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BGBl I 86/2005

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

86. Bundesgesetz: Anerkennungsgesetz 2005
(NR: GP XXII IA 614/A AB 1024 S. 116 . BR: AB 7354 S. 724 .)

86. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte erlassen wird

§ 1. Es wird festgestellt, dass mit dem Aufhebungs- und Einstellungsgesetz, StGBl. Nr. 48/1945, in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung StGBl. Nr. 155/1945, und mit der Befreiungsamnestie, BGBl. Nr. 79/1946, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 192/1947, alle Verurteilungen, die Gerichte, insbesondere Militär-, SS-, Sonder- oder Standgerichte, unter der nationalsozialistischen Herrschaft gegen Österreicher ausgesprochen haben und als Ausdruck typisch nationalsozialistischen Unrechts zu betrachten sind, rückwirkend aufgehoben wurden. Einer gesonderten, amtswegigen Prüfung und Feststellung bedarf es nicht.

§ 2. Der Nationalrat bezeugt mit diesem Bundesgesetz den Opfern derartiger Unrechtsurteile, insbesondere auch der Urteile der nationalsozialistischen Militärjustiz, und anderer nationalsozialistischer Unrechtsakte, den Opfern der politischen Verfolgung, den aus ihrer Heimat Vertriebenen, allen Opfern des vom nationalsozialistischen Regime zu verantwortenden Krieges und jenen, die zu dessen Beendigung und zur Befreiung Österreichs beigetragen haben, insbesondere den Personen im österreichischen Widerstand, und ebenso deren Familien Achtung und Mitgefühl.

Artikel II

Änderung des Opferfürsorgegesetzes

Das Opferfürsorgegesetz, BGBl. Nr. 183/1947, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 48/2005, wird wie folgt geändert:

1. § 1 Abs. 2 erster Satz lautet:

„Als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen anzusehen, die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen Gründen, als Opfer der NS-Militärjustiz, aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität oder im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung, der sexuellen Orientierung, des Vorwurfes der so genannten Asozialität oder medizinischer Versuche durch Maßnahmen eines Gerichtes, einer Verwaltungs- (im besonderen einer Staatspolizei- ) Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaß zu Schaden gekommen sind.“

2. In § 1 Abs. 2 wird nach lit. i) unter Setzung eines Beistrichs folgende lit. j) angefügt:

  1. „j) eine Zwangssterilisation.“

3. Im § 7 Abs. 2 entfällt der Ausdruck „oder Witwen(Witwer)beihilfe“, im § 11 Abs. 1 wird die Wortfolge „die Hinterbliebenenrente, die Unterhaltsrente und die Beihilfe“ durch die Wortfolge „die Hinterbliebenenrente und die Unterhaltsrente“, im bisherigen § 11 Abs. 8 die Wortfolge „der Unterhaltsrente, der Beihilfen und der Zulagen“ durch die Wortfolge „der Unterhaltsrente und der Zulagen“, im § 12 Abs. 1 und Abs. 2 erster Satz jeweils die Wortfolge „Empfänger einer Rentenfürsorgeleistung gemäß § 11 Abs. 6 oder 7“ durch die Wortfolge „Empfänger einer Rentenfürsorgeleistung gemäß § 11 Abs. 6“ und im § 12 Abs. 2 letzter Satz die Wortfolge „Rentenfürsorgeleistung gemäß § 11 Abs. 5 bis 7“ durch die Wortfolge „Rentenfürsorgeleistung gemäß § 11 Abs. 5 und 6“ ersetzt. Im bisherigen § 11 Abs. 9 entfällt jeweils der Ausdruck „(Beihilfe)“ und im bisherigen § 11 Abs. 12 entfällt der Ausdruck „und Beihilfen“.

4. § 11 Abs. 6 lautet:

„(6) Witwen (Witwer), Lebensgefährtinnen (Lebensgefährten) und Waisen nach Opfern, die Inhaber einer Amtsbescheinigung waren oder nach Opfern, die, wenn sie noch am Leben wären, einen Anspruch auf Ausstellung einer Amtsbescheinigung hätten, erhalten, ohne dass ein Anspruch auf Zuerkennung einer Amtsbescheinigung gegeben ist, Hinterbliebenenrente gemäß Abs. 3 und Unterhaltsrente gemäß Abs. 5.“

5. § 11 Abs. 7 entfällt.

6. Die bisherigen Abs. 8 bis 14 des § 11 erhalten die Absatzbezeichnung „(7)“ bis „(13)“. Im § 15 Abs. 8 letzter Satz wird die Wortfolge „nach Maßgabe der Bestimmungen des § 11 Abs. 5, 8 und 14“ durch die Wortfolge „nach Maßgabe der Bestimmung des § 11 Abs. 5“ ersetzt.

7. Dem § 18 Abs. 10 werden folgende Abs. 11, 12 und 13 angefügt:

„(11) Ansprüche, die durch das BGBl. I Nr. 86/2005 begünstigten Personen bereits vor dem In-Kraft-Treten des BGBl. I Nr. 86/2005 im Wege der Nachsicht zuerkannt wurden, gelten ab dem In-Kraft-Treten des BGBl. I Nr. 86/2005 als im Wege des Rechtsanspruches zuerkannt.

(12) Bringen die durch das BGBl. I Nr. 86/2005 begünstigten Personen innerhalb eines Jahres nach dem In-Kraft-Treten des BGBl. I Nr. 86/2005 Anträge nach diesem Bundesgesetz ein, sind die Rechtsansprüche bei Vorliegen der Voraussetzungen, frühestens ab dem In-Kraft-Treten des BGBl. I Nr. 86/2005 zuzuerkennen, soferne nicht bereits die Voraussetzungen gemäß Abs. 11 gegeben sind.

(13) Beziehern von rechtskräftig zuerkannten Beihilfen gemäß § 11 Abs. 7 des Opferfürsorgegesetzes in der bis zum In-Kraft-Treten des BGBl. I Nr. 86/2005 geltenden Fassung ist amtswegig Hinterbliebenenrente im Sinne des § 11 Abs. 6 zu gewähren. Anträge auf Beihilfe, über die bis zum In-Kraft-Treten des BGBl. I Nr. 86/2005 nicht rechtskräftig entschieden wurde, gelten ab diesem Zeitpunkt als Anträge auf Hinterbliebenenrente gemäß § 11 Abs. 6. Werden Anträge auf Zuerkennung von Rentenleistungen auf Grund der Änderung des § 11 Abs. 6 mit BGBl. I Nr. 86/2005 innerhalb eines Jahres ab In-Kraft-Treten des BGBl. I Nr. 86/2005 eingebracht, sind die Leistungen vom Zeitpunkt des Zutreffens der Voraussetzungen, frühestens jedoch ab diesem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens zuzuerkennen.“

8. Der bisherige § 18 Abs. 11 erhält die Absatzbezeichnung „(14)“.

9. Dem § 19 wird folgender Abs. 10 angefügt:

„(10) Die §§ 1 Abs. 2 erster Satz, Abs. 2 lit. i und j, 7 Abs. 2, 11 Abs. 1, 6 bis 13, 12 Abs. 1 und Abs. 2 erster und letzter Satz, 15 Abs. 8 letzter Satz sowie 18 Abs. 11 bis 14 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 86/2005 sowie die Aufhebung des bisherigen § 11 Abs. 7 treten mit 1. Juli 2005 in Kraft.“

Artikel III

Bundesgesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erinnerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird

§ 1. (1) Aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erhalten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einmalige Zuwendungen:

  1. 1. Personen im Sinne der §§ 2 und 5 des Bundesgesetzes über die Schaffung eines Ehrenzeichens für Verdienste um die Befreiung Österreichs, BGBl. Nr. 79/1976, denen ein bis zum 31. Dezember 2005 beantragtes Befreiungs-Ehrenzeichen verliehen wurde, oder Witwen (Witwer) eines Besitzers eines Befreiungs-Ehrenzeichens gemäß § 2 Abs. 1 des genannten Gesetzes, der die Zuwendung in Folge Ablebens nicht mehr erhalten kann;
  1. 2. Personen, die eine bis zum 31. Dezember 2005 beantragte Rentenleistung nach dem Opferfürsorgegesetz, BGBl. Nr. 183/1947, nach § 65 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 oder einen Härteausgleich hinsichtlich einer der genannten Leistungen beziehen;
  1. 3. Inhaber einer bis zum 31. Dezember 2005 beantragten Amtsbescheinigung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes oder deren Witwen (Witwer), sowie Witwen (Witwer) eines Opfers, das im Bezug einer unter Z 2 genannten Rentenleistung stand und die Zuwendung in Folge Ablebens nicht mehr erhalten kann;
  1. 4. Inhaber eines bis zum 31. Dezember 2005 beantragten Opferausweises im Sinne des Opferfürsorgegesetzes.

(2) Die Ehrengabe beträgt für Personen im Sinne der Z 1 1000 Euro, für Personen im Sinne der Z 2 800 Euro, für Personen im Sinne der Z 3 600 Euro und für Personen im Sinne der Z 4 500 Euro. Sie ist eine höchstpersönliche Leistung.

§ 2. (1) Die Zuwendungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 sind durch die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz von Amts wegen zu gewähren.

(2) Die Zuwendungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 werden gewährt, wenn der Berechtigte seinen Anspruch innerhalb eines Jahres nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anmeldet. Die Meldung hat beim zuständigen Amt der Landesregierung zu erfolgen. Die Zuständigkeit des Amtes der Landesregierung richtet sich nach dem Wohnsitz des Anspruchsberechtigten. Personen, die ihren dauernden Aufenthalt im Ausland haben, können den Anspruch bei der österreichischen Vertretungsbehörde, in deren Bereich sie ihren Aufenthalt haben, oder beim Amt der Wiener Landesregierung anmelden.

(3) Erfolgt die Anmeldung bei einer nicht zuständigen Behörde, bei einem Sozialversicherungsträger oder einem Gemeindeamt, so ist sie unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten und gilt als ursprünglich bei der zuständigen Behörde eingebracht.

(4) Erfolgt die Anmeldung des Anspruches erst zu einem späteren als dem im Abs. 2 angeführten Zeitpunkt, bleibt der Anspruch auf eine einmalige Zuwendung gewahrt, wenn glaubhaft gemacht wird, dass eine frühere Anmeldung aus triftigen Gründen nicht möglich war.

(5) Die Ämter der Landesregierungen haben die gemeldeten Ansprüche zu überprüfen und das Ergebnis der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zur Entscheidung weiterzuleiten.

§ 3. Die Befreiungs-Erinnerungszuwendung ist vom Ansatz 1/15127 des Bundesfinanzgesetzes zu leisten.

§ 4. (1) Die auf Grund dieses Bundesgesetzes gewährte Zuwendung unterliegt nicht der Einkommensteuer und hat bei der Ermittlung des Nettoeinkommens nach § 292 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, oder § 149 Abs. 3 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 560/1978, oder § 140 Abs. 3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 559/1978, und der Bemessung der einkommensabhängigen Leistungen nach den Versorgungsgesetzen außer Betracht zu bleiben.“

(2) Alle durch dieses Bundesgesetz unmittelbar veranlassten Rechtsvorgänge, Amtshandlungen, Eingaben und Rechtsgeschäfte sowie Zeugnisse in Angelegenheiten der Durchführung dieses Bundesgesetzes sind von den bundesgesetzlich geregelten Abgaben mit Ausnahme der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nach dem Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984, befreit.

(3) Die Gebühren für die Zustellung der nach diesem Bundesgesetz gewährten Zuwendung trägt der Bund.

§ 5. Alle Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden und die sonstigen im Vollziehungsbereich des Bundes eingerichteten Rechtsträger des öffentlichen Rechts haben die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Weitergabe solcher Daten an Dritte ist unzulässig.

§ 6. (1) Die BRZ GmbH hat bei der Besorgung der Geschäfte, die der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und den Landeshauptmännern nach diesem Bundesgesetz obliegen, mitzuwirken, soweit eine solche Mitwirkung im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis gelegen ist.

(2) Die zur Durchführung des Opferfürsorgegesetzes automationsunterstützt verarbeiteten Daten über Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und Opfer der politischen Verfolgung sind zur Durchführung dieses Bundesgesetzes heranzuziehen.

§ 7. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen betraut.

Fischer

Schüssel

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