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BGBl II 265/2008

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

265. Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft (GeO der VA 2008)

265. Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft (GeO der VA 2008)

Organisation der Volksanwaltschaft

§ 1. (1) Die Volksanwaltschaft besteht aus drei Mitgliedern, von denen jeweils eines den Vorsitz ausübt. Der Vorsitz in der Volksanwaltschaft wechselt in der Reihenfolge der Bestimmung des Art. 148g Abs. 3 B-VG jährlich.

(2) Der Aufgabenbereich der Mitglieder der Volksanwaltschaft wird durch die Geschäftsverteilung unter Anführung der/dem Vorsitzenden und den einzelnen Mitgliedern der Volksanwaltschaft zur selbstständigen Erledigung obliegenden Aufgaben (Geschäftsbereiche) festgelegt. Der kollegialen Beschlussfassung sind alle nicht durch die Geschäftsverteilung den Mitgliedern der Volksanwaltschaft zur selbstständigen Erledigung übertragenen Aufgaben, insbesondere die in § 8 dieser Geschäftsordnung aufgezählten Angelegenheiten, vorbehalten.

(3) Die/Der Vorsitzende der Volksanwaltschaft und jedes Mitglied der Volksanwaltschaft können unbeschadet ihrer Verantwortlichkeit bestimmte der laufenden Agenden im Sinne des § 4 Abs. 1 des Volksanwaltschaftsgesetzes der Kanzlei der Volksanwaltschaft unter Aufrechterhaltung ihrer Weisungsbefugnis zur selbstständigen Erledigung übertragen. Eine diesbezügliche Entscheidung ist in kollegialer Beschlussfassung zu treffen und den Bediensteten des Hauses bekannt zu geben.

(4) Jedem Mitglied der Volksanwaltschaft ist zur Wahrnehmung der in ihrem/seinem Geschäftsbereich anfallenden Aufgaben die erforderliche Anzahl von Bediensteten beigegeben bzw. beizugeben. Über die Zuweisung von Bediensteten der Volksanwaltschaft zu einem Geschäftsbereich entscheidet über Antrag eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft das Kollegium der Volksanwaltschaft. Eine solche Beschlussfassung erfordert Einstimmigkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft.

(5) Unbeschadet der in Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG getroffenen Regelungen übt jedes Mitglied der Volksanwaltschaft hinsichtlich der ihr/ihm gemäß Abs. 4 beigegebenen Bediensteten die unmittelbare Weisungs- und Aufsichtsfunktion aus.

(6) Jedes Mitglied der Volksanwaltschaft kann unbeschadet seiner Verantwortlichkeit eine/einen Bedienstete/Bediensteten mit der fachlichen Leitung seines Geschäftsbereiches (Leiterin/Leiter des Geschäftsbereiches) betrauen. Die Bestellung einer/eines Stellvertreterin/Stellvertreters ist zulässig. Die Leiterin/Der Leiter des Geschäftsbereiches (Stellvertreterin/Stellvertreter) muss das Studium der Rechtswissenschaften vollendet haben. Eine solche Betrauung kann jederzeit widerrufen werden. Der Umfang der im Auftrag des Mitglieds der Volksanwaltschaft danach wahrzunehmenden Aufgaben wird vom Mitglied der Volksanwaltschaft für ihren/seinen Geschäftsbereich festgelegt und kann von ihr/ihm jederzeit abgeändert werden. Hierbei ist insbesondere auf die Umsetzung der grundsätzlichen Entscheidungen des Mitglieds der Volksanwaltschaft sowie die damit zusammenhängende Koordination und Kontrolle der Arbeit Bedacht zu nehmen. Sofern nicht ausdrücklich anderes verfügt wurde, umfasst die fachliche Leitung des Geschäftsbereiches auch die Führung des Sekretariates des Mitglieds der Volksanwaltschaft sowie die Wahrnehmung der mit dem Dienst um das Mitglied der Volksanwaltschaft verbundenen Obliegenheiten.

(7) Die Leiterin/Der Leiter des Geschäftsbereiches der/des jeweiligen Vorsitzenden hat die Verwaltung unter der unmittelbaren Weisungsbefugnis und Aufsicht der/des Vorsitzenden zu leiten. Ihre/Sein Stellvertreterin/Stellvertreter in dieser Funktion sind die Leiterinnen/die Leiter der Geschäftsbereiche der Mitglieder der Volksanwaltschaft, in der Reihenfolge der Vorsitzführung, wie sie in Art. 148g Abs. 3 B-VG bestimmt ist.

(8) Die in dieser Geschäftsordnung verwendeten personenbezogenen Bezeichnungen können für weibliche und männliche Mitglieder des Kollegiums sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses in der Form verwendet werden, die das Geschlecht der Amtsinhaberin oder des Amtsinhabers zum Ausdruck bringen.

Einberufung zu den Sitzungen der Volksanwaltschaft

§ 2. (1) Die/Der Vorsitzende hat die Mitglieder der Volksanwaltschaft mindestens zwölfmal jährlich zu einer Sitzung unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen und unter Bekanntgabe der Tagesordnung einzuberufen. Darüber hinaus kann die/der Vorsitzende, wenn sie/er es für erforderlich erachtet, jederzeit eine Sitzung einberufen.

(2) Die/Der Vorsitzende hat auch eine Sitzung einzuberufen, wenn es ein Mitglied der Volksanwaltschaft verlangt. In diesem Fall ist die Sitzung so anzuberaumen, dass sie längstens zwei Wochen nach Vorbringen dieses Verlangens stattfindet.

(3) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft sind verpflichtet, an den Sitzungen der Volksanwaltschaft teilzunehmen. Im Falle der Verhinderung haben sie ein anderes Mitglied der Volksanwaltschaft mit ihrer Vertretung zu betrauen. Ist die/der Vorsitzende verhindert, gehen ihre/seine Obliegenheiten auf die Dauer ihrer/seiner Verhinderung auf jenes Mitglied der Volksanwaltschaft über, welches im Sinne des Art. 148g Abs. 3 B-VG als nächstfolgende/r Vorsitzende/r vorgesehen ist.

(4) Anträge auf Änderung oder Ergänzungen der Tagesordnung können von jedem Mitglied der Volksanwaltschaft bis zu Beginn der Sitzung gestellt werden. Über derartige Anträge ist vor Eingehen in die Tagesordnung zu beschließen.

(5) Unterlagen, die auf die einzelnen Tagesordnungspunkte Bezug haben, sollen spätestens 10 Tage vor der Sitzung den Mitgliedern der Volksanwaltschaft bekannt gegeben werden.

(6) Die Übermittlung der Einladungen sowie der Unterlagen auf elektronischem Wege ist zulässig.

Vertraulichkeit der Sitzungen

§ 3. (1) Die Sitzungen der Volksanwaltschaft sind nicht öffentlich.

(2) Zu den Sitzungen der Volksanwaltschaft kann von jedem Mitglied der Volksanwaltschaft die/der Leiterin/Leiter ihres/seines Geschäftsbereiches oder deren/dessen Stellvertreterin/Stellvertreter mit beratender Stimme bei gezogen werden; über entsprechenden Beschluss können auch weitere Personen zur Auskunftserteilung an den Sitzungen teilnehmen.

(3) Alle Teilnehmer an den Sitzungen der Volksanwaltschaft unterliegen im Umfange des Art. 148b Abs. 2 B-VG der Amtsverschwiegenheit.

Führung des Vorsitzes

§ 4. Die/Der jeweilige Vorsitzende leitet die Sitzung. Sie/Er kann die Sitzung unterbrechen oder vertagen.

Berichterstattung

§ 5. Berichterstatterin/Berichterstatter ist jenes Mitglied der Volksanwaltschaft, das auf Grund der Geschäftsverteilung zuständig ist, sofern die Volksanwaltschaft nichts anderes beschließt.

Beschlussfassung

§ 6. (1) Die Volksanwaltschaft trifft ihre kollegialen Entscheidungen durch Beschlüsse. Zur kollegialen Beschlussfassung der Volksanwaltschaft ist die Anwesenheit aller drei Mitglieder der Volksanwaltschaft erforderlich. Die Volksanwaltschaft ist aber auch dann beschlussfähig, wenn nur zwei Mitglieder der Volksanwaltschaft anwesend sind und das abwesende Mitglied der Volksanwaltschaft eines der beiden anderen Mitglieder der Volksanwaltschaft schriftlich mit seiner Vertretung betraut hat. Das vertretene Mitglied der Volksanwaltschaft kann hinsichtlich seiner Stimme dem vertretenden Mitglied der Volksanwaltschaft ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu den einzelnen Tagesordnungspunkten auftragen. Sofern kein Mitglied der Volksanwaltschaft eine mündliche Erörterung verlangt, können Beschlüsse auch im Umlaufweg gefasst werden.

(2) Für eine Beschlussfassung ist die Mehrheit der Stimmen erforderlich, sofern nicht die Einstimmigkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft gefordert wird.

(3) Das Mitglied der Volksanwaltschaft, dessen Auffassung über die Erledigung eines Punktes der Tagesordnung nicht die Mehrheit gefunden hat, ist befugt, seine Meinung schriftlich dem Protokoll über diese Sitzung anzufügen.

Aufzeichnungen und Protokolle

§ 7. (1) Die von der Volksanwaltschaft gefassten Beschlüsse sind in einem Protokoll festzuhalten. Die Führung des Protokolls obliegt der/dem Vorsitzenden, die/der sich dabei einer/eines von ihr/ihm der Sitzung bei gezogenen Bediensteten bedienen kann.

(2) Das Protokoll ist von den anwesenden Mitgliedern der Volksanwaltschaft und der Schriftführerin/dem Schriftführer zu unterfertigen.

(3) Jedem Mitglied der Volksanwaltschaft ist eine Ausfertigung des Protokolls zu übermitteln. Die Übermittlung des Protokolls auf elektronischem Wege ist zulässig.

Angelegenheiten der kollegialen Beschlussfassung

§ 8. Der kollegialen Beschlussfassung der Volksanwaltschaft sind jedenfalls vorbehalten:

  1. 1. Berichte an den Nationalrat und die Landtage;
  2. 2. Anträge an den Verfassungsgerichtshof auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Verordnungen;
  3. 3. Anträge an den Verfassungsgerichtshof auf Entscheidung im Falle von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft regeln;
  4. 4. die Geschäftsordnung und die Geschäftsverteilung sowie die Beschlussfassung nach § 1 Abs. 4;
  5. 5. Vorschläge an den Bundespräsidenten auf Verleihung von Berufstiteln und Ehrenzeichen;
  6. 6. die Behandlung jener Angelegenheiten, deren Erledigung grundsätzliche Bedeutung hat oder über den Einzelfall hinausgehende Auswirkungen erwarten lässt, wie zum Beispiel Empfehlungen (Art. 148c B-VG) und auf die Beseitigung der Säumnis eines Gerichtes (Art. 148a Abs. 3 B-VG) gerichtete Fristsetzungsanträge;
  7. 7. Angelegenheiten, die auf Antrag eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft durch kollegiale Beschlussfassung erledigt werden sollen;
  8. 8. die Übertragung der Zuständigkeit zur selbstständigen Erledigung von Einzelfällen auf ein anderes Mitglied der Volksanwaltschaft über Antrag des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitglieds der Volksanwaltschaft. Die Beschlussfassung erfordert Einstimmigkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft (§ 6 Geschäftsverteilung der Volksanwaltschaft - GeV der VA 2008).
  9. 9. für Angelegenheiten, die ihrem sachlichen Inhalt nach dem Bereich eines anderen Mitglieds der Volksanwaltschaft zuzuordnen sind, ist jedes Mitglied der Volksanwaltschaft berechtigt, eine Missstandsprüfung im Sinne des Art. 148a Abs. 1 und 2 B-VG zu beantragen. Diese Beschlussfassung erfordert Einstimmigkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft.
  10. 10. grundsätzliche Angelegenheiten der Volksanwaltschaft, wie zB Personalwesen, Haushaltswesen, automationsunterstützte Datenverarbeitung, Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft, grundsätzliche Fragen der Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen in der Volksanwaltschaft, die Herausgabe von Publikationen der Volksanwaltschaft.

Angelegenheiten, die von den einzelnen Mitgliedern der Volksanwaltschaft selbstständig wahrzunehmen sind

§ 9. (1) Die nicht der kollegialen Beschlussfassung der Volksanwaltschaft vorbehaltenen Angelegenheiten (§ 1 Abs. 2) werden auf Grund der Geschäftsverteilung von den einzelnen Mitgliedern der Volksanwaltschaft selbstständig besorgt.

(2) Jedes Mitglied der Volksanwaltschaft ist berechtigt, zu ihrem/seinem Prüfbereich zu Themen ihrer/seiner Wahl Pressekonferenzen (auch unter Beteiligung Betroffener, Wissenschafterinnen/Wissenschafter und Auskunftspersonen) abzuhalten. Davon ist das Kollegium termingerecht zu informieren.

(3) Jedes Mitglied der Volksanwaltschaft hat für den Fall ihrer/seiner Verhinderung Vorsorge für seine Vertretung zu treffen; eine Aufteilung der Angelegenheiten ist dabei zulässig.

(4) Ist ein Mitglied der Volksanwaltschaft auf Grund schwer wiegender Umstände nicht in der Lage, für ihre/seine Vertretung bei einer länger dauernden Verhinderung zu sorgen, so haben die beiden anderen Mitglieder der Volksanwaltschaft zur Gewährleistung der Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben der Volksanwaltschaft bis zu einer Entscheidung des verhinderten Mitglieds der Volksanwaltschaft einvernehmlich die Vertretung festzulegen.

Akteneinsicht

§ 10. (1) Jedes Mitglied der Volksanwaltschaft hat das Recht auf uneingeschränkte Einsicht in alle Akten der Volksanwaltschaft.

(2) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft können unbeschadet ihrer sonstigen Informationsrechte in Einzelfällen übereinkommen, über jeden Vorgang in einem Prüfverfahren laufend Informationen zu erhalten.

Vorzeitiges Ausscheiden eines Mitglieds der Volksanwaltschaft

§ 11. (1) Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Mitglieds der Volksanwaltschaft hat die/der Vorsitzende dies unverzüglich dem Präsidenten des Nationalrates anzuzeigen.

(2) Die auf Grund der Geschäftsverteilung dem ausgeschiedenen Mitglied der Volksanwaltschaft zukommenden Angelegenheiten gehen bis zum Amtsantritt eines neuen Mitglieds der Volksanwaltschaft zur einvernehmlichen Besorgung auf die beiden im Amt verbleibenden Mitglieder der Volksanwaltschaft über; mit dem Amtsantritt eines neuen Mitglieds der Volksanwaltschaft auf dieses.

(3) Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens der/des Vorsitzenden gehen deren/dessen Obliegenheiten bis zum Amtsantritt der/des neuen Vorsitzenden, unbeschadet der Regelung in Abs. 2 auf jenes Mitglied der Volksanwaltschaft über, welches im Sinne des Art. 148g Abs. 3 B-VG als nächstfolgende/r Vorsitzende/r vorgesehen ist.

§ 12. Diese Geschäftsordnung tritt mit 14. Juli 2008 in Kraft.

Kostelka Brinek Stoisits

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