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Vergangene Paradigmen - Wirtschaftskrise und Verteilungskonflikte

AufsätzeManfred PrischingWuG 2010, 149 Heft 2 v. 1.6.2010

Westeuropa hat ein glückliches halbes Jahrhundert hinter sich gebracht. Eine "Ausnahmezeit", so als ob wir gleichsam aus einer Geschichte, die bis in die jüngste Zeit hinreichend blutig verlaufen ist, ausgestiegen wären. Nach dem "Age of Extremes" (Hobsbawm 1995) ein "Age of Peace, Wealth, Harmony and Integration", das vielleicht bloß möglich war als Schockreaktion auf die Extremismen davor. In diesen Jahrzehnten haben sich die Bewohner der europäischen Luxusländer an manche Errungenschaften, von denen man vorher nur hätte träumen können, gewöhnt, und diese sind recht rasch zu Selbstverständlichkeiten geworden - so als ob die Welt gar nicht anders sein könnte. Aber die Welt kann anders sein, und um diese Selbstverständlichkeit soll es in der Folge gehen: An welche Gegebenheiten haben wir uns so gewöhnt, dass wir uns ihr Verschwinden kaum vorstellen können? An welchen Aspekten könnte die "Fortsetzungsvermutung" - alles bleibt im Grunde, wie es war, nur wird es immer besser - scheitern? Was wird, insbesondere mit dem Blick auf Verteilungsfragen, im nächsten halben Jahrhundert anders werden?11Ich konzentriere mich - aus der Fülle möglicher Aspekte - auf einige wirtschaftliche und politökonomische Fragen, insbesondere auf Verteilungsfragen, mit denen konkrete Lebenschancen einhergehen. Dabei geht es mir weniger um die üblichen Indikatoren, sondern um die Verteilung von allgemeinen Lebenschancen zwischen West und Ost, zwischen absteigenden und aufsteigenden Ländern; die Verteilung innerhalb der Nationen, zwischen Oben und Unten, aber auch zwischen Einheimischen und Zuwanderern, zwischen Alten und Jungen, zwischen Unqualifizierten und Leistungsstarken, zwischen Spielern und ängstlichen Menschen. Ich danke für die Diskussionen nach meinem Vortrag im Kautsky-Kreis - und auch einige andere anregende Vorträge. Die Arbeit an diesem Aufsatz ist drittmittelfrei und deshalb nur der Wissenschaft verpflichtet. Geschlechternennungen werden teilweise verdoppelt, aus sprachästhetischen Notwendigkeiten oft aber auch konventionell gestaltet; gemeint sind dann natürlich immer beide Geschlechter. Leitgedanke dieser Überlegungen sind einige "Endismen", die ich erläutern möchte: Paradigmen, die aus dem letzten halben Jahrhundert stammen und von denen wir uns im nächsten halben Jahrhundert wohl werden verabschieden müssen. Es handelt sich um einige Schlagwörter: um das Ende der Container, das Ende des okzidentalen Kapitalismus, das Ende der berechenbaren Ökonomie, das Ende der Leistungsgesellschaft, das Ende der Mittelschichtgesellschaft, das Ende des generösen Staates, das Ende des ressourcenintensiven Zeitalters und das Ende der europäischen Homogenität.

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