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§ 30 WAG 2018

Aktuelle FassungIn Kraft seit 22.11.2022

Produktüberwachungspflichten für Rechtsträger, die Finanzinstrumente konzipieren

§ 30.

(1) Ein Rechtsträger, der Finanzinstrumente konzipiert (Konzepteur), was auch die Schaffung, Entwicklung, Begebung und Gestaltung von Finanzinstrumenten beinhaltet, hat die nachstehenden Anforderungen so zu erfüllen, wie es unter Berücksichtigung der Art des Finanzinstruments, der Wertpapierdienstleistung und des Zielmarkts des Produkts angemessen und verhältnismäßig ist.

(2) Ein Konzepteur, der Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipiert, hat ein Verfahren für die Genehmigung jedes einzelnen Finanzinstruments und jeder wesentlichen Anpassung bestehender Finanzinstrumente zu unterhalten, zu betreiben und zu überprüfen, bevor es an Kunden vermarktet oder vertrieben wird.

(3) Der Konzepteur hat Verfahren und Maßnahmen einzuführen, umzusetzen und aufrechtzuerhalten, die sicherstellen, dass die Konzeption von Finanzinstrumenten die Anforderungen für den ordnungsgemäßen Umgang mit Interessenkonflikten, einschließlich Vergütung, erfüllen. Der Konzepteur hat insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die Gestaltung des Finanzinstruments, einschließlich seiner Merkmale, keine negativen Auswirkungen auf die Endkunden hat und nicht zu Problemen mit der Marktintegrität führt, dadurch dass diese Gestaltung es dem Konzepteur ermöglicht, eigene Risiken oder Positionen im Basiswert des Produkts zu mindern oder sich derer zu entledigen, falls der Konzepteur die Basiswerte bereits für eigene Rechnung hält.

(4) Der Konzepteur hat bei der Konzeption eines Finanzinstruments mögliche Interessenkonflikte zu analysieren. Insbesondere hat der Konzepteur zu bewerten, ob das Finanzinstrument eine Situation schafft, in der den Endkunden Nachteile entstehen könnten, wenn sie

  1. 1. eine Gegenposition zu der Position übernehmen, die zuvor vom Konzepteur selbst gehalten wurde oder
  2. 2. eine Gegenposition zu der Position übernehmen, die der Konzepteur nach Verkauf des Produkts halten will.

(5) Der Konzepteur hat zu prüfen, ob das Finanzinstrument eine Gefahr für die geordnete Funktionsweise oder die Stabilität der Finanzmärkte darstellen könnte, bevor er beschließt, mit der Auflage des Produkts fortzufahren.

(6) Der Konzepteur hat sicherzustellen, dass die an der Konzeption von Finanzinstrumenten beteiligten maßgeblichen Mitarbeiter über die erforderliche Sachkenntnis verfügen, um die Merkmale und Risiken der Finanzinstrumente, die sie konzipieren wollen, zu verstehen.

(7) Der Konzepteur hat dafür zu sorgen, dass die Geschäftsleitung eine wirksame Kontrolle über den Produktüberwachungsprozess des Konzepteurs ausübt. Der Konzepteur hat dabei sicherzustellen, dass die Compliance-Berichte an die Geschäftsleitung systematisch auch Informationen über die vom Konzepteur konzipierten Finanzinstrumente, einschließlich Informationen über die Vertriebsstrategie, enthalten. Der Konzepteur hat diese Berichte auf Verlangen der FMA zur Verfügung zu stellen.

(8) Der Konzepteur hat sicherzustellen, dass die Compliance-Funktion die Entwicklung und regelmäßige Überprüfung der Produktüberwachungsvorkehrungen überwacht, damit jegliches Risiko, dass der Konzepteur die in diesem Paragraphen festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt, erkannt wird.

(9) Der Konzepteur hat im Falle der Zusammenarbeit bei der Schaffung, Entwicklung, Begebung und Gestaltung eines Produkts, inbesondere auch mit Unternehmen, die nicht gemäß der Richtlinie 2014/65/EU zugelassen und beaufsichtigt werden, oder mit Rechtsträgern aus Drittländern, die jeweiligen Verantwortlichkeiten festzuhalten.

(10) Im Produktgenehmigungsverfahren gemäß Abs. 2 hat ein Konzepteur einen bestimmten Zielmarkt für Endkunden innerhalb der jeweiligen Kundengattung für jedes Finanzinstrument festzulegen und sicherzustellen, dass alle einschlägigen Risiken für diesen bestimmten Zielmarkt bewertet werden und die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht.

(11) Der Konzepteur hat mit ausreichender Detailtiefe den potenziellen Zielmarkt für jedes Finanzinstrument und die Kundenarten zu bestimmen, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen, einschließlich etwaiger nachhaltigkeitsbezogener Ziele, das Finanzinstrument vereinbar ist. Im Rahmen dieses Prozesses hat der Konzepteur etwaige Kundengruppen zu bestimmen, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Finanzinstrument nicht vereinbar ist, es sei denn, bei den betreffenden Finanzinstrumenten werden Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt. Weiters hat er sicherzustellen, dass alle einschlägigen Risiken für diesen bestimmten Zielmarkt bewertet werden und die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht. Arbeiten mehrere Rechtsträger bei der Konzeption eines Finanzinstruments zusammen, braucht nur ein Zielmarkt bestimmt zu werden.

(12) Ein Konzepteur, der durch andere Rechtsträger vertriebene Finanzinstrumente konzipiert, hat die Bedürfnisse und Merkmale der Kunden zu bestimmen, mit denen das Produkt vereinbar ist, auf der Grundlage seiner theoretischen Kenntnisse und bisherigen Erfahrungen, die er in Bezug auf das Finanzinstrument oder vergleichbare Finanzinstrumente, die Finanzmärkte sowie die Bedürfnisse, Merkmale und Ziele der potenziellen Endkunden erworben hat.

(13) Der Konzepteur hat eine Szenarioanalyse seiner Finanzinstrumente durchzuführen, bei der bewertet wird, welche Risiken bei dem Produkt hinsichtlich schlechter Ergebnisse für Endkunden bestehen und unter welchen Umständen diese Ergebnisse eintreten könnten. Der Konzepteur hat das Finanzinstrument unter Negativbedingungen zu bewerten und dabei inbesondere zu analysieren, was geschieht, wenn

  1. 1. sich die Marktbedingungen verschlechtern,
  2. 2. der Konzepteur oder einer an der Konzeption oder der Funktionsweise des Finanzinstruments beteiligter Dritter in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder ein anderes Gegenparteirisiko eintritt,
  3. 3. sich das Finanzinstrument als kommerziell nicht lebensfähig erweist oder
  4. 4. die Nachfrage nach dem Finanzinstrument erheblich höher ausfällt als erwartet, so dass Druck auf die Ressourcen des Konzepteurs oder den Markt des Basisinstruments entsteht.

(14) Der Konzepteur hat festzustellen, ob ein Finanzinstrument den ermittelten Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des Zielmarkts entspricht, insbesondere indem er untersucht, ob folgende Elemente gegeben sind:

  1. 1. Das Risiko-/Ertragsprofil des Finanzinstruments ist mit dem Zielmarkt vereinbar;
  2. 2. etwaige Nachhaltigkeitsfaktoren des Finanzinstruments sind mit dem Zielmarkt vereinbar;
  3. 3. die Gestaltung des Finanzinstruments wird durch Merkmale bestimmt, die für den Kunden von Vorteil sind, und nicht durch ein Geschäftsmodell, dessen Rentabilität auf schlechten Kundenergebnissen beruht.

(15) Der Konzepteur hat die für das Finanzinstrument geplante Gebührenstruktur zu prüfen, indem er insbesondere untersucht, ob

  1. 1. die Kosten und Gebühren des Finanzinstruments mit den Bedürfnissen, Zielen und Merkmalen des Zielmarkts vereinbar sind;
  2. 2. die Gebühren nicht die Renditeerwartungen an das Finanzinstrument untergraben, was insbesondere der Fall ist, wenn die Kosten oder Gebühren nahezu alle erwarteten steuerlichen Vorteile eines Finanzinstruments aufwiegen, übersteigen oder zunichte machen oder
  3. 3. die Gebührenstruktur des Finanzinstruments für den Zielmarkt hinreichend transparent ist, so dass sie Gebühren nicht verschleiert und nicht zu komplex ist, um verstanden werden zu können.

(16) Der Konzepteur hat dafür zu sorgen, dass die Bereitstellung von Informationen über ein Finanzinstrument an die Vertreiber auch Informationen über die für das Finanzinstrument geeigneten Vertriebskanäle, das Produktgenehmigungsverfahren und die Zielmarktbewertung beinhaltet und einem angemessenen Standard entspricht, der die Vertreiber in die Lage versetzt, das Finanzinstrument richtig zu verstehen und zu empfehlen oder zu verkaufen.

(16a) Der Konzepteur hat die Nachhaltigkeitsfaktoren des Finanzinstruments auf transparente Art und Weise zu beschreiben und den Vertreibern die Informationen zu bieten, die sie benötigen, um jegliche nachhaltigkeitsbezogenen Ziele des Kunden oder potenziellen Kunden gebührend berücksichtigen zu können.

(17) Ein Konzepteur hat die von ihm konzipierten Finanzinstrumente regelmäßig zu überprüfen und dabei alle Ereignisse zu berücksichtigen, die das potenzielle Risiko für den bestimmten Zielmarkt wesentlich beeinflussen könnten. Der Konzepteur hat zu prüfen, ob das Finanzinstrument weiterhin mit den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des Zielmarkts vereinbar ist und auf dem Zielmarkt vertrieben wird oder ob es Kunden erreicht, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen, einschließlich etwaiger nachhaltigkeitsbezogener Ziele, das Finanzinstrument nicht vereinbar ist.

(18) Ein Konzepteur hat die Finanzinstrumente vor jeder weiteren Begebung oder Wiederauflage – wenn er Kenntnis von einem Ereignis hat, dass das potenzielle Risiko für die Anleger wesentlich beeinflussen könnte – sowie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um zu bewerten, ob die Finanzinstrumente in der beabsichtigten Weise funktionieren. Der Konzepteur hat festzulegen, in welchen Abständen er seine Finanzinstrumente überprüft, wobei er relevante Faktoren zu berücksichtigen hat, insbesondere Faktoren, die mit der Komplexität oder dem innovativen Charakter der verfolgten Anlagestrategien zusammenhängen. Der Konzepteur hat auch zentrale Ereignisse zu bestimmen, die das potenzielle Risiko oder die Renditeerwartungen des Finanzinstruments beeinflussen können, insbesondere

  1. 1. das Überschreiten einer Schwelle, die das Ertragsprofil des Finanzinstruments beeinflussen wird oder
  2. 2. die Solvabilität bestimmter Emittenten, deren Wertpapiere oder Garantien sich auf die Wertentwicklung des Finanzinstruments auswirken könnten.

(19) Der Konzepteur hat bei Eintritt von Ereignissen im Sinne des Abs. 18 angemessene Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere:

  1. 1. alle relevanten Informationen über das Ereignis und seine Auswirkungen auf das Finanzinstrument an die Kunden oder die Vertreiber des Finanzinstruments, falls der Konzepteur das Finanzinstrument den Kunden nicht direkt anbietet oder nicht direkt an die Kunden vertreibt, zu übermitteln;
  2. 2. das Produktgenehmigungsverfahren zu verändern;
  3. 3. die weitere Begebung des Finanzinstruments einzustellen;
  4. 4. die Vertragsbedingungen des Finanzinstruments zu verändern;
  5. 5. zu prüfen, ob die für den Verkauf der Finanzinstrumente genutzten Kanäle angemessen sind, wenn der Konzepteur feststellt, dass das Finanzinstrument nicht wie geplant verkauft wird;
  6. 6. Kontakt mit dem Vertreiber aufzunehmen, um eine Veränderung des Vertriebsprozesses zu erörtern;
  7. 7. die Beziehung mit dem Vertreiber zu beenden;
  8. 8. die FMA unverzüglich zu unterrichten.

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2023

Gesetzesnummer

20009943

Dokumentnummer

NOR40245580

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