Am 9. Juli 2005 ist Erwin Weissel nach langer schwerer Krankheit im 76. Lebensjahr in Wien verstorben. Erwin Weissel war seit seinem Eintritt in die Wirtschaftswissenschaftliche Abteilung im Jahr 1958 einer der führenden ökonomischen Experten der Arbeiterkammer. Durch zahlreiche Publikationen, die in dem für ihn so chrakteristischen klaren, gleichermaßen prägnanten und pointierten Stil verfasst waren, trug er maßgeblich zur Verbreitung und Durchsetzung moderner wirtschaftswissenschaftlicher Sichtweisen, insbesondere der Keynes'schen Lehre, und damit auch zur Modernisierung der Wirtschaftspolitik in Österreich bei. Von ihm stammen etliche in den sechziger Jahren Maßstäbe setzenden empirische Untersuchungen wie „Die langfristige Entwicklung von Löhnen und Gehältern in Wien“ (1964) und „Lebensalter, Arbeitszeit und Lohn“ (1969). Empirische Akribie war bei Erwin Weissel gepaart mit Theorie, der sein eigentliches tieferes Interesse galt. Zeitschriften und Buchpublikationen bezeugen dies ebenso wie seine Tätigkeit als Übersetzer mehrerer heute schon klassisch gewordener Werken Joan Robinsons, der führenden Repräsentantin der postkeynesianischen Theorie. Gleich wichtig wie die Theorie ist im Werk Erwin Weissels die Geschichte. In dem nach jahrelanger Arbeit 1976 publizierten Buch „Die Ohnmacht des Sieges“, das eine umfassende Darstellung, Analyse und Evaluierung der Sozialisierungsbestrebungen in Österreich und auch in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg bietet, legte Weissel eine Respekt gebietende Synthese aus Ökonomie, Geschichte und Politikbetrachtung vor, entsprechend seiner Vorstellung politischer Ökonomie - und als „Politökonom“ hat Erwin Weissel sich immer verstanden.
