Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen, genauer gesagt die jeweiligen Voten der Senatsmehrheit, als die misslungensten Entscheidungen anzuführen, ist gewagt, aber aus heutiger Sicht, der Hinweis auf den Bewertungszeitpunkt ist wichtig, gerechtfertigt. Sowohl das Urteil vom 25.02.19751 als auch das Urteil vom 28.05.19932 waren zum Zeitpunkt ihrer Verkündung umstritten und sind es geblieben. Viele Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts lösen bis in die Gegenwart rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Widerspruch aus. Manches Judikat, wie zB das zur Strafbarkeit männlicher Homosexualität gemäß §§ 175 f StGB aF,3 ist gänzlich überholt. Die Entscheidungen zu § 218 StGB sind es nicht. Vielmehr sind sie Elefanten im Raum, wenn im Deutschen Bundestag darüber gestritten wird, ob und wie Ärzte über die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen informieren dürfen oder sie hierfür strafrechtlich belangt werden sollen.4 Sie sind es auch deswegen nicht, weil in vielen Ländern die gesellschaftlichen, politischen und juristischen Diskussionen über die Reichweite und die Art des Schutzes für das ungeborene Leben extrem an Schärfe zugenommen haben. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind dafür nur ein Beispiel. Der Supreme Court hat seine Entscheidung Roe vs Wade, die bisher bundesweit Schwangerschaftsabbrüche erlaubte, revidiert. Daher ist es notwendig, die Aussagen der Mehrheitsvoten erneut zu kritisieren. Die misslungensten Entscheidungen sind sie aber nicht allein aus dem Grund, dass der Ausgleich zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mutter nicht gelungen ist, sondern weil sie außerdem Raum lassen für Diffamierungen,5 das Ergebnis des zweiten Urteils juristischen Laien kaum zu erklären ist und für Rechtsunsicherheit sorgt.