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Aktuelle versicherungsrechtliche Entscheidungen des OGH

JudikaturOGHUniv.-Prof. Dr. Michael GruberZFR 2015/113ZFR 2015, 229 Heft 5 v. 18.5.2015

Kaskoversicherung, Aufklärungsobliegenheit, Unfallanzeige, Kausalitätsgegenbeweis

1. Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer (VR) vor vermeidbaren Beweisbelastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer (VN) motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RIS-Justiz RS0116978). Den VR trifft die Beweislast für das Vorliegen des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung. Im Fall eines solchen Nachweises ist es dann Sache des VN, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat (RIS-Justiz RS0081313 [T32]). Eine leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (RIS-Justiz RS0043728 [T4]). Gelingt dem VN der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei "schlicht" vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR einen Einfluss gehabt hat (RIS-Justiz RS0116979). Nur wenn der VN eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zulasten des VR zu manipulieren (sog "dolus coloratus"), ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der Anspruch verwirkt (RIS-Justiz RS0081235 [T10]; RS0109766). Nicht erforderlich ist, dass der VN geradezu und ausschließlich mit dem Ziel handelt, den VR zu täuschen (Betrugsabsicht); es genügt, wenn er erkennt, dass die von ihm dargelegten oder unvollständig angegebenen Umstände, die für die Beurteilung der Leistungspflicht des VR maßgeblich sind, Letzteren beeinträchtigen oder fehlleiten können und er sich damit abfindet. Täuschung liegt vor, wenn der VN einen Vermögensvorteil anstrebt, aber auch, wenn er durch die Angabe unrichtiger Tatsachen einen für berechtigt gehaltenen Anspruch durchsetzen oder einfach "Schwierigkeiten" bei der Schadensfeststellung verhindern will (RIS-Justiz RS0109766). Absichtlich unvollständig gemachte Angaben des VN gegenüber dem VR, die sich erkennbar nicht darauf bezogen, diesen zu täuschen, sind nicht als "dolus coloratus" zu werten und erlauben dem VN den Kausalitätsgegenbeweis (RIS-Justiz RS0109767). Eine "Manipulation" ist nur dann als Täuschung im Sinn der zitierten Bestimmung zu qualifizieren, wenn feststeht, dass damit der VR in die Irre geführt werden sollte. "Manipulationen", die sich schon von vornherein oder nach ihrer Richtigstellung (Aufklärung) als gar nicht "täuschungsgeeignet" herausstellen, sollen von der Sanktion des Ausschlusses des Kausalitätsgegenbeweises ausgenommen sein (7 Ob 150/13d mwN RIS-Justiz RS0109767 [T2] = ZVR 2014/90, 164 [Ch. Huber]). Die Frage, ob dem VN "dolus coloratus" vorzuwerfen ist, ist primär eine Tatfrage (7 Ob 97/09d; 7 Ob 34/12v; RIS-Justiz RS0109766 [T10]).

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