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COVID-19: Sind die Ausgangsbeschränkungen gesetzwidrig?

BeiträgeMag. Dominik Prankl5)5)Dominik Prankl ist Universitätsassistent am Fachbereich Privatrecht an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Sigmund Freud Privatuniversität Wien. Kontakt: dominik.prankl@jus.sfu.ac.at .ZfG 2020, 58 Heft 2 v. 15.6.2020

Abstract: Der Gesundheitsminister hat zur Bekämpfung der Verbreitung des Corona-Virus per Verordnung (in der Folge kurz "VO") das Betreten öffentlicher Orte österreichweit Einschränkungen unterworfen. Wer seine eigenen vier Wände verlassen möchte, muss sich – zumindest wird dem Leser dieser Eindruck bei erstem Durchsehen besagter VO vermittelt – rechtfertigen und außerdem einen Mindestabstand von einem Meter zu seinen Mitmenschen einhalten. Die Polizei zeigt bei Verstößen oft wenig Nachsehen und erstattet reihenweise Anzeigen, die zu beträchtlichen Verwaltungsstrafen führen (bzw straft nunmehr mittels Organstrafverfügungen auch selbst1)1)Siehe § 2a Abs 1a Z 3 COVID-19-Maßnahmengesetz und die VO des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Einhebung von Geldstrafen mit Organstrafverfügung nach dem Epidemiegesetz 1950 und dem COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl II Nr 152/2020.). Die VO ist jedoch offenkundig gesetzwidrig, weil sie das im Gesetz vorgesehene (wohlüberlegte) Regelungsmodell, wonach Betretungsverbote bloß für "bestimmte Orte" erlassen werden dürfen, geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Überdies ist die Verfassungskonformität der VO-Ermächtigung (§ 2 COVID-19-Maßnahmengesetz) zweifelhaft. Der Verfasser dieses Beitrages hat dies (als einer von vielen2)2)Am 10. 4. 2020 waren laut Pressestelle des VfGH 20 Beschwerden gegen die COVID-19-Gesetze anhängig. Berücksichtigt man den Zeithorizont, dürfte es sich ausnahmslos um Individualanträge handeln. Den Medienberichten ist zu entnehmen, dass es bei den anhängigen Verfahren nicht bloß um die Ausgangsbeschränkungen, sondern auch um die "Aushebelung" des im § 32 EpidemieG bei Betriebsschließungen vorgesehenen Entschädigungsanspruchs geht. In § 4 Abs 2 COVID- 19-Maßnahmengesetz ist nämlich vorgesehen, dass die Bestimmungen des EpidemieG betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangen, wenn das Betreten von Betriebsstätten gestützt auf § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz untersagt wird. Betriebsinhaber sind demnach auf die ad hoc geschaffenen Unterstützungsfonds angewiesen. Die Ungleichbehandlung von Betriebsschließungen, die wegen sonstiger anzeigepflichtiger Krankheiten nach dem EpidemieG erfolgen, und solchen, die aufgrund des Corona-Virus erfolgen, erscheint mir aus verfassungsrechtlicher Sicht gerechtfertigt, weil dem EpidemieG der Gedanke zugrunde liegt, dass von Betriebsschließungen nur einzelne oder einige Betriebe betroffen sind (weshalb auch vollumfängliche Schadloshaltung der Betroffenen aus staatlicher Sicht zumutbar ist). Kommt es österreichweit flächendeckend zu Betriebsschließungen, stieße der Bund bei vollumfänglicher Schadloshaltung hingegen an finanzielle Belastungsgrenzen.) zum Anlass genommen, die VO des Gesundheitsministers mittels Individualantrages beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.3)3)Das Verfahren ist beim VfGH zu GZ V363/2020 anhängig. Eine Entscheidung war im Zeitpunkt der Abgabe des Manuskripts noch ausständig und ist wohl frühestens in der Juni-Session des VfGH zu erwarten. Im Folgenden sollen die Normbedenken – ohne Erhebung des Anspruchs auf Vollständigkeit4)4)Der Anspruch auf Vollständigkeit muss schon deshalb unterbleiben, weil der Verfasser kein gelernter Verfassungsrechtler ist, sondern auf privatrechtlichem Gebiet beheimatet ist. Nichtsdestotrotz sieht sich der Verfasser dazu berechtigt, ja verpflichtet, in einer Phase, in der der Spruch von den außergewöhnlichen Zeiten, die außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich machen würden, zur allgemeinen Handlungsmaxime erhoben wird, mit Nachdruck auf Unvereinbarkeiten mit unserer Verfassung hinzuweisen. In diesem Kontext ist auch der vom Verfasser eingebrachte Individualantrag zu sehen. Gedankt sei an dieser Stelle meinem akademischen Lehrer RA Univ.-Prof. Dr. Max Leitner und seiner Kanzleipartnerin RA Dr. Mara-Sophie Häusler, LL.M, die nicht zögerten, meine anwaltliche Vertretung vor dem VfGH zu übernehmen. – dargelegt werden, wobei sich die Ausführungen auf die Rechtslage bis zum 13. 4. 2020 beziehen.

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