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Integrationsfunktion der Verfassung und Verfassungsnormativität. Die Verfassungstheorie Rudolf Smends im Lichte einer transdisziplinären Rechtstheorie. Von Sandra Obermeyer. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2008. 170 Seiten, broschiert, EUR 58,-.

FachliteraturAnna Gamper, Stichworte:ZfV 2009/334ZfV 2009, 197 Heft 2 v. 5.5.2009

Orientiert an der Integrationslehre Rudolf Smends widmet sich die an der Universität Bielefeld approbierte, publizierte Dissertation grundlegend der Frage der Normativität einer Verfassung und speziell der Frage, inwiefern der "Integrationsverfassung" Normativität zukommt. Vor dem Hintergrund des bekannten Methodenstreits, den die Integrationslehre entfachte, spricht sich Obermeyer für ein erweitertes Konzept der Verfassung aus, das Normativität nicht von Justiziabilität abhängen lässt. Unerlässlich dafür ist freilich eine ganz bestimmte Definition des Begriffs der Normativität, den die Autorin als "Wirkung von Recht" und nicht, wie man vielleicht auch annehmen könnte, als Geltungsanspruch des Rechts versteht. Die Wirkung von Recht stelle sich als komplexer Vorgang mit einer Vielzahl von Faktoren dar, was es richtig erscheinen lasse, für ein Nebeneinander verschiedener Rechtsbegriffe zu plädieren, das auch der Vielgestaltigkeit gesellschaftlicher Regelungsbedürfnisse gerecht werde. Unter ausführlicher Zugrundelegung der Smendschen Verfassungstheorie und in Auseinandersetzung mit verschiedenen Beiträgen zur Integrationsdebatte (die unterschiedlichen Ansätze von Isensee, Häberle, Vorländer und Gebhardt werden näher behandelt) gelangt Obermeyer zum Schluss, dass eher von "Norm als Wirklichkeit" denn von "Norm und Wirklichkeit" auszugehen sei. Ein verengtes Verfassungsverständnis, das zwischen rechtlichen und nicht-rechtlichen "Verfassungsleistungen" unterscheide und unter letzteren etwa Staatszielbestimmungen, Verfassungsaufträge, soziale Grundrechte und Präambeln verstehe, verkenne letztlich die über die Tatbestandsstruktur der einfachen Gesetzgebung hinausgehende Sprache der Verfassung und reduziere den Rechtscharakter der Verfassung auf jene ihrer Bestandteile, die gerichtsförmig durchgesetzt würden. Zutreffend an dieser Auffassung ist sicherlich, dass Normativität nicht vom Vorhandensein einer Rechtsprechung abhängig gemacht werden darf, die ja aus unterschiedlichsten Gründen fehlen und deren künftiges Entstehen auch nicht ausgeschlossen werden kann. Ernster hingegen wiegen meines Erachtens die rechtsstaatlichen Bedenken, die einer allzu offenen "kulturwissenschaftlichen" Interpretation derart unbestimmter "Verfassungsleistungen" entgegenstehen. Dass eine Beurteilung dieser "Verfassungsleistungen" als "symbolisch" oder "semantisch" oftmals ohne die notwendige Differenziertheit und Subtilität vorgenommen wird, relativiert freilich auch die Überzeugungskraft ihrer Disqualifizierung als nicht-rechtliche Phänomene.

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