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BGBl I 115/2011

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

115. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen
(NR: GP XXIV RV 1253 AB 1266 S. 113 . BR: AB 8536 S. 799 .)

115. Artikel 1

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG wird genehmigt.

Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen

Der Bund - vertreten durch die Bundesregierung - und die unterzeichnenden Länder - jeweils vertreten durch den Landeshauptmann bzw. die Landeshauptfrau - im Folgenden „Vertragsparteien“ genannt, sind übereingekommen, gemäß Artikel 15a des Bundes-Verfassungsgesetzes nachstehende Vereinbarung zu schließen:

Artikel 1

Zielsetzungen

(1) Ziel der Vereinbarung ist es, das Angebot der ganztägigen Schulformen (im Folgenden „schulische Tagesbetreuung“ genannt) für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen allgemein bildenden Pflichtschulen in bedarfsgerechter Form sowohl hinsichtlich der Anzahl der Betreuungsplätze als auch hinsichtlich der Betreuungsdauer auszubauen. Diese Maßnahme soll

  • ein bedarfsorientiertes Angebot für die Erziehungsberechtigten darstellen und somit zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen,
  • den Schülerinnen und Schülern eine qualitätsvolle schulische Betreuung bieten und diese in ihrer leistungsbezogenen und sozialen Entwicklung unterstützen,
  • die Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich der Bildungslaufbahnen fördern und
  • eine Verbesserung der schulischen Infrastruktur durch Unterstützungsleistungen des Bundes mit sich bringen.

(2) In der Freizeit an ganztägigen Schulformen sollen auch Erzieherinnen und Erzieher für die Freizeit an ganztägigen Schulformen (im Folgenden „Freizeitpädagoginnen und -pädagogen“ genannt) zum Einsatz kommen, deren Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen eingerichtet werden soll.

Artikel 2

Grundsätze für die Organisation der schulischen Tagesbetreuung

Die Tagesbetreuung an öffentlichen allgemein bildenden Pflichtschulen, die als ganztägige Schulformen geführt werden, soll

  • an Schultagen jedenfalls bis 16:00 Uhr angeboten werden,
  • nötigenfalls durch schulübergreifende oder durch schulartenübergreifende Führung sichergestellt werden und
  • (bei Bedarf) auch in der verschränkten Form geführt werden.

Artikel 3

Maßnahmen zum Ausbau der schulischen Tagesbetreuung

(1) Die Vertragsparteien kommen weiters überein, im jeweiligen Zuständigkeitsbereich die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um den Ausbau der Betreuungsplätze im Zusammenwirken zwischen Ländern und Gemeinden sicherzustellen.

(2) Der Bund hat in seinem Zuständigkeitsbereich dafür Sorge zu tragen, dass

  1. 1. die für den Ausbau der schulischen Tagesbetreuung nötigen schulgesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden,
  2. 2. zur Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern für die Freizeit an ganztägigen Schulformen Lehrgänge für Freizeitpädagogik an der Pädagogischen Hochschule gesetzlich vorgesehen, eingerichtet und bei Bedarf geführt werden,
  3. 3. die für den Einsatz von Freizeitpädagoginnen und -pädagogen nötigen schulrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden und
  4. 4. die Schulerhalter (unbeschadet einer allfälligen Finanzierung von infrastrukturellen Maßnahmen) für den Einsatz des Betreuungspersonals im Freizeitteil der schulischen Tagesbetreuung bis 16:00 Uhr durch eine Anschubfinanzierung in Form eines jährlichen Zweckzuschusses unterstützt werden.

(3) Die Länder haben in ihrem Zuständigkeitsbereich dafür Sorge zu tragen, dass

  1. 1. jedenfalls bis 16:00 Uhr und bei Bedarf darüber hinaus ab 15 Schülerinnen und Schülern (bzw. bei sonstigem Nichtzustandekommen einer schulischen Tagesbetreuung auch bei schulartenübergreifender Führung jedenfalls ab 12 angemeldeten Schülern) eine schulische Betreuung angeboten wird,
  2. 2. die Bedarfsmeldungen der Schulerhalter bzw. der Schulen in Bezug auf die schulische Tagesbetreuung auf Plausibilität geprüft werden,
  3. 3. die Anschubfinanzierungsmittel des Bundes durch die Schulerhalter widmungsgemäß verwendet werden und die für das Controlling nötigen Informationen durch die Schulerhalter zur Verfügung gestellt werden,
  4. 4. die Schulerhalter aufgrund der finanziellen Entlastungen gemäß Abs. 2 Z 4 Investitionen in die für die schulische Tagesbetreuung erforderliche Infrastruktur tätigen,
  5. 5. allfällige den Schulerhaltern zur Errichtung bzw. zum Betrieb der schulischen Tagesbetreuung gewährten Fördermittel der Länder von dieser Vereinbarung unberührt bleiben,
  6. 6. zusätzlich zur Abrechnung gemäß Artikel 6 Abs. 1 jährlich ein Bericht zur Maßnahme „Ausbau der schulischen Tagesbetreuung“ nach Vorgaben des Bundes zur Verfügung gestellt wird und
  7. 7. die für den Ausbau der schulischen Betreuung allenfalls nötigen landesgesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden

sowie weiters dafür einzutreten, dass

  1. 8. in schul- und unterrichtsfreien Zeiten (mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage) bedarfsgerechte außerschulische Betreuungsangebote bereitgestellt werden und die Erziehungsberechtigten entsprechend darüber informiert werden und
  2. 9. die bestehende außerschulische Betreuung nur in begründeten Ausnahmefällen (zB bei Einführung der verschränkten Form der schulischen Tagesbetreuung) zugunsten der schulischen Tagesbetreuung eingeschränkt oder eingestellt wird.

Artikel 4

Finanzierung und Zahlungsmodalitäten für die Freizeit im Rahmen der schulischen Tagesbetreuung bis 16.00 Uhr

(1) Der Bund wird zur Abdeckung des Mehraufwandes der Länder und Gemeinden für die Freizeit der schulischen Tagesbetreuung, die an Schultagen bis 16:00 Uhr stattfindet, in den Schuljahren 2011/12 bis 2014/15 einen Zweckzuschuss im Sinne der §§ 12 und 13 F-VG 1948 in der Höhe von insgesamt 200,15 Mio. Euro folgendermaßen zur Verfügung stellen:

2011

2012

2013

2014

70,00 Mio. Euro

49,45 Mio. Euro

43,10 Mio. Euro

37,60 Mio. Euro

Artikel 5

Publizitätsbestimmungen

(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit die gemeinsamen Anstrengungen hinsichtlich des quantitativen und qualitativen Ausbaus der schulischen Tagesbetreuung zum Ausdruck zu bringen.

(2) In sämtlichen Print- und Online-Produkten ist neben dem entsprechenden sprachlichen Hinweis stets auch neben einem etwaigen einvernehmlich festgelegten Logo der Länder-Bund-Ausbauinitiative das Logo des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur an gut sichtbarer Stelle und in angemessener Größe zu platzieren.

Artikel 6

Berichtslegung, Controlling und Evaluierung

(1) Die Verwendung der Mittel hat nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erfolgen. Die Länder erstatten bis 31. Oktober für das begonnene Schuljahr die Meldung zum Bedarf gemäß Art. 4 Abs. 3 Z 3. Zum Ende des Kalenderjahres hat der Bund von den Ländern den Nachweis über die zweckgebundene Verwendung der Mittel im vergangenen Schuljahr in Form einer Abrechnung zu erhalten. Als Nachweis der Angebotsförderung haben die Länder die eingesetzten Mittel (getrennt nach Personalaufwand und Sachaufwand bzw. Investitionsausgaben), die Form der Tagesbetreuung, die Anzahl der betreuten Schülerinnen und Schüler, die Anzahl der Betreuungsgruppen und den Personaleinsatz je einzelner Schule darzustellen. Weiters hat daraus hervorzugehen, an welchen Schulen es zu einem erstmaligen Angebot einer Tagesbetreuung gekommen ist.

(2) Die Länder verpflichten sich, den Nachweis der Auszahlung der Gelder an den Schulerhalter sowie die widmungsgemäße Verwendung der Mittel durch die Schulerhalter im Rahmen der schulischen Tagesbetreuung nach Maßgabe der Qualitätskriterien gemäß Art. 4 Abs. 3 Z 1 zu überprüfen und dem Bund etwaige festgestellte Verstöße zu melden, an die sich die Verpflichtung zur Rückzahlung der Mittel zu knüpfen hat.

(3) Der Bund behält sich das Recht vor, Einzelfallüberprüfungen an Schulen vorzunehmen und die eingesetzten Mittel bei etwaigen Verstößen zurückzufordern.

(4) Nach drei Jahren ist eine Evaluierung durch den Bund durchzuführen, die aufbauend auf den Berichten der Länder gemäß Art. 3 Abs. 3 Z 6 eine zusammenfassende Darstellung der Maßnahme zu umfassen hat.

Artikel 7

Inkrafttreten

(1) Sind die nach der Bundesverfassung erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten seitens des Bundes bis zum Ablauf des 25. November 2011 erfüllt, tritt diese Vereinbarung mit 1. September 2011 zwischen dem Bund und jenen Ländern in Kraft, die die nach den jeweiligen Landesverfassungen erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten bis zum Ablauf des 25. November 2011 erfüllen und dies dem Bundeskanzleramt melden.

(2) Liegen bis zum Ablauf des 25. November 2011 die Voraussetzungen für das Inkrafttreten nach der Bundesverfassung nicht vor oder erfüllt kein Land die Voraussetzungen gemäß Abs. 1, wird diese Vereinbarung mit nächstfolgendem 1. September jenes Jahres wirksam, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind.

(3) Das Bundeskanzleramt wird dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und den Ländern die Erfüllung der Voraussetzungen nach Abs. 1, 2 oder nach Artikel 8 mitteilen.

(4) Die Vertragsparteien werden rechtzeitig vor dem Auslaufen der Vereinbarung Verhandlungen über die Weiterführung der schulischen Tagesbetreuung sowie eine allfällige Berücksichtigung in der nächsten Finanzausgleichsperiode aufnehmen.

Artikel 8

Beitritt

Diese Vereinbarung steht den Ländern, die sie am 25. November 2011 gemäß § 8 Abs. 1 noch nicht unterzeichnet haben, zum Beitritt offen. Sie wird diesen gegenüber jeweils mit 1. September jenes Jahres wirksam, in dem bis zum Ablauf des 15. August die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 erfüllt sind und die Mitteilungen dieser Länder darüber beim Bundeskanzleramt vorliegen.

Artikel 9

Geltungsdauer

Diese Vereinbarung gilt bis Ende des Schuljahres 2014/15.

Artikel 10

Urschrift

Diese Vereinbarung wird in einer Urschrift ausgefertigt. Die Urschrift wird beim Bundeskanzleramt hinterlegt. Dieses hat den Ländern als gegenbeteiligten Vertragsparteien beglaubigte Abschriften der Vereinbarung zu übermitteln

Die Vereinbarung ist gemäß Art. 7 Abs. 1 mit 1. September 2011 zwischen dem Bund und allen Ländern in Kraft getreten.

Faymann

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