1. Einleitung
1.1. Konventionsrechtliche Haftung im Auslieferungsverfahren
Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) lässt spezielle Regelungen zum Auslieferungs-, Ausweisungs-, Asyl- oder ganz generell Ausländerrecht vermissen.1) 1989 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im richtungsweisenden Urteil Soering gegen das Vereinigte Königreich2) jedoch, dass Vertragsstaaten der EMRK mit der Auslieferung von ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen in einen anderen Staat (im Folgenden: Zielstaat) gegen Artikel 3 EMRK verstießen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme sprächen, dass die betroffene Person im Zielstaat einer Strafe oder Behandlung ausgesetzt würde, welche die Schwelle zur unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung erreiche und daher mit Artikel 3 EMRK unvereinbar sei.3) In einer Vielzahl von auf die Rechtssache Soering folgenden Entscheidungen befasste sich der EGMR mit weiteren einschlägigen Fällen, sodass mittlerweile von settled case-law gesprochen werden kann.4)