vorheriges Dokument
nächstes Dokument

BGBl II 233/2007

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

233. Kundmachung: Standardkostenmodell-Richtlinien

233. Kundmachung des Bundesministers für Finanzen betreffend Richtlinien zur Anwendung des Standardkostenmodells (Standardkostenmodell-Richtlinien)

Auf Grund des § 14a Abs. 3 des Bundeshaushaltsgesetzes (BHG), BGBl. Nr. 213/1986, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 24/2007, werden folgende Richtlinien erlassen:

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Gegenstand

§ 1. Diese Richtlinien regeln die Ermittlung und Dokumentation der Verwaltungskosten und die Darstellung der Verwaltungslasten für Unternehmen aus Informationsverpflichtungen anhand des Standardkostenmodells, die sich durch den Entwurf einer neuen rechtsetzenden Maßnahme gemäß § 14a Abs. 1 des Bundeshaushaltsgesetzes (BHG), BGBl. Nr. 213/1986 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2007, ergeben.

Geltungsbereich

§ 2. (1) Der/die jeweils zuständige Bundesminister/in hat bei Entwürfen für Bundesgesetze, Verordnungen oder Maßnahmen grundsätzlicher Art die Verwaltungskosten für Unternehmen aus Informationsverpflichtungen anhand des Standardkostenmodells zu ermitteln und zu dokumentieren und die Verwaltungslasten darzustellen.

(2) Die Ermittlung der Verwaltungskosten erfolgt durch Prüfung der Rechtsvorschriften (§ 6), Erhebung der Daten (§ 7) und Berechnung gemäß dem Standardkostenmodell (§ 8).

(3) Die Darstellung (§ 10) ist bei Gesetzes- und Verordnungsentwürfen in die Erläuterungen aufzunehmen. Die Dokumentation (§ 9) hat vor dem Zeitpunkt der Aussendung zur Begutachtung zu erfolgen. Sofern Gesetzes- oder Verordnungsentwürfe, die Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorsehen, keinem Begutachtungsverfahren unterzogen werden oder bei Entwürfen für Maßnahmen grundsätzlicher Art, die Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorsehen, ist der jeweilige Entwurf dem/der Bundesminister/in für Finanzen gemeinsam mit der schriftlichen Darstellung so rechtzeitig vor Einbringung eines Ministerratsvortrags oder vor Erlassung zu übermitteln, dass diesem/dieser eine angemessene Frist zur Abgabe einer Stellungnahme an den/die jeweils zuständige/n Bundesminister/in über die ordnungsgemäße Anwendung des Standardkostenmodells verbleibt. Die Dokumentation hat vor diesem Zeitpunkt zu erfolgen.

Berechnungszeitraum

§ 3. Die Höhe der Verwaltungskosten für Unternehmen aus Informationsverpflichtungen ist für die Dauer eines Jahres zu berechnen. Bei der Berechnung ist auf ein übliches Jahr abzustellen.

Begriffsbestimmungen

§ 4. Für diese Richtlinien sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

  1. 1. Rechtsvorschriften sind Bundesgesetze, Verordnungen und Maßnahmen grundsätzlicher Art des Bundes wie beispielsweise Erlässe oder Richtlinien.
  2. 2. Eine Informationsverpflichtung ist eine aus einer Rechtsvorschrift gemäß Z 1 resultierende Pflicht eines Unternehmens, Informationen zusammenzustellen oder bereitzuhalten und diese - unaufgefordert oder auf Verlangen - einer Behörde, anderen Institutionen oder Dritten zur Verfügung zu stellen oder zu übermitteln, ausgenommen solche, die
    1. a) aus strafrechtlichen Rechtsvorschriften resultieren,
    2. b) ausschließlich Unternehmen betreffen, an denen eine Gebietskörperschaft zu mindestens 50% finanziell beteiligt ist,
    3. c) durch rechtswidriges Verhalten des Unternehmens selbst oder eines Dritten ausgelöst werden,
    4. d) in gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren aufgrund einzelfallbezogener Anordnungen eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde entstehen und
    5. e) sich aus allgemeinem Vertragsrecht oder allgemeinen Interessenswahrungs- und Auskunftsverpflichtungen ergeben und keine darüber hinaus gehende inhaltliche oder formelle Erfordernisse enthalten.
  3. 3. Dritte im Sinne der Z 2 sind insbesondere Unternehmen, Verbraucher/innen, Arbeitnehmer/innen und Betriebsräte.
  4. 4. Datenerfordernisse sind Bestandteile einer Informationsverpflichtung, die ein Unternehmen erbringen muss, um die Informationsverpflichtung zu erfüllen.
  5. 5. Standardverwaltungstätigkeiten sind standardisierte Prozesse, die in Unternehmen anfallen, um den Datenerfordernissen oder einer Informationsverpflichtung nachzukommen.
  6. 6. Ein Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit mit Sitz oder Niederlassung in Österreich, Gewinnerzielungsabsicht und Mindestumsätzen in der Höhe von 22 000 Euro pro Jahr sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe.
  7. 7. Ein gesetzliches Segment ist eine Teilmenge der von einer Informationsverpflichtung betroffenen Unternehmen (Normadressaten), wobei die Rechtsvorschrift selbst die Teilmenge vorgibt.
  8. 8. Ein anlassbezogenes Segment ist eine Teilmenge der von einer Informationsverpflichtung betroffenen Unternehmen (Normadressaten), die nach bestimmten Kriterien, wie zB Größe, Branche oder Anzahl der Beschäftigten, gebildet wird.
  9. 9. Verwaltungskosten (im weiteren Sinn) sind jene Kosten, die den Unternehmen durch die Erfüllung von Informationsverpflichtungen entstehen. Diese bestehen aus Sowieso-Kosten gemäß Z 10 und Verwaltungslasten gemäß Z 11. Keine Verwaltungskosten sind: Umsatzverluste, Kosten rechtsfreundlicher Vertretung zur Rechtsdurchsetzung, Abgaben, Steuern und Gebühren (finanzielle Kosten), Kosten, die im Unternehmen entstehen, um der inhaltlichen Verpflichtung einer Rechtsvorschrift nachzukommen (materielle Erfüllungskosten) und Kosten, die von staatlicher Stelle rückvergütet werden.
  10. 10. Sowieso-Kosten sind jene Kosten, die Unternehmen auch dann aufwenden würden, wenn die in der Rechtsvorschrift normierte Informationsverpflichtung aufgehoben werden würde.
  11. 11. Verwaltungslasten sind Verwaltungskosten gemäß § 14a BHG (Verwaltungskosten im engeren Sinn), nämlich jene Kosten, die unmittelbar durch eine Rechtsvorschrift verursacht werden.
  12. 12. Goldplating ist die Schaffung von über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden Anforderungen, insbesondere inhaltliche Erweiterungen, Erweiterung des Kreises der Normadressaten oder Erhöhung der Häufigkeit, mit der eine Informationsverpflichtung erfüllt werden muss.
  13. 13. Die Datenbank BRIT ist die vom Bundesministerium für Finanzen zur Verfügung gestellte webbasierte Datenbankanwendung zur Berechnung der Verwaltungskosten gemäß § 8 sowie zur Dokumentation der Daten gemäß § 9.
  14. 14. E-Government im Sinne des Standardkostenmodells liegt vor, wenn eine zumindest zweiseitige Interaktion mit einem elektronischen Formular zum Start des Verfahrens möglich ist oder Transaktionen mit einem E-Antrag inklusive aller im realen Leben notwendigen Schritte (vollständig elektronische Fallabwicklung, Entscheidung, Benachrichtigung, Bereitstellung, Bezahlung) möglich sind.
  15. 15. Expertengespräche sind persönliche Gespräche mit mindestens vier Fachkundigen, insbesondere mit Vertreter/innen von Unternehmen, ressortexternen Fachkundigen, wie zB Vertreter/innen von freiwilligen oder gesetzlichen Interessenvertretungen, oder mit ressortinternen Fachkundigen, wobei zumindest zwei ressortexterne Fachkundige, davon zumindest ein/eine Vertreter/in eines Unternehmens, zu befragen sind.
  16. 16. Expertenschätzung ist eine von einem oder einer Fachkundigen vorgenommene Schätzung.

2. Abschnitt

Ermittlung der Verwaltungskosten anhand des Standardkostenmodells

Bagatellgrenze

§ 5. (1) Informationsverpflichtungen, deren Erfüllung nicht mehr als 1 000 Stunden Zeitaufwand von allen betroffenen Unternehmen erfordert oder deren Verwaltungslasten nicht mehr als 40 000 Euro pro Jahr betragen, fallen unter die Bagatellgrenze.

(2) Zur Feststellung der Bagatellgrenze gemäß Abs. 1 sind die Informationsverpflichtungen der Rechtsvorschrift zu identifizieren und die Verwaltungslasten für die größte Informationsverpflichtung zu ermitteln. Mit Ausnahme der Dokumentation der größten Informationsverpflichtung gemäß § 9 Abs. 2 entfallen für alle anderen unter der Bagatellgrenze liegenden Informationsverpflichtungen die in §§ 6 bis 10 enthaltenen Verpflichtungen.

Prüfung der Rechtsvorschriften

§ 6. Die Ermittlung der Verwaltungskosten hat für jede Informationsverpflichtung, die nicht unter die Bagatellgrenze gemäß § 5 Abs. 1 fällt, gesondert zu erfolgen. Hiebei ist folgendermaßen vorzugehen:

  1. 1. Die Informationsverpflichtungen der Rechtsvorschrift sind zu kategorisieren und nach ihrem Ursprung wie folgt zu analysieren:
    1. a) A: Informationsverpflichtungen, die in einer gemeinschaftsrechtlichen oder internationalen Rechtsvorschrift geregelt werden,
    2. b) B: Informationsverpflichtungen, die dem Grunde nach in einer gemeinschaftsrechtlichen oder internationalen Rechtsvorschrift geregelt, jedoch durch innerstaatliches Recht spezifiziert werden,
    3. c) C: Informationsverpflichtungen, die ausschließlich in einer nationalen Rechtsvorschrift geregelt werden.
  2. 2. Die gesetzlichen Segmente sind zu identifizieren. Bei Vorliegen einer Informationsverpflichtung gemäß § 7 Abs. 3 sind erforderlichenfalls anlassbezogene Segmente zu bilden. Wird eine E-Government Anwendung für die Erfüllung der Informationsverpflichtung zur Verfügung gestellt, ist ein eigenes Segment zu bilden (E-Government Segment).
  3. 3. Für jedes Segment sind die Datenerfordernisse zu identifizieren.
  4. 4. Für jedes Datenerfordernis sind die Standardverwaltungstätigkeiten zu identifizieren.
  5. 5. Weiters ist der/die Empfänger/in der Information und die Anwendung von Goldplating anzugeben.

Erhebung der Daten zur Berechnung

§ 7. (1) Die Daten zur Berechnung der Verwaltungskosten einer neu eingeführten oder geänderten Informationsverpflichtung gemäß § 8 sind durch Expertenschätzung zu erheben. Dabei ist auch der prozentuelle Anteil der Sowieso-Kosten an den Verwaltungskosten zu ermitteln.

(2) Ist eine Informationsverpflichtung komplex, sind die gemäß Abs. 1 erhobenen Daten im Rahmen von Expertengesprächen zu überprüfen und allenfalls zu korrigieren.

(3) Eine Informationsverpflichtung ist dann komplex, wenn mit der Erfüllung der Informationsverpflichtung ein Zeitaufwand von mehr als 25 000 Stunden oder Verwaltungslasten von mehr als einer Million Euro pro Jahr für alle betroffenen Unternehmen verbunden ist.

Berechnung der Verwaltungskosten

§ 8. (1) Die Berechnung der Kosten der Standardverwaltungstätigkeiten hat gemäß nachstehender Formel zu erfolgen:

Kosten der Standardverwaltungstätigkeit = [(Zeit × interner Stundensatz × Frequenz pro Jahr) + Jährliche Abschreibung für die Anschaffungskosten + Kosten externer Dienstleistungen] × Anzahl der Unternehmen

Hierbei gelten folgende Begriffsbestimmungen:

  1. 1. Zeit ist die in Stunden dargestellte Dauer, die zur Verrichtung einer Verwaltungstätigkeit benötigt wird (Dezimaldarstellung).
  2. 2. Interner Stundensatz: Als interner Stundensatz für im Unternehmen beschäftigte Personen sind die in Anlage 1 festgelegten Normkostensätze heranzuziehen.
  3. 3. Kosten externer Dienstleister: Als Kosten externer Dienstleister sind entweder die Anzahl der Stunden eines externen Dienstleisters multipliziert mit dem jeweiligen Stundensatz oder die Kosten einer Pauschalleistung heranzuziehen.
  4. 4. Frequenz: Häufigkeit, mit der eine Informationsverpflichtung oder ein Datenerfordernis in einem Jahr zu erbringen ist.
  5. 5. Anschaffungskosten: Einmalige Aufwendungen für Vermögensgegenstände, die ein Unternehmen tätigen muss, um einer Informationsverpflichtung nachzukommen und die nicht auch anderweitig genutzt werden.
  6. 6. Anzahl der Unternehmen: Anzahl der betroffenen Unternehmen je Segment.

(2) Die Verwaltungskosten einer Informationsverpflichtung ergeben sich aus der Summe der Kosten aller Standardverwaltungstätigkeiten, die jeweils nach Abs. 1 errechnet werden:

Verwaltungskosten einer Informationsverpflichtung = Summe der Kosten aller Standardverwaltungstätigkeiten.

(3) Die Verwaltungslasten einer Informationsverpflichtung ergeben sich aus den Verwaltungskosten gemäß Abs. 2 abzüglich der Sowieso-Kosten.

3. Abschnitt

Dokumentation der Verwaltungskosten und Darstellung der Verwaltungslasten

Dokumentation der Verwaltungskosten

§ 9. (1) Die Berechnung (§ 8) und die Dokumentation der Verwaltungskosten einer Informationsverpflichtung hat in der Datenbank BRIT zu erfolgen.

(2) Sofern alle Informationsverpflichtungen einer Rechtsvorschrift unter die Bagatellgrenze gemäß § 5 Abs. 1 fallen, sind die in Abs. 3 angeführten Angaben nur für die größte Informationsverpflichtung einer Rechtsvorschrift zu dokumentieren.

(3) Für jene Informationsverpflichtungen, die nicht unter die Bagatellgrenze gemäß § 5 Abs. 1 fallen, sind die in Anlage 2 angeführten Daten zu dokumentieren.

Darstellung der Verwaltungslasten

§ 10. (1) Die schriftliche Darstellung ist bei Gesetzes- und Verordnungsentwürfen in die Erläuterungen aufzunehmen. Für diese Darstellung kann das Formblatt (Anlage 3) verwendet werden, welches den Erläuterungen anzuschließen ist. Sofern Verordnungsentwürfe keinem Begutachtungsverfahren unterzogen werden oder bei Entwürfen für Maßnahmen grundsätzlicher Art ist dem jeweiligen Entwurf das Formblatt (Anlage 3) anzuschließen.

(2) Sofern alle Informationsverpflichtungen einer Rechtsvorschrift unter die Bagatellgrenze gemäß § 5 Abs. 1 fallen, ist bei Gesetzes- und Verordnungsentwürfen in den Erläuterungen festzuhalten, dass die Rechtsvorschrift keine wesentlichen Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen verursacht. Sofern Verordnungsentwürfe keinem Begutachtungsverfahren unterzogen werden oder bei Entwürfen für Maßnahmen grundsätzlicher Art ist die Dokumentation gemäß § 9 Abs. 2 ausreichend.

(3) Für jene Informationsverpflichtungen, die nicht unter die Bagatellgrenze gemäß § 5 Abs. 1 fallen, hat die schriftliche Darstellung der Verwaltungslasten zumindest die im Formblatt (Anlage 3) angeführten Informationen zu enthalten.

In-Kraft-Treten

§ 11. Diese Richtlinien treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft, nicht jedoch vor dem 1. September 2007.

Anlage

Anlage 1 

Anlage

Anlage 2 

Anlage

Anlage 3 

Molterer

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)