I.
Dass die Einladung zum Festvortrag auf dem 20. Forum einem Verfassungsrechtler gegolten hat, hat gewiss mit dem neuen Verfassungsartikel über die Staatsanwaltschaft zu tun: Nach Art 90a B-VG sind die Staatsanwälte Organe der Gerichtsbarkeit, die in Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen Ermittlungs- und Anklagefunktionen wahrnehmen. Dieser Artikel ist Anfang 2008 in die Verfassung eingefügt worden, nach einer fast schon turbulent zu nennenden Vorgeschichte: In der Regierungsvorlage fehlte er noch,1) der Verfassungsausschuss schlug ihn auf einen Abänderungsantrag hin vor,2) im Plenum des Nationalrats wurde er in zweiter Lesung abgeändert,3) und weil es zu einer Verzögerung der Beurkundung durch den Bundespräsidenten kam, der aus anderen Gründen Anlass hatte, das verfassungsmäßige Zustandekommen der Novelle intensiver zu prüfen,4) trat er rückwirkend in Kraft.5) Vielleicht deshalb, weil es über Nacht kam und weil die Genese so dramatisch war, war die Freude über den neuen Artikel in der Staatsanwaltschaft und unter den Richtern umso größer. Dass nunmehr auch die Staatsanwälte, in der Verfassung verbürgt, Organe der Gerichtsbarkeit sind, hat einen ungeliebten Zustand beendet, der zwar fast hundertsechzig Jahre gewährt hat, mit dem sich die Justiz aber nie richtig anzufreunden vermochte.6) Dass die Staatsanwälte Verwaltungsbehörden sind, die nach Art 20 Abs 1 B-VG den Weisungen ihrer Vorgesetzten bis hinauf zur Bundesministerin für Justiz unterliegen und die im Unterschied zu den Gerichten durch Parlament, Rechnungshof und Volksanwaltschaft kontrolliert werden, diese Einordnung ist je länger, je stärker als Oktroy der Verfassungsrechtslehre empfunden worden, die in diesem Punkt zwar ganz erstaunlich einig war,7) die aber der Staatsanwaltschaft fern stand und die es deshalb einfach nicht besser wissen konnte. Nach dem Selbstverständnis der Staatsanwälte ergab und ergibt eine Zuordnung zur Verwaltung keinen Sinn: Sie sind in der Strafrechtspflege tätig und damit auf dem selben Aufgabenfeld wie die Richter; sie sind als Richter ausgebildet, zum Richteramt befähigt und müssen grundsätzlich als Richter auch schon tätig gewesen sein; ihr Arbeitsort ist bei Gericht.