1. Einleitung
Erwerbsarmut bedeutet, dass jemand trotz Erwerbstätigkeit armutsgefährdet ist. Betroffene werden als erwerbsarmutsgefährdet oder working poor bezeichnet. Das Phänomen zeigt, dass Erwerbsarbeit nicht immer vor Armut schützt. Denn in Europa verliert Erwerbsarbeit aufgrund der Umbrüche am Arbeitsmarkt, etwa des wachsenden Niedriglohnsektors und der Verbreitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse, zunehmend den armutsvermeidenden Charakter, der ihr im Zuge des Fordismus zugeschrieben wurde (Filandri und Struffolino 2019; Verwiebe und Fritsch 2011; Bardone und Guio 2005). Nicht alle Erwerbstätigen haben die gleichen Arbeitsmarktchancen, und viele Jobs sind unsicher, schlecht bezahlt und bieten begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten. Während sich Frauen seit jeher in einer benachteiligten Arbeitsmarktsituation befinden, sind mittlerweile zunehmend auch Männer von Prekarisierungstendenzen am Arbeitsmarkt betroffen (Dörre 2007). Erwerbsarmut wird seit der Jahrtausendwende zusehends als Problem anerkannt und wurde in Folge ein Ausgangspunkt für die europäische Beschäftigungsstrategie sowie als "Inwork poverty"-Indikator (im Folgenden: Eurostat-Indikator) in die europäische Sozialberichterstattung aufgenommen (Bardone und Guio 2005). Laut Eurostat-Indikator sind working poor 18- bis 64-jährige Erwerbstätige, die in armutsgefährdeten Haushalten leben. Dabei gilt als erwerbstätig, wer im Vorjahr mindestens sieben Monate einer Beschäftigung nachgegangen ist, und als armutsgefährdet, wessen äquivalisiertes Netto-Jahreshaushaltseinkommen1) unter der nationalen Armutsschwelle liegt (Fink 2019). Da die Armutsgefährdung auf Basis des äquivalisierten Haus-

