Besondere Datenverarbeitung
§ 22.
(1) Militärische Organe und Dienststellen, die mit der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr betraut sind, dürfen neben personenbezogenen Daten nach § 5a auch weitere besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des § 39 DSG verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist. Dabei sind angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen. Dabei kann die Unterrichtung der betroffenen Person auch nach den §§ 43 Abs. 1 und 45 Abs. 4 DSG soweit und solange aufgeschoben, eingeschränkt oder unterlassen werden, wie dies im Einzelfall zur Erfüllung einer Aufgabe oder zur Ausübung einer Befugnis unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist.
(1a) Personenbezogene Daten sind vor der Verarbeitung auf ihre Erheblichkeit und Richtigkeit zu prüfen sowie während der Verwendung zu aktualisieren. Erweisen sich personenbezogene Daten als unrichtig, so sind diese zu berichtigen oder zu löschen, es sei denn, die Weiterverarbeitung von Falschinformationen ist zur Erfüllung der Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr erforderlich. Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr nicht mehr benötigt werden und keine andere gesetzlich vorgesehene Aufbewahrungspflicht besteht. Soweit personenbezogene Daten nur im Einverständnis mit dem Rechtsschutzbeauftragten verarbeitet werden dürfen, haben militärische Organe und Dienststellen nach Abs. 1 diese Daten einmal jährlich daraufhin zu prüfen, ob ihre Verarbeitung weiterhin erforderlich ist. Sollte eine derartige Überprüfung ergeben, dass diese Verarbeitung nicht mehr erforderlich ist, so sind diese Daten nach Ablauf von sechs Jahren jedenfalls zu löschen.
(1b) Wird der Betroffene nach Abs. 1 informiert, so sind dessen ermittelten personenbezogenen Daten unbeschadet von Abs. 1a jedenfalls für sechs Monate ab dieser Information aufzubewahren. Darüber hinaus sind die Daten nicht vor Abschluss eines Rechtsschutzverfahrens zu löschen. Diesfalls sind die Daten für den Zugriff zu sperren und dürfen nur zum Zweck der Information Betroffener oder in einem Rechtsschutzverfahren verwendet werden.
(2) Militärische Organe und Dienststellen nach Abs. 1 dürfen von den Organen der Gebietskörperschaften und der anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie von den durch diese Körperschaften betriebenen Stiftungen, Anstalten und Fonds jene Auskünfte verlangen, die diese Organe und Dienststellen als wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung von Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr benötigen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Sie hat sich dabei auf Namen, Geschlecht, Wohnsitz, Geburtsort und Geburtsdatum sowie auf die von den militärischen Organen und Dienststellen zum Gegenstand der Anfrage gemachten Umstände zu beschränken. Eine Verweigerung der Auskunft unter der Berufung auf den Umstand, dass es sich um verarbeitete Daten handelt, ist nur zulässig, wenn eine Auskunftsbeschränkung ausdrücklich auch militärischen Dienststellen gegenüber gilt. Weiters ist eine Verweigerung der Auskunft insoweit zulässig, als andere öffentliche Interessen die Interessen der militärischen Landesverteidigung erheblich überwiegen oder völkerrechtliche Verpflichtungen einer Auskunftserteilung entgegenstehen. Über die Amtsverschwiegenheit hinausgehende sonstige gesetzliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit bleiben unberührt.
(2a) Militärische Organe und Dienststellen nach Abs. 1 dürfen zur Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben von den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern Auskünfte verlangen über
- 1. Namen, Anschrift und Nutzernummer eines bestimmten Anschlusses, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung von Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr benötigen,
- 2. Namen, Anschrift und Nutzernummer eines bestimmten Anschlusses durch Bezugnahme auf ein von diesem Anschluss geführtes Gespräch durch Bezeichnung eines möglichst genauen Zeitraumes und der passiven Nutzernummer, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung benötigen
- a) zur Abwehr gegenwärtiger vorsätzlicher Angriffe gegen militärische Rechtsgüter unter Bedachtnahme auf die militärische Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 oder
- b) zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter, sofern auf Grund bestimmter Tatsachen mit vorsätzlichen Angriffen gegen militärische Rechtsgüter zu rechnen ist, oder
- c) für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung, wenn sonst die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert oder erheblich behindert wäre,
- 3. die Internetprotokolladresse zu einer bestimmten Nachricht und den Zeitpunkt ihrer Übermittlung, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung benötigen
- a) zur Abwehr gegenwärtiger vorsätzlicher Angriffe gegen militärische Rechtsgüter unter Bedachtnahme auf die militärische Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 oder
- b) zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter, sofern auf Grund bestimmter Tatsachen mit vorsätzlichen Angriffen gegen militärische Rechtsgüter zu rechnen ist, oder
- c) für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung, wenn sonst die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert oder erheblich behindert wäre,
- 4. Namen und Anschrift eines Benutzers, dem eine Internetprotokolladresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung benötigen
- a) zur Abwehr gegenwärtiger vorsätzlicher Angriffe gegen militärische Rechtsgüter unter Bedachtnahme auf die militärische Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 oder
- b) zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter, sofern auf Grund bestimmter Tatsachen mit vorsätzlichen Angriffen gegen militärische Rechtsgüter mit schwerer Gefahr für die militärische Sicherheit zu rechnen ist und der Zweck der Ermittlung auf andere Weise nicht erreicht werden kann, oder
- c) für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, insbesondere der Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, dringend erforderlich ist und sonst die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert wäre.
- Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskünfte unverzüglich und kostenlos zu erteilen. Der Rechtsschutzbeauftragte ist über die Auskunftsverlangen ehestmöglich in Kenntnis zu setzen.
(2b) Die Ermittlung personenbezogener Daten durch militärische Organe und Dienststellen nach Abs. 1 durch Einholen von Auskünften von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern über Verkehrsdaten, Zugangsdaten und Standortdaten, jeweils nach § 160 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes 2021 (TKG 2021), BGBl. I Nr. 190/2021, die jeweils nicht einer Auskunft nach Abs. 2a unterliegen, ist zulässig
- 1. während eines Einsatzes oder
- 2. wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, insbesondere der Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, unerlässlich ist und sonst in größerem Umfang die Aufgabenerfüllung der militärischen Organe und Dienststellen nach Abs. 1 verhindert wäre.
- Eine solche Ermittlung ist nur zulässig im Falle eines unbedingt notwendigen militärischen Bedarfes, dessen Deckung durch andere Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Die Ermittlung ist zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen wegfallen. Der Ersatz von Kosten richtet sich nach der Überwachungskostenverordnung (ÜKVO), BGBl. II Nr. 322/2004. Vor einer solchen Ermittlung ist der Rechtsschutzbeauftragte nach den Bestimmungen des Abs. 8 einzubinden.
(2c) Die Übermittlung der Daten nach Abs. 2a und 2b hat über die zentrale Durchlaufstelle nach §§ 170 bis 172 TKG 2021 zu erfolgen. Für den Rechtsschutzbeauftragten ist in der Spezifikation zur Durchlaufstelle ein Zugang vorzusehen, der entsprechend der Aufgaben des Rechtsschutzbeauftragten einen Zugang zu den Protokolldaten oder zur Statistik ermöglicht.
(3) Die Datenermittlung durch heimliches Überwachen des Verhaltens einer Person (Observation) ist zulässig
- 1. zur Abwehr gegenwärtiger vorsätzlicher Angriffe gegen militärische Rechtsgüter unter Bedachtnahme auf die militärische Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2,
- 2. zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter, sofern auf Grund bestimmter Tatsachen mit vorsätzlichen Angriffen gegen militärische Rechtsgüter zu rechnen ist, und
- 3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung, wenn sonst die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert oder erheblich behindert wäre.
Zur Unterstützung der Observation ist der Einsatz technischer Mittel, die im Wege der Übertragung von Signalen die Feststellung des räumlichen Bereichs ermöglichen, in dem sich die observierte Person oder der observierte Gegenstand befindet, zulässig, wenn die Observation sonst aussichtslos oder erheblich erschwert wäre.
(4) Die Datenermittlung durch Einholen von Auskünften ohne Hinweise nach § 21 (verdeckte Ermittlung) ist zulässig,
- 1. zur Abwehr gegenwärtiger vorsätzlicher Angriffe gegen militärische Rechtsgüter unter Bedachtnahme auf die militärische Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2,
- 2. zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter, sofern auf Grund bestimmter Tatsachen mit vorsätzlichen Angriffen gegen militärische Rechtsgüter mit schwerer Gefahr für die militärische Sicherheit zu rechnen ist und der Zweck der Ermittlung auf andere Weise nicht erreicht werden kann, und
- 3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, insbesondere der Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, dringend erforderlich ist und sonst die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert wäre.
(5) Die Datenermittlung mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ist zulässig
- 1. zur Abwehr gegenwärtiger vorsätzlicher Angriffe gegen militärische Rechtsgüter unter Bedachtnahme auf die militärische Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2,
- 2. zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter, sofern auf Grund bestimmter Tatsachen eine drohende oder gegenwärtige Gefahr von vorsätzlichen Angriffen gegen militärische Rechtsgüter als wahrscheinlich anzunehmen ist, und
- 3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, insbesondere der Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, unerlässlich ist und sonst in größerem Umfang die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert wäre.
- Eine solche Ermittlung darf unter den Voraussetzungen des Abs. 4 auch verdeckt erfolgen. Das Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.
(6) Eine Ermittlung aus dem Inland stammender Daten nach Abs. 5 ist unzulässig
- 1. mit Tonaufzeichnungsgeräten, um nicht öffentliche und nicht im Wahrnehmungsbereich eines ermittelnden Organes erfolgende Äußerungen aufzuzeichnen und
- 2. mit Bildaufzeichnungsgeräten, um nicht öffentliches und nicht im Wahrnehmungsbereich eines ermittelnden Organes erfolgendes Verhalten aufzuzeichnen.
(7) Darüber hinaus ist die Datenermittlung mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten unter Bedachtnahme auf die militärische Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 bei einer Zusammenkunft mehrerer Personen zulässig, wenn anzunehmen ist, dass es bei dieser Zusammenkunft zu einem Angriff gegen militärische Rechtsgüter kommen werde. Eine derartige Maßnahme ist zuvor auf solche Weise anzukündigen, dass sie einem möglichst weiten Kreis von möglichen Betroffenen bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr der sich bei diesen Zusammenkünften tatsächlich ereignenden Angriffe verarbeitet werden.
(8) (Verfassungsbestimmung) Vor einer Datenermittlung nach den Abs. 3 bis 5 und 7 haben militärische Organe und Dienststellen nach Abs. 1 unverzüglich den Rechtsschutzbeauftragten unter Angabe der für die Ermittlung wesentlichen Gründe in Kenntnis zu setzen und den Bundesminister für Landesverteidigung hievon zu verständigen. Eine solche Ermittlung darf erst nach Vorliegen einer entsprechenden Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten gegenüber den militärischen Organen und Dienststellen nach Abs. 1 begonnen werden. Eine Datenermittlung nach den Abs. 3 bis 5 und 7 darf jedoch sofort nach Kenntnisnahme durch den Rechtsschutzbeauftragten begonnen werden, wenn bei weiterem Zuwarten ein nicht wieder gutzumachender, schwerer Schaden für die nationale Sicherheit, insbesondere die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, oder für die Sicherheit von Menschen eintreten würde. Eine solche Ermittlung ist unverzüglich zu beenden, wenn der Rechtsschutzbeauftragte dagegen Einspruch erhoben hat. Der Rechtsschutzbeauftragte hat den Bundesminister für Landesverteidigung unverzüglich über eine allfällige Zustimmung oder jegliche sonstige Äußerung zu verständigen.
(Anm.: Abs. 9 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 103/2002)
Schlagworte
BGBl. I Nr. 70/2003, Bildaufzeichnungsgerät
Zuletzt aktualisiert am
05.07.2024
Gesetzesnummer
20000864
Dokumentnummer
NOR40262494
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