§ 71 Abs 1 Z 1 AVG (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, minderer Grad des Versehens; Verschulden eines Boten)
VwGH 10.11.1998, 98/11/0141
Nach dem Vorbringen im WE-A handelte es sich bei dem vom Rechtsvertreter mit der Postaufgabe betrauten Boten um dessen ihm als verlässl und gewissenhaft bekannten Versicherungsbetreuer. Dieser hatte sich anlässl einer Besprechung in der Kanzlei des Rechtsvertreters am Nachmittag des 17. 10. 1997 (des letzten Tages der Vorstellungsfrist) erbötig gemacht, auf dem Rückweg die Sendung noch am selben Tag zur Post zu geben. Der vorliegende Sachverhalt lässt nichts erkennen, was Anlass zu Bedenken an der Einhaltung des gegebenen Versprechens und damit zur Kontrolle seiner Erfüllung noch am selben Tag gegeben hätte. Auch die bel Beh nennt keinen Umstand, der das Erfordernis einer Kontrolle des Boten durch den Rechtsvertreter nahegelegt hätte. Es kann dahinstehen, ob - wie die bel Beh meint - aus der einem Rechtsvertreter gegenüber seinen Kanzleiangestellten obliegenden Überwachungspflicht abzuleiten ist, dass einem Boten gegenüber erhöhte („umso mehr“) Überwachungspflicht besteht. Unter den hier gegebenen Umständen muss die Ansicht der bel Beh, der Rechtsvertreter des Bf hätte sich noch am selben Tag hinsichtl der fristgerechten Postaufgabe vergewissern müssen (wobei offenblieb, ob dies dem Rechtsvertreter unter den gegebenen Verhältnissen überhaupt zumutbar gewesen wäre), als Überspannung der Überwachungspflicht angesehen werden. Bei der gegebenen Sachlage bedeutet das Unterbleiben einer Überwachung des Boten durch den Rechtsvertreter jedenfalls kein die WE in den vorigen Stand ausschließendes grobes Verschulden. Aufhebung wegen inhaltl Rechtswidrigkeit.