FPG: § 76 Abs 1 (Schubhaft, Voraussetzungen; Sicherungsbedarf; Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls nicht ausreichend; keine konkreten Feststellungen zu befürchtetem Untertauchen; soziale Integration)
VwGH 23. 9. 2009, 2010/21/0280
Die Zulässigkeit von Schubhaft verlangt die Prüfung ihrer Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist. Bei dieser Prüfung ist unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses vor allem der Frage nachzugehen, ob im jeweils vorliegenden Einzelfall ein Sicherungsbedürfnis gegeben ist. Das setzt die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich der Abschiebung (insb) durch Untertauchen entziehen oder sie zumindest wesentlich erschweren. Die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls, die fallbezogen schon infolge des Vollzugs einer Freiheitsstrafen zuletzt unmöglich gewesen war, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG insb das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung der Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 17. 3. 2009, 2007/21/0542 = ZfVB 2009/1792, mwN).