FPG: § 61 Z 4 (Aufenthaltsverbot; "von klein auf im Inland aufgewachsen")
VwGH 25. 2. 2010, 2006/18/0363
Nach der zu § 38 Abs 1 Z 4 FrG 1997 ergangenen, wegen der in Bezug auf die Wendung "von klein auf im Inland aufgewachsen" insoweit unveränderten Rechtslage auch unter dem Blickwinkel des § 61 Z 4 FPG maßgeblichen hg Rsp (VwGH 24. 5. 2002, 2002/18/0096) kommt es für die Frage, welches Lebensalter der Wendung "von klein auf" zu subsumieren ist, maßgeblich auf die Integration in das in Österreich gegebene soziale Gefüge sowie auf die Kenntnis der deutschen Sprache an. Die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises, wie sie für die vom Schutzzweck des § 38 Abs 1 Z 4 FrG geforderte Vertrautheit mit dem sozialen Gefüge eines Staates maßgeblich ist, beginnt aus dem Blickwinkel der Sozialisation des Kindes etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres, wobei jedoch die Abgrenzung zum vorangehenden Lebensabschnitt fließend ist. Die genannte altersmäßige Abgrenzung ist auch aus entwicklungspsychologischer Sicht von Bedeutung, wird doch die "Phase der ersten Verselbstständigung" - das ist das Stadium, in dem Kinder auch familienfremde Erzieher akzeptieren, mit anderen Kindern Freundschaften anbahnen, Spiele spielen, sich im Gruppenleben integrieren und somit ihren Lebensbereich über ihre unmittelbare familiäre Sphäre hinaus ausdehnen können - mit etwa drei Jahren erreicht. Vor diesem Hintergrund ist die Wendung "von klein auf" so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres nach Österreich eingereist (bzw in Österreich geboren) ist, sich jedoch danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht bereits im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung - weil eine solche Person nicht in Österreich "aufgewachsen ist" - nicht als erfasst ansehen können.