Vor etwa 25 Jahren war der Verfasser dieser Zeilen für etwa einen Monat in Vietnam und erlebte dort ein offiziell kommunistisches Land mit allem, was dazugehört: Staatsmedien, Aufmärsche, Fahnen und Uniformen, einer überall sichtbaren Staatsgewalt, aber einer Gesellschaft, die turbokapitalistisch agierte und Englisch lernen wollte. Jede Seite wusste voneinander und achtete die andere. Selbst bei Unfällen unter Privaten wurde unbedingt vermieden, die Staatsmacht einzuschalten, die als korrupt und raffgierig galt. Vielmehr beglich die wohlhabendere Seite den Schaden, und Sammlungen dafür auch unter unbeteiligten Personen waren üblich. Niemand aber forderte die Staatsmacht heraus. Galt damals in Vietnam ein sozialistisches Rechtssystem? Mit Kelsen würde man das wohl bejahen, mit Smend verneinen. Da die Theorien dieser beiden Rechtsdenker des 20. Jahrhunderts weithin als unvereinbar gelten, befremdet dieses Ergebnis nicht.