfüllt werden muss.
- 9. Verwaltungstätigkeiten sind standardisierte Prozesse, die bei der Erfüllung einer Informationsverpflichtung anfallen.
- 10. Direkte Kosten für Bürgerinnen und Bürger oder externe Kosten für Unternehmen umfassen bei Informationsverpflichtungen
- a) für Bürgerinnen und Bürger Barauslagen, die Kosten externer Dienstleister oder sonstige Anschaffungskosten,
- b) für Unternehmen die Anzahl der Stunden eines externen Dienstleisters multipliziert mit dem jeweiligen Stundensatz oder die Kosten einer Pauschalleistung.
Vereinfachte Abschätzung
§ 3. Im Rahmen der vereinfachten Abschätzung ist nach den Vorgaben in Anlage 1 zu prüfen, ob die Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen aufgrund von neuen oder geänderten Informationsverpflichtungen beziehungsweise auf den Vollzug von Informationsverpflichtungen voraussichtlich wesentlich gemäß Anlage 1 WFA-GV sind.
Vertiefende Abschätzung
§ 4. Im Rahmen der vertiefenden Abschätzung sind die Verwaltungskosten nach den Vorgaben in Anlage 2 (Berechnungsmethode) und Anlage 3 (Stundensätze) zu berechnen.
Schlussbestimmungen
§ 5. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2013 in Kraft.
(2) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung treten die Richtlinien zur Anwendung des Standardkostenmodells auf Informationsverpflichtungen für Bürger/innen und für Unternehmen (Standardkostenmodell-Richtlinien), BGBl. II Nr. 278/2009, außer Kraft.
Anlage 1
Vereinfachte Abschätzung der Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürgerinnen/Bürger und für Unternehmen
Die vereinfachte Abschätzung umfasst die Beantwortung der folgenden Fragen:
Wirkungsdimension Verwaltungskosten für Bürgerinnen/Bürger und für Unternehmen | Fragen |
1) Bürgerinnen/Bürger | Hat die Regelung/das Vorhaben Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürgerinnen/Bürger aufgrund von neuen oder geänderten Informationsverpflichtungen bzw. auf den Vollzug von Informationsverpflichtungen? |
2) Unternehmen | Hat die Regelung/das Vorhaben Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Unternehmen aufgrund von neuen oder geänderten Informationsverpflichtungen bzw. auf den Vollzug von Informationsverpflichtungen? |
Kann die Frage zur wesentlichen Betroffenheit nicht eindeutig bejaht werden, ist eine vereinfachte Abschätzung als Schnellprüfung der Verwaltungskosten für die voraussichtlich größte Informationsverpflichtung durchzuführen. Dabei muss, abweichend von der vertiefenden Abschätzung, keine Unterteilung in Personengruppe/Unternehmensgruppierung und Verwaltungstätigkeiten vorgenommen werden. Es sind folgende Formeln sowie für die Berechnungsparameter geschätzte Durchschnittswerte zu verwenden:
- 1. Für Bürgerinnen und Bürger:
Kosten der Verwaltungstätigkeit = Zeit und direkte Kosten;
- 2. für Unternehmen:
Verwaltungskosten der Informationsverpflichtung = [(Zeit in Stunden × Durchschnittstundensatz gemäß Anlage 3 × Frequenz pro Jahr) + externe Kosten pro Jahr] × Unternehmensanzahl
Anlage 2
Vertiefende Abschätzung der Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürgerinnen/Bürger und für Unternehmen
Die vertiefende Abschätzung ist wie folgt vorzunehmen:
- 1. Die Informationsverpflichtungen sind nach ihrem Ursprung wie folgt zu analysieren:
- a) INT: Informationsverpflichtungen, die in einer unionsrechtlichen oder völkerrechtlichen Rechtsvorschrift geregelt werden,
- b) EU: Informationsverpflichtungen, die dem Grunde nach in einer unionsrechtlichen oder völkerrechtlichen Rechtsvorschrift geregelt, jedoch durch innerstaatliches Recht spezifiziert werden,
- c) NAT: Informationsverpflichtungen, die ausschließlich in einer nationalen Rechtsvorschrift geregelt werden.
- 2. Die Anwendung von Goldplating ist anzugeben.
- 3. Die betroffenen Personengruppen/Unternehmensgruppierungen sind zu identifizieren. Wird eine E-Government-Anwendung für die Erfüllung der Informationsverpflichtung zur Verfügung gestellt, ist eine eigene Personengruppe/Unternehmensgruppierung zu bilden und es ist die technische Umsetzung zu prüfen, insbesondere die elektronische Antragstellung/Abwicklung, die Verwendung bestehender Internet-Portale, die elektronische Identifikation und das elektronische Signieren.
- 4. Für jede betroffene Personengruppe/Unternehmensgruppierung sind die einzelnen Verwaltungstätigkeiten zu identifizieren.
- 5. Die Verwaltungskosten sind gemäß nachstehender Bestimmungen zu ermitteln:
- a) Die Verwaltungskosten einer Informationsverpflichtung für Bürgerinnen und Bürger ergeben sich aus der jeweiligen Summe der Zeit und der Summe der direkten Kosten aller Verwaltungstätigkeiten. Die Berechnung der Verwaltungskosten für Bürgerinnen und Bürger hat pro Personengruppe und Jahr folgendermaßen zu erfolgen:
- b) Die Verwaltungskosten einer Informationsverpflichtung für Unternehmen ergeben sich aus der Summe der Kosten aller Verwaltungstätigkeiten. Die Verwaltungslasten einer Informationsverpflichtung für Unternehmen ergeben sich aus den Verwaltungskosten abzüglich der Sowieso-Kosten. Die Berechnung hat pro Unternehmensgruppierung und Jahr folgendermaßen zu erfolgen:
Anlage 3
Normkostensätze für interne Stundensätze von Unternehmen in Euro
Qualifikationsklasse | Stundensatz nach Gemeinkostenaufschlag |
Führungskräfte1 | 75 |
Wissenschafter und akademische Berufe1 | 53 |
Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe1 | 46 |
Bürokräfte und kaufmännische Angestellte1 | 37 |
Handwerker und verwandte Berufe1 | 36 |
Hilfsarbeitskräfte1 | 25 |
Land- und forstwirtschaftliche Betriebe2 | 20 |
Durchschnittsstundensatz (für vereinfachte Abschätzung gemäß § 3)3 | 42 |
1) Quelle: VESTE 2010 der Statistik Austria; Median.
plus Aufschlag von 90%. Quelle: Lohnnebenkostenblatt 2007: Nebenkosten bei Löhnen, Gehältern und Lehrlingsentschädigungen sowie Überstunden, KMU Forschung, Stand 01.01.2007
plus Berücksichtigung der unproduktiven Anwesenheitszeiten auf Basis Lohnnebenkostenblatt 2007, KMU Forschung, BMF Annahme: 90% der Anwesenheitszeiten sind produktiv
plus Anpassung auf Basis der Steigerung des Arbeitskostenindex der Bundesanstalt Statistik Österreich bis einschließlich 2011; vom 18.06.2012
plus Aufschlag von 25% auf Basis des Standardkostenmodells
2) Basis: Grüner Bericht 2011, plus Aufschläge wie in FN 1.
3) Mittelwert der Stundensätze der Qualifikationsklassen
Fekter
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