( ASVG § 175 Abs 1 ) Im Verfahren über einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch aus Arbeitsunfällen sind die Regeln des Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden.
OGH 10 Ob S 241/98h v. 16.07.1998
Auch dann, wenn noch andere Ursachen in Betracht kommen, muss nur feststehen, dass die Körperschädigung eine typische Folge eines als Unfall zu wertenden Ereignisses ist, das im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung stand (§ 175 Abs 1 ASVG) und daher ein Arbeitsunfall war. Steht auf Grund des Anscheinsbeweises der Arbeitsunfall als Ursache der Körperschädigung fest, genügt der Anscheinsbeweis nur dann nicht, wenn es zumindest gleich wahrscheinlich ist, dass eine andere Ursache die Körperschädigung im selben Ausmaß und etwa zur selben Zeit herbeigeführt hätte und ein solches Ereignis in naher Zukunft auch tatsächlich vorgekommen wäre und die Schädigung ausgelöst hätte. Der Anscheinsbeweis in Sozialrechtssachen ist nicht schon dann als misslungen anzusehen, wenn die von der objektiv beweispflichtigen Partei beantragten Beweise nicht ausreichen, sondern erst, wenn der Beweis auch durch andere von Amts wegen aufzunehmende Beweise nicht erbracht werden kann. Auch im Verfahren vor dem SV-Träger gelten jedoch die Regeln der objektiven Beweislast. Ein Anspruch kann nur bejaht werden, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sind. Im noch größeren Maße als beim Indizienbeweis werden beim Anscheinsbeweis Erfahrungssätze herangezogen, um auf wesentliche tatbestandsrelevante Tatsachen, die direkt nicht erwiesen werden können, zu schließen. Steht ein typischer Geschehensablauf fest, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Kausalzusammenhang oder ein Verschulden hinweist, gelten diese Tatbestandsvoraussetzungen auch im Einzelfall auf Grund ersten Anscheins als erwiesen. Der Anscheinsbeweis entspringt richterlicher Rechtsfortbildung zur Bewältigung von Beweisnotständen vorwiegend in Schadenersatzprozessen.