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VwGH 20. 6. 2002, 99/20/0172 (FREMDENPOLIZEI)

JudikaturFREMDENPOLIZEIZfV 2004/70ZfV 2004, 57 Heft 1 v. 1.3.2004

§ 7 AsylG 1997 (Verfolgung; Afghanistan; Frauen; Behinderung der medizinischen Versorgung)

VwGH 20.06.2002, 99/20/0172

Mit dem angefochtenen B wies die bel Beh die Berufung gem § 7 AsylG ab. Sie unterzog den Fall einer rechtl Würdigung unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen habe die Bfin behauptet, einer asylrelevanten Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung ausgesetzt gewesen zu sein, zum anderen begründe ihre Zugehörigkeit zum weibl Geschlecht als solche asylrelevante Verfolgung. Zum ersten Asylgrund meinte die bel Beh zunächst, die behauptete Ermordung des Schwagers und die Verschleppung des Ehegatten seien „wenig wahrscheinl, wenngleich zum damaligen Zeitpunkt nicht unmögl“. Freil komme es auf die Glaubwürdigkeit der unter diesem Gesichtspunkt behaupteten Verfolgung im gegenständl Fall gar nicht mehr an, weil zum Zeitpunkt der E der bel Beh die Ausführungen des Sachverständigen in der Berufungsverhandlung vom 11. 12. 1998 zu berücksichtigen seien, wonach sich die Haltung der Taliban gegenüber den Schiiten insofern gemäßigt habe, als nunmehr von einer systematischen Verfolgung der Schiiten allein aus dem Grund ihrer Glaubenszugehörigkeit nicht (mehr) die Rede sein könne, sondern nur noch „von politischen Verfolgungen gegen die Opposition die Rede (ist); dh wenn die schiitischen oppositionellen Gruppierungen (Wahdat-Partei) gegen die Taliban Widerstand leisten, werden sie schwerstens verfolgt.“ Daher hätten jedenfalls Angehörige der Qizilbasch derzeit wegen ihrer Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung in Afghanistan keine asylrelevante Verfolgung mehr zu befürchten. Zum zweiten geltend gemachten Asylgrund der „Gruppenverfolgung wegen Zugehörigkeit zum weibl Geschlecht“ könne aus dem alleinigen Umstand, dass innerhalb derjenigen Minderheit der Personen, die derzeit in Afghanistan eine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen (können), der Anteil der Angehörigen des männl Geschlechts überwiege, „aufgrund der weitgehend geschlechtsneutralen Streuung dieser unmenschl Behandlung“ eine asylrelevante Verfolgung der Angehörigen des weibl Geschlechts nicht abgeleitet werden. Bei der Berufungswerberin handle es sich um eine Analphabetin, welche ihrem eigenen Vorbringen zufolge seinerzeit in Afghanistan sich „hauptsächlich zu Hause“ aufgehalten und „einen Schleier angehabt“ habe. Die Berufungswerberin gehöre daher nicht zur Gruppe „gebildeter, vormals berufstätiger Frauen, denen jede weitere Berufs- und Bildungsmöglichkeit verwehrt wurde und denen nun der Schleier, ein von ihnen vormals nicht verwendetes Kleidungsstück, aufgezwungen wird“ und die demnach von den von den Taliban erlassenen Beschränkungen für Frauen besonders betroffen seien. Die vom Sachverständigen angeführte Benachteiligung von Frauen durch das für sie geltende „Arbeitsverbot“ betreffe „Frauen, die aufgrund der allgemeinen Not, aufgrund eines Verlustes von männl Familienangehörigen etc. dazu gezwungen seien, einer Arbeit nachzugehen, um ihre Familie ernähren zu können“. Diese Situation treffe auf die Bfin insofern nicht zu, als sie aller Voraussicht nach nicht ohne ihren am 2. 3. 1981 geborenen Sohn allenfalls nach Afghanistan zurückkehren müsste und daher aufgrund der zu erwartenden Fürsorge ihres Sohnes „vom Arbeitsverbot nicht in existenzieller Weise betroffen“ wäre.

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