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Der Staatsanwalt im Spannungsfeld zwischen Legalitätsprinzip und Kontrolle **)**)Schriftfassung des am 27. Juni 2011 auf dem 20. Forum der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Walchsee gehaltenen Festvortrags. Die Vortragsform wurde beibehalten, die Anmerkungen sind auf die nötigsten Belege beschränkt.

WissenschaftUniv.-Prof. Dr. Ewald WiederinRZ 2012, 28 Heft 2 v. 1.2.2012

I.

Dass die Einladung zum Festvortrag auf dem 20. Forum einem Verfassungsrechtler gegolten hat, hat gewiss mit dem neuen Verfassungsartikel über die Staatsanwaltschaft zu tun: Nach Art 90a B-VG sind die Staatsanwälte Organe der Gerichtsbarkeit, die in Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen Ermittlungs- und Anklagefunktionen wahrnehmen. Dieser Artikel ist Anfang 2008 in die Verfassung eingefügt worden, nach einer fast schon turbulent zu nennenden Vorgeschichte: In der Regierungsvorlage fehlte er noch,1)1)Vgl RV 314 BlgNR 23. GP. der Verfassungsausschuss schlug ihn auf einen Abänderungsantrag hin vor,2)2)AB 370 BlgNR 23. GP, 4 f. im Plenum des Nationalrats wurde er in zweiter Lesung abgeändert,3)3)Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen, StProtNR 41. S vom 5.12.2007, 99; Annahme ibid 110 f. und weil es zu einer Verzögerung der Beurkundung durch den Bundespräsidenten kam, der aus anderen Gründen Anlass hatte, das verfassungsmäßige Zustandekommen der Novelle intensiver zu prüfen,4)4)Zur Frage, ob die Einführung des Asylgerichtshofes eine Gesamtänderung der Bundesverfassung bildete, vgl VfSlg 18.613/2008 und 18.632/2008. trat er rückwirkend in Kraft.5)5)Art 90a B-VG wurde mit BGBl I 2008/2 am 4. Jänner 2008 kundgemacht und trat gemäß Art 151 Abs 38 erster Satz B-VG mit 1. Jänner 2008 in Kraft. Vielleicht deshalb, weil es über Nacht kam und weil die Genese so dramatisch war, war die Freude über den neuen Artikel in der Staatsanwaltschaft und unter den Richtern umso größer. Dass nunmehr auch die Staatsanwälte, in der Verfassung verbürgt, Organe der Gerichtsbarkeit sind, hat einen ungeliebten Zustand beendet, der zwar fast hundertsechzig Jahre gewährt hat, mit dem sich die Justiz aber nie richtig anzufreunden vermochte.6)6)Vgl statt vieler Gottfried Strasser, Eigenständigkeit der Staatsanwaltschaft - kein Verfassungsproblem, RZ 1982, 227 (228 f); Peter J. Schick, Zur künftigen Stellung des Staatsanwalts, ÖJZ 2002, 323 (327 f). Dass die Staatsanwälte Verwaltungsbehörden sind, die nach Art 20 Abs 1 B-VG den Weisungen ihrer Vorgesetzten bis hinauf zur Bundesministerin für Justiz unterliegen und die im Unterschied zu den Gerichten durch Parlament, Rechnungshof und Volksanwaltschaft kontrolliert werden, diese Einordnung ist je länger, je stärker als Oktroy der Verfassungsrechtslehre empfunden worden, die in diesem Punkt zwar ganz erstaunlich einig war,7)7)Ludwig K. Adamovich/Bernd-Christian Funk/Gerhart Holzinger, Österreichisches Staatsrecht Bd 2 (1998) Rz 35.018; Bernd-Christian Funk/Konrad Lachmayer, Der Staatsanwalt im Verfassungsgefüge, in: Walter Pilgermair (Hrsg), Staatsanwaltschaft im 21. Jahrhundert (2001) 31 (41); Heinz Mayer, Die Sicherheitsbehörden im Dienst der Strafjustiz und die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, ÖJZ 2007, 17 (18); Robert Walter/Klaus Zeleny, Die Diversion durch den Staatsanwalt nach §§ 90a ff StPO in verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Sicht, ÖJZ 2001, 447 (448). die aber der Staatsanwaltschaft fern stand und die es deshalb einfach nicht besser wissen konnte. Nach dem Selbstverständnis der Staatsanwälte ergab und ergibt eine Zuordnung zur Verwaltung keinen Sinn: Sie sind in der Strafrechtspflege tätig und damit auf dem selben Aufgabenfeld wie die Richter; sie sind als Richter ausgebildet, zum Richteramt befähigt und müssen grundsätzlich als Richter auch schon tätig gewesen sein; ihr Arbeitsort ist bei Gericht.

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