Einer der Pflichtgegenstände des rechtswissenschaftlichen Studiums in Österreich betraf bis 1998 Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht, seither nur mehr dieses. Aber schon vor 1998 wurde die Verwaltungslehre eher nur einleitungsweise abgehandelt, unterrichtet und geprüft wurde Verwaltungsrecht. Wie die Verwaltungslehre war übrigens auch die Staatslehre unter die Räder des Positivismus gekommen, beides etwa gegen 1900, und damit auch Lorenz von Stein . Dies überstellte ihn sozusagen in die Verwaltungsgeschichte, die - neben einigen seltenen Bewunderern Steins im geltenden Recht - sich weiterhin wissenschaftlich mit ihm auseinandergesetzt hat. Die vorliegende Edition verfolgt allerdings kein rechtshistorisches Anliegen. Das Stein-Zitat "Recht wissen in dem, was dasselbe erzeugt" (1876: XIV) stellt Herausgeber Schiesky vor seine Einleitung "Lorenz von Stein - Verwaltungsrechtler und Verwaltungswissenschaftler". Er hält die im Zitat ausgedrückte Einheit von Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht für notwendiger denn je. Vor allem könne Steins Staats- und vor allem Verwaltungsbegriff "helfen, das komplexe Netzwerk, das Verwaltung im europäischen Kontext heute bildet, zu verstehen, zu erklären und normativ zu ordnen" (XIX), und zwar vor allem auch deswegen, weil "Recht und Politik in Zeiten von ‚Hartz IV' das Niveau Steins noch längst nicht wieder erreicht haben" (XXIII). Freilich wird eingeräumt, manche Teile der Edition hätten "sicherlich nur noch wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung" (XXI). Das im Neusatz vorliegende "Handbuch" besticht übrigens durch den fortgesetzten Titel "mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland". Als signifikant für den Inhalt erscheint der Umstand, dass der erste Titelteil "Handbuch der Verwaltungslehre" - freilich nur im Original - in doppelt so großen Buchstaben gedruckt war wie der nachfolgende mit dem Wort "Verwaltungsrecht", das damit optisch gleichsam als Nebenergebnis hingestellt wurde. Dem entspricht der Inhalt auch tatsächlich. Interessanterweise liegt dem Neudruck nicht die dritte und letzte Auflage in drei Bänden von 1887/88 zugrunde, sondern die einbändige erste Auflage von 1870. Zur Begründung dient der Hinweis, Stein sei es hier gelungen, den Inhalt "noch klarer und präziser" als in den späteren Auflagen zusammenzufassen, nämlich "prägnant und pointiert" (XV). Etwas unterbelichtet (und zudem unbelegt) erscheint in der Einleitung die Bedeutung Steins für die Reformen in Japan. Sie ist jedoch aus einem speziellen Grund wichtig: Im Jahre vor Steins Tod 1890 erschienen, herausgegeben von Kawashima Siun, zwei Broschüren Steins: "Betrachtung über Verfassungen" sowie "Einige Bemerkungen über die Grundsätze für die Organisation der Verwaltung" synoptisch in Deutsch und in Englisch sowie späterhin in japanischer Übersetzung. Es sind dies Steins sozusagen abschließende Äußerungen zu diesen Themen [Wilhelm Brauneder - Kaname Nishiyama (Hrsg), Lorenz von Steins "Bemerkungen über Verfassung und Verwaltung von 1889", Frankfurt/Main 1992].