1. Darstellungen zum Grundrecht auf Meinungsfreiheit orientieren sich in unseren Breiten in der Regel am Prüfungsschema der europäischen Rechtstradition: Zunächst werden Schutzgegenstand und Schutzbereich beschrieben, dann die Zulässigkeit von Eingriffen, die wiederum anhand der Trias der gesetzlichen Grundlage, des legitimen Eingriffsziels und der Prüfung der Verhältnismäßigkeit bestimmt wird. Christoph Bezemek verlässt in seinem Werk die erste Ebene nicht, sondern leuchtet deren Weite bis in den kleinsten Winkel aus. Wenn es, wie Walter Berka kürzlich auf einer Tagung formulierte, noch offene Fragen zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit gäbe, Bezemek hätte sie mit diesem Werk geschlossen. Das Werk ist eine vergleichende Analyse der Rsp des US-Supreme Court zum Ersten Zusatzartikel der US-Verfassung (free speech) mit jener des EGMR zu Art 10 EMRK. Die beiden Grundrechtsgarantien unterscheiden sich strukturell, das First Amendment weist dem Wortlaut nach keine Einschränkungsmöglichkeiten bzw kein Schrankensystem iSd Art 10 Abs 2 EMRK auf. Das Ausmaß zulässiger Grundrechtsbeschränkungen wird vielmehr durch die Rsp bestimmt. Im vorliegenden Buch geht es Bezemek nicht um die Beschränkbarkeit auf Grund einer angeordneten oder von der Rsp vorgezeichneten Interessenabwägung. Er konzentriert sich ausschließlich auf Fälle, in denen höchstgerichtlich - vornehmlich in den USA, teilweise auch in Europa - bestimmten Äußerungen der Schutzbereich der Meinungsfreiheit von vornherein verwehrt wird, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung von Eingriffen daher erst gar nicht stattfindet.