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Ein neuer europäischer Interventionismus? Die Auswirkungen des neuen Systems der europäischen Economic Governance auf Löhne und Tarifpolitik

AufsätzeThorsten Schulten, Torsten MüllerWuG 2013, 291 Heft 3 v. 15.10.2013

1. Einleitung

Das neue europäische System der Economic Governance, das sukzessive von der EU und ihren Mitgliedsstaaten zur Durchsetzung der Austeritätspolitik und von "Strukturreformen" etabliert wurde, hat die Rahmenbedingungen nationaler Tarifpolitik fundamental verändert. Prozedural schuf es durch die neu eingeführten Mechanismen der Überwachung, Sanktionen und intensivierten Koordinierung die Voraussetzung für eine zunehmende Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse von der nationalen auf die europäische Ebene, wodurch der politische Handlungsspielraum nationaler Akteure massiv eingeschränkt wurde. Inhaltlich macht das neue System der Economic Governance mit seinem einseitigen Fokus auf Austerität und preisliche Wettbewerbsfähigkeit Löhne - oder genauer die nach unten gerichtete Flexibilität von Löhnen - zur zentralen Anpassungsvariable der derzeit bestehenden makroökonomischen Ungleichgewichte. Das Zusammenspiel dieser beiden Prozesse ermöglicht den europäischen Institutionen (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Europäischer Rat) die direkte Intervention in nationale Tarifpolitiken, indem sie auf Lohnkürzungen und -stopps und die Dezentralisierung von Tarifvertragssystemen drängen. Das neue System der Economic Governance steht daher für einen Paradigmenwechsel von der Akzeptanz der Tarifautonomie hin zur direkten politischen Intervention in nationale Verhandlungsergebnisse und -prozesse.

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