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BGBl II 481/2005

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

481. Verordnung: Elektronischer Rechtsverkehr (ERV 2006)

481. Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2006)

Auf Grund des § 89b Abs. 2 des Gerichtsorganisationsgesetzes, RGBl. Nr. 217/1896, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/2005, wird verordnet:

Zulässigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs

§ 1. (1) Eingaben und Beilagen können nach Maßgabe von § 5 bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften elektronisch eingebracht werden, im Grundbuch- und Firmenbuchverfahren jedoch nur, soweit dies für Firmenbucheingaben in § 9 und Beilagen in § 10 vorgesehen wird.

(2) Eine zur Verbesserung (§§ 84, 85 ZPO) zurückgestellte Eingabe kann nicht neuerlich elektronisch eingebracht werden. Die zur Verbesserung einer dazu zurückgestellten Eingabe erforderlichen Erklärungen können jedoch elektronisch eingebracht werden.

(3) Erledigungen und Beilagen können nach Maßgabe von § 5 an Einbringer, sofern sie vom elektronischen Rechtsverkehr Gebrauch machen, elektronisch zugestellt werden. Unbeschadet der Wirksamkeit der elektronischen Zustellung ist auf Antrag im Einzelfall die Erledigung auch schriftlich auf Papier auszufertigen.

(4) In der Zeit zwischen 16.00 Uhr und 24.00 Uhr sowie an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen ist eine elektronische Zustellung nicht zulässig.

(5) Erledigungen, die zu eigenen Handen zuzustellen sind, sind ebenso wie der Beschluss, mit dem eine Anmerkung der Rangordnung bewilligt wird (§ 54 GBG), von der elektronischen Zustellung ausgenommen.

(6) Die in dieser Verordnung verwendeten personenbezogenen Ausdrücke umfassen Frauen und Männer gleichermaßen.

IT-Verfahren

§ 2. (1) Die elektronische Übermittlung von Eingaben und Erledigungen geschieht durch automationsunterstützte, strukturierte Datenübertragung im Textformat.

(2) Die Daten in Eingaben und Erledigungen sowie Beilagen sind so zu übermitteln, dass sie grundsätzlich vom Empfänger elektronisch weiterverarbeitet werden können.

Übermittlungsstellen, Direktverkehr

§ 3. (1) Der Einbringer einer elektronischen Eingabe hat sich einer Übermittlungsstelle zu bedienen. Die Übermittlungsstellen sind von der Bundesministerin für Justiz auf der Internethomepage der Justiz bekannt zu machen.

(2) Die Bundesministerin für Justiz kann, soweit dies auf Grund der technischen Möglichkeiten zweckmäßig ist oder einer einfacheren und sparsameren Verwaltung dient, anordnen, dass bestimmte Eingaben und Erledigungen unmittelbar im Wege der Bundesrechenzentrum GmbH zu übermitteln sind (Direktverkehr). Diesfalls treffen die Bundesrechenzentrum GmbH die Pflichten der Übermittlungsstelle.

(3) Für die Anordnung des Direktverkehrs (Abs. 2) ist überdies erforderlich, dass die technischen und organisatorischen Bedingungen für eine sichere und wirtschaftliche Datenübertragung erfüllt sind; hiezu ist die Bundesrechenzentrum GmbH anzuhören.

(4) Vor Aufnahme der Übertragungen hat die Übermittlungsstelle in einem Testbetrieb sicher zu stellen, dass ein einwandfreier Betrieb gewährleistet ist.

(5) Bei schwerwiegenden Verstößen gegen diese Verordnung oder gravierender Unzuverlässigkeit im Betrieb kann der Übermittlungsstelle der weitere Betrieb untersagt werden.

Einbringungsdatum, Zustelldatum

§ 4. (1) Hat die Übermittlungsstelle die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen, so hat sie dies dem Einbringer sofort mitzuteilen und den Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) dieser Rückmeldung zu protokollieren; dieses Datum ist mit den Daten der Eingabe zu übermitteln.

(2) Die Bundesrechenzentrum GmbH hat zu protokollieren, wann die Daten der Eingabe bei ihr eingelangt sind (Tag und Uhrzeit).

(3) Die Übermittlungsstelle hat das Datum (Tag und Uhrzeit), an dem die Daten der Erledigungen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (elektronische Zustellung), zu protokollieren und der Bundesrechenzentrum GmbH zur Weiterleitung an das absendende Gericht oder die absendende Staatsanwaltschaft zu übermitteln (§ 89d Abs. 2 GOG). Das Datum (Tag und Uhrzeit), an dem die Daten der Erledigungen vom Empfänger tatsächlich übernommen wurden, ist ebenfalls zu protokollieren und auf Anfrage dem Absender bekannt zu geben; dieses Protokoll ist mindestens drei Jahre aufzubewahren.

Form elektronischer Übermittlungen

§ 5. (1) Elektronisch eingebrachte Eingaben und elektronisch zuzustellende Erledigungen sowie Beilagen müssen einer Schnittstellenbeschreibung nach Abs. 2 entsprechen, Mahnklagen und Exekutionsanträge überdies der ADV-Form Verordnung, BGBl. II Nr. 510/2002. Fax und E-Mail sind keine zulässigen Formen des elektronischen Rechtsverkehrs im Sinne dieser Verordnung.

(2) Die Übermittlungsstelle hat für alle elektronischen Eingabe- und Erledigungsarten eine Beschreibung über die Art der Datenübermittlung, der vollständigen Datenstruktur, der zulässigen Beilagenformate, einschließlich der Regeln über die Feldinhalte und den höchstzulässigen Umfang (Schnittstellenbeschreibung) im Internet dauerhaft bereit zu stellen.

(3) Die Übermittlungsstelle hat sicherzustellen, dass elektronische Eingaben und elektronisch zuzustellende Erledigungen sowie Beilagen nur dann übernommen und weiterverarbeitet werden, wenn sie der Schnittstellenbeschreibung nach Abs. 2 entsprechen.

Datensicherheit

§ 6. (1) Zur Sicherung vor Missbräuchen ist von den am elektronischen Rechtsverkehr Beteiligten durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, dass die Eingabe nur von demjenigen elektronisch eingebracht werden kann, der in der Eingabe als Einbringer bezeichnet wird.

(2) Ebenso ist sicherzustellen, dass die Daten elektronisch zugestellter Erledigungen nur aus dem Verfügungsbereich des in der Zustellung bestimmten Empfängers abgerufen werden können und dort vor missbräuchlichen Zugriffen gesichert werden.

(3) Zur Sicherstellung der Datenintegrität hat jede Übertragung von Eingaben, Beilagen und Erledigungen verschlüsselt zu erfolgen. Zur Sicherstellung der Authentizität sind von allen an der Übertragung Beteiligten Zertifikate, die von einem registrierten Zertifizierungsdiensteanbieter ausgestellt sind, oder ein ausschließlich für den Zweck der Übertragung von Eingaben, Beilagen und Erledigungen errichtetes Netzwerk mit automatisch ablaufenden mehrstufigen Authentifizierungsverfahren, zu verwenden. Im Direktverkehr und in der Kommunikation zwischen der Übermittlungsstelle und der Bundesrechenzentrum GmbH können auch von der Bundesrechenzentrum GmbH ausgestellte Zertifikate verwendet werden.

Anschriftcode

§ 7. (1) Zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ist für den Einbringer eine Zeichenfolge zu erstellen, unter der dessen Name und Anschrift sowie eine Kennung, dass und in welcher Art er am elektronischen Rechtsverkehr teilnimmt, in der Bundesrechenzentrum GmbH gespeichert werden. Der Anschriftcode kann auch Bankverbindungen zur Einziehung der Gerichtsgebühren (AEV- Konto), gegebenenfalls ein Konto zur Einzahlung von Geldbeträgen (Einzahlungskonto), die der nach Abs. 2 zuständigen Kammer bekannt gegebene Übermittlungsstelle sowie zusätzliche Angaben betreffend Einbringer (etwa die nach § 21 Abs. 4 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, in der jeweils geltenden Fassung zu führende Registernummer) zu enthalten.

(2) Der Anschriftcode ist für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgemeinschaften von der zuständigen Rechtsanwaltskammer, für Notare und Notarpartnerschaften von der zuständigen Notariatskammer, für Wirtschaftstreuhänder von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, für Ziviltechniker von der zuständigen Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer und für sonstige Antragsteller von der Bundesministerin für Justiz auf Antrag oder von Amts wegen zu erstellen und der Bundesrechenzentrum GmbH zu übermitteln. Schon bestehende Anschriftcodes dürfen weiter verwendet werden, wenn sie die Angaben des Abs. 1 umfassen.

(3) Änderungen von Daten, die zu einem Anschriftcode gespeichert sind, sind vom Teilnehmer entsprechend Abs. 2 unverzüglich bekannt zu geben und weiter zu leiten.

(4) Elektronisch eingebrachte Eingaben haben den jeweiligen Anschriftcode des Einbringers zu enthalten; bei elektronischen Erledigungen dient der Anschriftcode zur Bezeichnung des Empfängers.

Ausdruck der Eingaben

§ 8. (1) Von einer elektronisch eingebrachten Eingabe ist erforderlichenfalls ein Ausdruck herzustellen. Für die weitere Erledigung, insbesondere für gekürzte Urschriften, ist dieser Ausdruck zu verwenden.

(2) Dieser Ausdruck muss die in den Formblättern der ADV-Form Verordnung vorgesehenen feststehenden Textteile nicht enthalten; § 3 Abs. 1 ADV-Form Verordnung ist sinngemäß anzuwenden.

Besondere Bestimmungen für elektronische Eingaben gemäß §§ 277 bis 281 HGB

§ 9. (1) Der Einbringer hat im Datensatz einer elektronisch übermittelten Unterlage nach §§ 277 bis 281 HGB den Familiennamen und mindestens einen ausgeschriebenen Vornamen derjenigen Personen anzuführen, die den Jahresabschluss im Original unterfertigt haben. Überdies ist entweder das Geburtsdatum oder die Personenkennung (Buchstabenkennung laut Firmenbuchauszug) der betreffenden Person anzuführen. Wurde der übermittelte Jahresabschluss von einem Abschlussprüfer geprüft, so ist auch der Text des Prüfungsvermerkes sowie der Familienname und mindestens ein ausgeschriebener Vorname des Abschlussprüfers, gegebenenfalls die Firma, im Datensatz anzuführen.

(2) Werden elektronisch eingebrachte Unterlagen nach §§ 277 bis 281 HGB zur Verbesserung zurückgestellt, so können sie abweichend von § 1 Abs. 2 in verbesserter Form neuerlich elektronisch eingebracht werden. Die verbesserten Unterlagen sind zur Gänze neu einzureichen.

Besondere Bestimmungen für das Einbringen von Beilagen im Grundbuch- und Firmenbuchverfahren

§ 10. Beilagen im Grundbuch- und Firmenbuchverfahren können in der Form elektronisch eingebracht werden, dass in der außerhalb des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Eingabe auf den Speicherort samt Zugriffsschlüssel des Archivs gemäß des Art. XIII § 18 BRÄG 2006, BGBl. I Nr. 164/2005, verwiesen und so dem Gericht ermöglicht wird, die Beilagen aus diesem Archiv abzuholen. Ferner sind in dieser Eingabe die Beilageneigenschaften (Urkundenart, Datum der Errichtung sowie allfällige Anmerkungen zur Beilage) anzugeben. § 3 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

In-Kraft-Treten

§ 11. (1) Diese Verordnung tritt mit dem 1. Jänner 2006 in Kraft. Die Verordnung des Bundesministers für Justiz über den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV 1995), BGBl. Nr. 559/1995, wird mit Ablauf des 31. Dezember 2005 aufgehoben.

(2) Der § 5 der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 4. Dezember 1989 über die Abbuchung und Einziehung der Gerichtsgebühren (Abbuchungs- und Einziehungs-Verordnung - AEV), BGBl. Nr. 599/1989, wird dahingehend geändert, dass der Klammerausdruck im ersten Satz „(§ 7 ERV 1995, BGBl. Nr. 559/1995)“ zu lauten hat: ,,(§ 7 ERV 2005, BGBl. II Nr. 481/2005)“. Diese Änderung tritt mit dem 1. Jänner 2006 in Kraft.

(3) Der § 1 der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 23. Dezember 2002 über Formerfordernisse in mit Hilfe von automationsunterstützter Datenverarbeitung durchgeführten gerichtlichen Verfahren sowie Erstellung von Erledigungen in gekürzter Form (ADV-Form Verordnung 2002 - AFV 2002), BGBl. II Nr. 510/2002, wird dahingehend geändert, dass der Klammerausdruck im Abs. 3 „(§ 7 ERV 1995, BGBl. Nr. 559/1995)“ zu lauten hat: ,,(§ 7 ERV 2005, BGBl. II Nr. 481/2005)“. Diese Änderung tritt mit dem 1. Jänner 2006 in Kraft.

(4) Der § 5 der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 20. September 1996 über die elektronische Einsicht in Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens, BGBl. Nr. 498/1996, wird dahingehend geändert, dass der Klammerausdruck „(§ 7 ERV 1995)“ zu lauten hat: „(§ 7 ERV 2005, BGBl. II Nr. 481/2005)“. Diese Änderung tritt mit dem 1. Jänner 2006 in Kraft.

Gastinger

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