VwGG: § 46 Abs 1 (Wiedereinsetzung; minderer Grad des Versehens, keiner; Rechtsanwaltskanzlei; kein wirksames Kontrollsystem)
VwGH 27. 5. 2011, 2011/02/0075, 2011/02/0139
Nach stRsp des VwGH gibt ein einem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für den Antragsteller nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd §§ 1324, 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Zudem muss der Vertreter seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sicher gestellt ist. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind. Im konkreten Fall wurde nicht einmal behauptet, dass der Vertreter ein Kontrollsystem eingerichtet hätte, sodass es ihm als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten ist, dass die Verbesserungsfrist versäumt worden ist. Nichtstattgabe.