Die kurze Freiheitsstrafe in der Sanktionspraxis. Auswirkungen der Reform des § 37 StGB

​​I. Einleitung

Wenn Gefangenenraten "gewissermaßen das sichtbare Endprodukt der gesamten Kriminalpolitik" sind,²⁾²⁾Dünkel/Lappi-Seppälä/Morgenstern/van Zyl Smit, Gefangenenraten und Kriminalpolitik in Europa: Zusammenfassung und Schlussfolgerungen, in dies (Hrsg), Kriminalität, Kriminalpolitik, strafrechtliche Sanktionspraxis und Gefangenenraten im europäischen Vergleich II (2010) 1023 (1024). dann werfen die Werte für Österreich kein gutes Bild auf die Kriminalpolitik: Zum Stichtag 1.1.2022 überstieg die Gefangenenrate jene im soziokulturell vergleichbaren Nachbarland Deutschland um 28 %.³⁾³⁾Sie beträgt je 100.000 Einwohner in Österreich 93,5 und in Deutschland 67,1. Auch in der Schweiz ist die Gefangenenrate mit 71,9 deutlich niedriger. Quelle: Aebi/Cocco/Molnar, SPACE I – 2022. Council of Europe Annual Penal Statistics: Prison populations (2023) 31. Neben dem unerwünschten Eindruck eines hohen Ausmaßes an Punitivität sind als gravierende Nachteile der hohen Gefangenenrate zu verzeichnen: die häufige Überbelegung der Gefängnisse,⁴⁾⁴⁾Siehe hierzu die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz, AB 12469 27. GP 6 ff. Zu den Auswirkungen der Überbelegung Grafl et al, Kriminalpolitische Initiative: Mehr Sicherheit durch weniger Haft!, JRP 2004, 61 (61 f). die Überlastung des dort tätigen Personals und die hohen Kosten für die Staatskasse. Auch die gemessen am europäischen Durchschnitt als "sehr hoch"⁵⁾⁵⁾Aebi/Cocco/Molnar, SPACE I – 2022 6. geltende Selbstmordrate in den österreichischen Gefängnissen könnte mit den hohen Gefangenenzahlen zusammenhängen.