Verletzung (Bescheid)
VfGH 02.03.1995, B 1476/93
Der VfGH vermag nicht zu erkennen, dass durch die inkriminierte Äußerung „die Herabsetzung von Ärztekollegen in der Öffentlichkeit“ erfolgte, wie die bel Beh dies vermeint. Aus dem Text des Leserbriefes geht eindeutig hervor, dass der Bf in diesem wohl eine krit Meinung zu einem Problemkreis geäußert hat, damit in der Öffentlichkeit aber keineswegs Ärztekollegen zum Vorwurf macht, bei Organverpflanzungen in Missachtung ihrer ärztl Berufspflicht gehandelt zu haben. Der Bf hat ledigl seine Auffassung dargetan, dass es bei Organverpflanzungen notwendig sei, Organe Spendern bzw Unfallopfern bereits zu einem Zeitpunkt zu entnehmen, zu dem der mit dem Eintritt des Todes einsetzende Zerfall der Organe noch nicht eingesetzt habe. Die Formulierung „müssen herausoperiert werden“ bringt damit die Ansicht des Bfs zum Ausdruck, dass Organverpflanzungen in einem von ihm als krit gewerteten Zeitpunkt zu erfolgen haben, wozu er seine Meinung pointiert äußert. Ausgehend von der im Erk VfSlg 1992/13.122 eingehend begründeten Ansicht, dass das verfgesgew Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung bes Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Äußerung als strafbares Disziplinarvergehen fordert, ist der VfGH der Auffassung, dass die inkriminierte Äußerung des Bfs bei verfassungskonformer Auslegung des § 95 Abs 1 Z 1 ÄrzteG jedenfalls nicht als disziplinär zu ahndende Darstellung des Standpunktes eines Arztes zu werten ist. In einer demokrat, krit Betrachtungen auch einschlägiger Art jedenfalls nicht ungewohnten Ges kann die in Rede stehende Äußerung hingenommen werden, ohne dass die öff Ordnung, der Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer Schaden erleiden. Eine verfassungskonforme Auslegung der angewendeten - verfassungsrechtl unbedenkl - Vorschrift führt daher zum Ergebnis, dass das DiszVergehen der Beeinträchtigung des Ansehens der österr Ärzteschaft nicht stattgefunden hat.