I. Kriterien für Gelungenes und Misslungenes
Innovative Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts können gelungen sein, wenn sie Verfassungsbestimmungen mit Leben erfüllen und zu Wirksamkeit verhelfen oder wenn mit ihnen Weichen für die Zukunft richtig gestellt werden. Gelungen sind auch Entscheidungen, die das Verhältnis zwischen den Gewalten richtig austarieren und den anderen Verfassungsorganen den ihnen gebührenden Spielraum belassen. In diesem Beitrag wird eine Entscheidung als gelungen hervorgehoben, die methodisch überzeugt, weil sie sich im Einklang mit Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck der grundgesetzlichen Gewährleistung hält und trotzdem innovativ neue Rechtsschutzmöglichkeiten und Möglichkeiten der verfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit verfassungsrechtlich problematischer Sachverhalte ermöglicht hat. In diesem Sinne behandelt das BVerfG in seinem Urteil vom 27.06.1991 in neuartiger und gelungener Art und Weise die Frage, welche Folgen es hat, wenn zwar materielle Gesetze (Steuertatbestände) vorhanden sind, diese jedoch wegen gegenläufiger Verfahrensregelungen faktisch nicht vollzogen werden, und ob und wie diese Verfassungsverstöße gerichtlich angegriffen werden können. Der Vollzugsmangel kann auf die Verfassungsmäßigkeit auch des materiellen Gesetzes (Steuertatbestands) durchschlagen, sodass im Ergebnis die Steuer wegen Gleichheitswidrigkeit des materiellen Gesetzes selbst nicht mehr erhoben werden kann. Dies können die gleichheitswidrig Belasteten rügen, ohne dass dem Rechtsbehelf des gleichheitswidrig Belasteten der Satz „Keine Gleichheit im Unrecht“ entgegengehalten werden kann.