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§ 37 Dienstordnung für die Gesundheitsämter – Besonderer Teil

Aktuelle FassungIn Kraft seit 14.3.1935

§ 37

Schutzmaßregeln.

Die Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten erfolgt mittels nachstehender Schutzmaßregeln, die soweit die landesrechtlichen Vorschriften dem nicht entgegenstehen, nach Lage des Falles der Polizeibehörde vom Gesundheitsamt vorzuschlagen sind.

I. Beobachtung

Sie kommt in Frage für:

  1. 1. kranke Personen bei bakterieller Lebensmittelvergiftung;
  2. 2. kranke und krankheitsverdächtige Personen bei Körnerkrankheit, Rotz, Rückfallfieber, Typhus und Paratyphus; als krankheitsverdächtig gelten auch Typhus (Paratyphus) bazillenträger und -dauerausscheider;
  3. 3. kranke, krankheitsverdächtige und ansteckungsverdächtige Personen bei Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Papageienkrankheit, Pest und Pocken sowie bei Gehirnentzündung, übertragbarer Genickstarre und Kinderlähmung, ferner bei Syphilis, Tripper und Schanker, sofern die Befallenen gewerbsmäßig Unzucht treiben;
  4. 4. ansteckungsverdächtige Personen bei Tollwut, das heißt: solche Personen, welche von einem tollen oder tollwutverdächtigen Tiere verletzt worden sind.

Krankim Sinne dieser Vorschrift sind solche Personen, bei denen eine der angeführten Krankheiten des § 35 festgestellt worden ist;

Krankheitsverdächtigsind solche Personen, welche unter Erscheinungen erkrankt sind, die den Ausbruch einer solchen Krankheit befürchten lassen;

Ansteckungsverdächtigsind solche Personen, bei denen zwar Krankheitserscheinungen noch nicht vorliegen, bei denen aber infolge ihrer nahen Berührung mit Kranken die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß sie den Ansteckungsstoff in sich aufgenommen haben;

Keimträgersind Personen, die Krankheitskeime aufgenommen haben und, ohne zu erkranken, nur vorübergehend ausscheiden;

Dauerausscheidersind Personen, die vom Zeitpunkt der überstandenen Infektionskrankheit ab deren Erreger länger als 10 Wochen ausscheiden.

II. Beschränkungen für Zureisende

Sie können von der Aufsichtsbehörde in Fällen dringender Gefahr für den ganzen Umfang oder Teile eines Bezirks im Polizeiverordnungswege vorgeschrieben werden und bestimmen, daß zureisende Personen, sofern sie sich innerhalb einer der Inkubationszeit entsprechend zu bestimmenden Frist vor ihrer Ankunft in Ortschaften oder Bezirken aufgehalten haben, in denen Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Körnerkrankheit, Pest, Pocken, Rückfallfieber, Typhus oder Paratyphus ausgebrochen ist, nach ihrer Ankunft der Ortspolizeibehörde schriftlich oder mündlich sich melden (Meldepflicht).

III. Absonderung in der Wohnung oder in einer Krankenanstalt

Sie kommt in Frage für:

  1. 1. kranke Personen, und zwar:
  1. a) ohne Einschränkung bei bakterieller Lebensmittelvergiftung, übertragbarer Genickstarre, Ruhr und Tollwut; Erwachsene auch bei Diphtherie und Scharlach;
  2. b) bei Diphtherie, Gehirnentzündung, Kinderlähmung und Scharlach kranke Kinder mit der Einschränkung, daß ihre Absonderung in einem Krankenhaus oder in einem anderen geeigneten Unterkunftsraum gegen den Widerspruch der Eltern nicht angeordnet werden darf, wenn nach der Ansicht des beamteten Arztes eine ausreichende Absonderung in der Wohnung sichergestellt ist;
  3. c) kranke Personen, die gewerbsmäßig Unzucht treiben, bei Syphilis, Tripper und Schanker;
  1. 2. kranke und krankheitsverdächtige Personen bei Gehirnentzündung, Genickstarre, Kinderlähmung, Rotz, Rückfallfieber, Typhus und Paratyphus;
  2. 3. kranke, krankheits- und ansteckungsverdächtige Personen bei Aussatz, Cholera, Gelbfieber, Fleckfieber, Pest, Pocken und Papageienkrankheit.

IV. Kenntlichmachung von Wohnungen und Häusern,

in denen an Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest, Pocken, Rückfallfieber, Typhus oder Paratyphus erkrankte Personen sich befinden.

V. Verkehrsbeschränkungen für das berufsmäßige Pflegepersonal

Sie können beantragt werden beim Auftreten von Aussatz, Cholera, Diphtherie, Fleckfieber, Gehirnentzündung, übertragbarer Genickstarre, Kindbettfieber, Gelbfieber, Kinderlähmung, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Papageienkrankheit, Pest, Pocken, Rückfallfieber, Scharlach, Typhus und Paratyphus.

VI. Beschränkungen für Handel und Gewerbe

Für Ortschaften und Bezirke, die von Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest oder Pocken befallen oder bedroht sind sowie für solche, die von bakterieller Lebensmittelvergiftung, Diphtherie, Milzbrand, Scharlach, Typhus oder Paratyphus befallen sind, können hinsichtlich der gewerbsmäßigen Herstellung, Behandlung und Aufbewahrung sowie hinsichtlich des Vertriebes von Gegenständen, die geeignet sind, die Krankheit zu verbreiten, eine gesundheitspolizeiliche Überwachung und die zur Verhütung der Verbreitung der Krankheit erforderlichen Maßregeln beantragt werden, auch können Gegenstände der bezeichneten Art vorübergehend für den Gewerbebetrieb im Umherziehen verboten werden.

VII. Beschränkungen von Messen und Märkten

Für Ortschaften und Bezirke, die von Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest oder Pocken befallen oder bedroht sind sowie für solche, die von Diphtherie, Gehirnentzündung, übertragbarer Genickstarre, Kinderlähmung, Ruhr, Scharlach, Typhus oder Paratyphus befallen sind, kann das Verbot oder eine Beschränkung der Abhaltung von Märkten, Messen und anderen Veranstaltungen, welche eine Ansammlung größerer Menschenmengen mit sich bringen, beantragt werden, bei Rückfallfieber, Ruhr, Typhus oder Paratyphus jedoch nur, sobald die Krankheit einen epidemischen Charakter angenommen hat.

VIII. Fernhaltung von der Schule und vom Unterricht

Jugendliche Personen aus Behausungen, in denen eine Erkrankung an Aussatz, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Cholera, Diphtherie, Fleckfieber, Gehirnentzündung, übertragbarer Genickstarre, Gelbfieber, Kinderlähmung, Papageienkrankheit, Pest, Pocken, Ruhr, Scharlach, Typhus oder Paratyphus vorgekommen ist, sind soweit und solange eine Weiterverbreitung der Krankheit aus diesen Behausungen durch sie zu befürchten ist, vom Schul- und Unterrichtsbesuche fernzuhalten.

IX. Beschränkungen in Wasserbenutzung und im Badebetrieb

In Ortschaften, die von Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest, Pocken, Ruhr, Typhus oder Paratyphus befallen oder bedroht sind, sowie in deren Umgegend, kann die Benutzung von Brunnen, Teichen, Seen, Wasserläufen, Wasserleitungen sowie der dem öffentlichen Gebrauche dienenden Bade-, Schwimm-, Wasch- und Bedürfnisanstalten verboten oder beschränkt werden. Für die zentralen Entwässerungs- und Reinigungsanlagen können im Bedarfsfalle besondere Maßnahmen vorgeschlagen werden.

X. Räumung von Wohnungen und Gebäuden

Die gänzliche oder teilweise Räumung kann beantragt werden, wenn in ihnen Erkrankungen an Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest, Pocken, Ruhr, Typhus oder Paratyphus vorgekommen sind, insoweit der Amtsarzt diese einschneidende Maßregel zur wirksamen Bekämpfung der Krankheit ausnahmsweise in Fällen dringender Not für unerläßlich erklärt.

XI. Entkeimung

Für Gegenstände und Räume, von denen anzunehmen ist, daß sie mit dem Krankheitsstoffe behaftet sind, kann eine Entkeimung beantragt werden. Ist die Entkeimung nicht ausführbar oder im Verhältnis zum Werte der Gegenstände zu kostspielig, so kann deren Vernichtung beantragt werden. Bei Fleckfieber muß die Entlausung der kranken, krankheitsverdächtigen und ansteckungsverdächtigen Personen beantragt werden, sobald der Verdacht der Verlausung besteht.

XII. Maßnahmen bei der Aufbahrung, Einsargung und Bestattung von Leichen

(1) Falls Personen an Aussatz, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Cholera, Diphtherie, Fleckfieber, Gehirnentzündung, übertragbarer Genickstarre, Gelbfieber, Kinderlähmung, Papageienkrankheit, Pest, Pocken, Ruhr, Scharlach, Typhus, Paratyphus, Milzbrand oder Rotz gestorben sind, so können besondere Vorsichtsmaßregeln für die Aufbahrung, Einsargung und Bestattung von Leichen beantragt werden.

(2) Personen, die an Körnerkrankheit leiden, können in solchen Orten und Bezirken, in denen eine planmäßige Bekämpfung der Krankheit stattfindet, zu einer ärztlichen Behandlung zwangsweise angehalten werden.

Schlagworte

Schulbesuch, Badeanstalt, Schwimmanstalt, Waschanstalt, Entwässerungsanlage

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2017

Gesetzesnummer

10010219

Dokumentnummer

NOR40054981

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