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Fahrgast muss für festen Halt sorgen

RechtsprechungSchadenersatzBearbeiter: Wolfgang KolmaschZak 2019/325Zak 2019, 176 Heft 9 v. 5.6.2019

ABGB: § 1295 Abs 1, § 1304, § 1311

EKHG: § 9 Abs 2

Der Lenker eines öffentlichen Verkehrsmittels muss mit der Abfahrt nicht so lange zuwarten, bis alle Fahrgäste die Plätze eingenommen haben. Nach § 11 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr (BGBl II 2001/47) obliegt es jedem Fahrgast, sich im Fahrzeug dauernd festen Halt zu verschaffen.

Auch ein iSd § 9 Abs 2 EKHG besonders sorgfältiger Buslenker muss nicht aufgrund der langsamen und unsicheren Fahrweise eines entgegenkommenden Fahrzeugs damit rechnen, dass der Lenker eines diesem folgenden Fahrzeugs plötzlich und ohne Betätigen des Blinkers zum Überholen ansetzen und auf seine Fahrspur geraten könnte.

OGH 29. 4. 2019, 2 Ob 45/19k

Anmerkung: Die damals 75-jährige und rüstige Klägerin stieg an einer Haltestelle in einen Linienbus ein und hangelte sich nach der Abfahrt an den Haltestangen zu einem freien Sitzplatz im vorderen Bereich des Busses. Als der Busfahrer etwa 20 Sekunden nach der Abfahrt verkehrsbedingt stark bremsen musste, hatte sie gerade ihren Haltegriff etwas gelockert, um sich hinzusetzen. Aufgrund der Bremsverzögerung stürzte sie und verletzte sich. Ursache des Bremsmanövers war ein Fahrzeuglenker im Gegenverkehr, der hinter einem langsam und unsicher fahrenden Fahrzeug plötzlich und ohne vorheriges Betätigen des Blinkers zum Überholen angesetzt hatte.

Die Vorinstanzen wiesen die Schadenersatzklage der Klägerin gegen die Bushalterin ab. Ein Verschulden des Buslenkers liege nicht vor. Auch eine Gefährdungshaftung scheide aus, weil die Haftungsbefreiung nach § 9 EKHG wegen Unabwendbarkeit greife. Der OGH billigte diese Beurteilung und wies die dagegen gerichtete Revision der Klägerin mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.

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