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Der Stiftungsbeirat zwischen Skylla und Charybdis

EditorialKlaus OberndorferZFS 2014, 93 Heft 3 v. 1.9.2014

Nun ist es amtlich: Der Stiftungsbeirat darf nicht nur nicht „aufsichtsratsähnlich“ sein (zuletzt 6 Ob 139/13d) sondern auch nicht „vorstandsähnlich“ (OGH 10.4.2014, 6 Ob 230/13m, abgedruckt auf Seite 111 mit Anmerkung von Karollus), ja er kann im worst case sogar gleichzeitig aufsichtsrats- und vorstandsähnlich sein (wie das wohl der in 6 Ob 139/13d zu beurteilende Beirat tatsächlich war) und wäre damit doppelt verpönt. Was mit 6 Ob 39/97x als „Skylla“ für den Stiftungsbeirat begann, mit 6 Ob 42/09h einzementiert wurde, mit 6 Ob 139/13d – trotz der (auch) durch 6 Ob 42/09h „provozierten“ Novelle BGBl I 2010/111 – fortgesetzt wurde, findet seinen vorläufigen Höhepunkt siebzehn Jahre später in 6 Ob 230/13m als „Charybdis“. Der uneingeweihte Leser wird sich fragen: Wie kann ein Organ gleichzeitig vorstands- und aufsichtsratsähnlich sein, kommen doch dem Vorstand und dem Aufsichtsrat typischerweise einander ergänzende Aufgaben zu. Wenngleich der von Csoklich geprägte und vom OGH übernommene Begriff der „Vorstandsähnlichkeit“ in der Tat den Nagel vielleicht nicht ganz auf den Kopf trifft (siehe die kritischen Worte von Karollus zur Begriffswahl in diesem Heft), so ist die neue oberstgerichtliche Stoßrichtung klar: Unabhängig von der Besetzung darf ein Beirat die Kompetenzen des Vorstandes nicht über Gebühr einschränken. Oder mit anderen Worten: Der Beirat darf den Vorstand nicht am Gängelband führen. Das ist sicher ein herber Rückschlag für die zahlreichen Familienstiftungen, die zumeist über einen Familienbeirat Einfluss auf die Geschicke der Familienstiftung und des dort geparkten Vermögens zu nehmen versuchen. Fand man sich nach 6 Ob 39/97x – trotz des nahezu wütenden literarischen Ansturms gegen diesen Entscheidung – im Laufe der Zeit damit ab, dass die Begünstigten den Beirat nicht regieren dürfen, so wird nun die mögliche Einflussnahme des Beirates auf den Vorstand überhaupt stark zurückgedrängt; und das in Zeiten, in denen – bedingt durch das langsame „Aussterben“ der über allem stehenden Stiftergeneration, die zumeist in Harmonie zu „ihrem“ Stiftungsvorstand lebte – die „zweite Begünstigten-Generation“ ohnedies um ihren Einfluss auf das Familienvermögen in der Privatstiftung ringt. Die stark steigende Anzahl der obergerichtlichen Entscheidungen, die sich mit Vorstandsabberufungen beschäftigen, bestätigt das stetig wachsende Spannungsfeld zwischen den Vorständen und den Begünstigten – und damit aber auch die Bedeutung der Unabhängigkeit des Stiftungsvorstandes, der alleine der (gesetzeskonformen) Stiftungserklärung und dem Gesetz verpflichtet ist. Ist daher die Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Unabhängigkeit des Stiftungsvorstandes nicht eigentlich zu begrüßen? Führen nicht tatsächlich ausufernde Zustimmungsvorbehalte eines Stiftungsbeirates faktisch zur Abhängigkeit des Vorstandes vom Beirat, allen literarischen Unkenrufen zum Trotz, die auf das „Initiativmonopol“ des Vorstands hinweisen? Als Stiftungsvorstand und auch als Berater kann man der neuen Entscheidung zum vorstandsähnlichen Beirat durchaus einiges abgewinnen, wenngleich die noch „in den Kinderschuhen steckende“ Rechtsprechung noch einige „Kinderkrankheiten“ aufweist und vor allem mit Blick auf das Aktienrecht wohl noch einiger Schärfung bedarf (parallele Grenzziehung zum Vorstand der Aktiengesellschaft oder stärker ausgeprägte Autonomie des Stiftungsvorstandes?), schon alleine aus Gründen der dringend notwendigen Rechtssicherheit. Will man hingegen diese Unabhängigkeit gar nicht und sowohl Skylla als auch Charybdis im Privatstiftungsrecht mit Sicherheit umschiffen, so wird der Gesetzgeber tätig werden müssen (der OGH wird seine Linie begrüßenswerterweise nicht mehr ändern) – aber bitte dieses Mal überlegt, um ein „Fiasko“ (so zutreffend Karollus!) wie zuletzt mit der Novelle Novelle BGBl I 2010/111 – zu vermeiden! Und selbst wenn dies nicht passieren sollte, sei den Stiftungsbeiräten die griechische Mythologie in Erinnerung gerufen: Auch Odysseus gelang es, Skylla und Charybdis – wenngleich mit Opfern – zu überwinden.

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